Er war der wildeste Hund, den die Schweiz im Rennsport jemals hatte: Joseph «Jo» Siffert, zu Hause auch «Seppi» genannt, fuhr sich mit eisernem Willen und Durchhaltevermögen in die Pole Position. Als der junge Seppi, bescheiden in Freiburgs Oberstadt aufgewachsen, ans Rennfahren dachte, war das ein Sport der Schlossherren und anderer Reicher. Es gab kein Preisgeld, maximal einen Siegerpokal, die Autos waren aber teuer. Als Kind sammelte Siffert Lumpen und Alteisen, klaute Blumen und verkaufte sie, um seine Passion zu finanzieren. Er lernte Automechaniker und sparte sich einen Rennwagen vom Mund ab. Er bremste als Letzter, fuhr cool, aber mit vollem Risiko. Auf 70 bis 80 Grad heizte die Abwärme des Motors das Cockpit auf, oft hatte er Brandblasen an den Füssen und fühlte jedes Mal beim Bremsen höllische Schmerzen. Nach den Zieldurchfahrten verlud er den selbst bezahlten Rennwagen auf den selbst gebauten Anhänger hinter dem eigenen Zugfahrzeug und fuhr nachts zurück nach Freiburg. Hier betrieb er eine Garage für Porsche und Alfa Romeo. Mit den Erfolgen kamen Supporter, aber Siffert war lange Zeit wohl derjenige Topfahrer mit den geringsten finanziellen Mitteln.
In jedem Auto schnell. Siffert stieg von den Sportwagen in die Formel-Renner um, als ob es nichts wäre: In beiden Kategorien, grundverschiedenen Autos, fuhr er an der Spitze mit. Zu seinen Erfolgen zählen drei Markenweltmeisterschaften auf Porsche-Sportwagen in den Jahren 1969, 1970 und 1971; dabei errang er 14 Einzelsiege. Vor allem gewann er zwei Formel-1-Rennen und stand mehrmals auf dem Podest. Siffert liess Legenden wie Jacky Ickx, Jackie Stewart, Jim Clark, den Schweizer Clay Regazzoni oder Emerson Fittipaldi hinter sich.
Wo sein Ruhm einen ersten Höhepunkt erreicht hatte, verabschiedete sich Jo Siffert auch: in Brands Hatch, wo er 1968 sein erstes Formel-1-Rennen gewonnen hatte – als letzter Privatfahrer, dem solches gelang. Gestartet für das Team British Racing Motors, kam sein BRM in der 16. Runde mit über 200 Stundenkilometern vom Asphalt ab, traf auf eine Streckenbegrenzung, eine Werbetafel, überflog das Häuschen eines Streckenpostens, schlug auf, explodierte und ging in Flammen auf. Jo Siffert erstickte im Rauch. Der Grund war vielleicht ein Reifenschaden, geklärt wurde es nie; dieses Geheimnis nahm er mit ins Grab. Sein Tod jährt sich am 24. Oktober 2011 zum vierzigsten Mal.
Ed Heuvink: Jo Siffert.
Verlag Reinhard Klein, Köln.
333 Seiten, Fr. 69.–
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