Samstagnachmittag, etwa halb fünf. Petra Elsenbast steht auf der Bühne im Berner «Bierhübeli» und macht vermutlich gerade den Missgriff des Tages. Vor ihr stehen drei Biere zur Auswahl. Sie muss eines spontan verkosten und der Jury vorstellen. Elsenbast nimmt ein Bier, das sie offensichtlich nicht kennt. Den Schweizer-Meister-Titel kann sie danach vergessen.
25 diplomierte Sommeliers sind angetreten an der Schweizer Meisterschaft der Bier-Sommeliers. Es geht um Ruhm und Ehre – und um die Teilnahme an der nächsten Weltmeisterschaft. Denn die besten der Finalisten werden Teil der Nationalmannschaft. Die Schweiz ist da längst kein Nobody mehr, wie Patrick Thomi bestätigen kann. An der letzten WM holte er den zweiten Rang. Nun sitzt der Braumeister der Winterthurer Brauerei Doppelleu Boxer in der Jury.
Elsenbast kämpft mit ihrem Bier. Es ist ein bitteres Starkbier von Stone Brewing und heisst Arrogant Bastard. Der Name ist Programm, Elsenbast hat Mühe. Mit dem Bier und mit ihrer Objektivität. «Es ist wirklich kein schönes Bier», sagt sie zu den Jury-Mitgliedern. «Vielleicht sollte ich noch einen Schluck nehmen.» Ihren Auftritt schliesst sie mit: «Das kann ich leider nicht empfehlen. In diesem Sinne: Auf bessere Biere!»
Dass Elsenbast auf der Bühne steht, ist bereits ein Achtungserfolg. Erst vor kurzem hat sie mit ihrer Schwester die Sommelier-Ausbildung gemacht und sich – aus einer «Bierlaune» heraus – für die Meisterschaft angemeldet. Auch Schwester Cindy hat es in die Finalrunde geschafft.
Dem Finale ging eine technische Prüfung am Vormittag voraus. Da mussten die Sommeliers und Sommelièren Biere erkennen, Fehlgeschmäcker definieren und ihr Wissen über den Schweizer Markt beweisen. Butterige Aromen von zu viel Diacetyl? Der Unterschied zwischen Porter und Stout? Nur wer die Pflicht gut schaffte, durfte zur Kür.
Giuliano Genoni hat mehr Glück. Oder die bessere Vorbereitung. Er tritt auf die Bühne und greift schnell zu einer prägnanten Halbliterflasche. Ein Rauchweizen der Brauerei Schlenkerla. Für Genoni ist das ein Heimspiel. Er war in der Brauerei, kennt deren Biere und könnte das Weizen wohl beschreiben, ohne einen Schluck davon zu probieren.
Fachmännisch schenkt Genoni ein, beschreibt den grobporigen Schaum, die leichte Trübe des Biers und dessen bräunliche Farbe. Und dann den Geschmack: Speck. Dieses Bier müsse man mit einem Freund zusammen trinken, empfiehlt der Tessiner. «Wer das noch nie getrunken hat, wird überrascht sein und hat was zu erzählen.» Nach seinem Auftritt tosender Applaus im Saal. Schon in der ersten Pause meinte einer draussen bei der Zigarette: Der Tessiner machts. Und er sollte recht behalten.
«Die Biersommeliers sind unsere Botschafter», sagt Marcel Kreber. Er ist Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes, welcher die Ausbildung zum Schweizer Biersommelier zusammen mit dem Wirteverband Gastrosuisse vor ein paar Jahren erfunden hat. «Vierzig bis sechzig Personen pro Jahr machen die Ausbildung», sagt Kreber. Insgesamt bereits mehr als 600 Personen. Hinzu kommen all jene, die den – etwas anspruchsvolleren – Diplomlehrgang an der deutschen Bierakademie Doemens gemacht haben. So wie die Elsenbast-Schwestern.
Zuerst waren es vor allem Brauereimitarbeitende, welche den Kurs absolvierten. Und Gastronomen. Zunehmend aber werden Bierliebhaber, Hobbybrauer oder Berater Sommelier. «Da ist alles dabei», sagt Verbandsdirektor Kreber. «Von der Narkoseschwester bis zum Gärtner.» Wer den Titel hat, kann diesen beruflich nutzen. Für Degustationen oder Kurse. Eine Datenbank zeigt, wer zu mieten ist: Rent a Sommelier. Wer gut sucht, findet da auch namhafte Braumeister.
Das Konzept ist natürlich geklaut. Hierzulande kennt man den Sommelier vor allem als auf Wein spezialisierten Kellner in guten Häusern. Im Prinzip mache der Biersommelier das Gleiche, sagt Kreber. Gäste beraten, für jede Speise das geeignete Getränk finden, Vielfalt erklären. Ganz vergleichbar sei das jedoch nicht, gibt Kreber zu. Die Ausbildung zum Weinsommelier sei aufwendiger. «Wir können mit unserem Kurs nicht das Gleiche erreichen, aber das wollen wir auch nicht.»
Auf der Bühne steht Gregor Völkening. Er entscheidet sich für ein Walliser Klosterbier, und während er sich via Etikette über die Details des Bieres schlau macht, erklärt er dem Publikum den Unterschied zwischen einem normalen Klosterbier und einem belgischen Trappistenbier. Er ist etwas nervös, verhaspelt sich ein wenig, findet dann aber wieder den Rank.
Starke Biere wie dieses Tripel eigneten sich gut als Begleiter für fettiges Essen, rät er lehrbuchgetreu. «Ein Schweinekotelett vielleicht, scharf angebraten für die passende Maillard-Reaktion.» Doch eigentlich, und nun kommt er in Fahrt, würde er das Bier lieber ganz ohne etwas aufmachen. «Ich setze mich in meinen Ohrensessel, dimme das Licht ein wenig und spiele etwas Bluesrock ab», erzählt er. «Meine norwegische Waldkatze kommt und setzt sich auf meinen Schoss. Perfekt um den Abend ausklingen zu lassen.» Slam Poetry auf Alkohol.
In dem Moment wird klar: Es geht hier nicht nur ums Wissen und die Fachkenntnisse. Ein bisschen Showbiz gehört auch dazu. Damit habe manch gestandener Brauer Mühe, erzählt Vize-Weltmeister Thomi. Er kenne hervorragende Braumeister, die auf der Bühne versagten.
Auch zu viel Ehrlichkeit ist nicht gefragt. Sommeliers solle Biere in ihren besten Facetten darstellen und Kritik in Watte packen. Botschafter sein, wie es der Verbandspräsident formulierte. Vielleicht haben Petra Elsenbast die harten Worte zum Arrogant Bastard am Ende eine Medaille gekostet. In die Nationalmannschaft haben es die beiden Schwestern trotzdem geschafft.
«Das Interessante kommt jetzt in der Nase: wilde Aromen von der spontanen Gärung, Fruchtnoten von Orange, Zitrone und Grapefruit. Eine schöne Säure lässt sich erahnen.»
Gregor Völkening über das Poetry Slambic von Blackwell
«Auch nach dem dritten, vierten Schluck bestätigt sich das runde, harmonische Aroma. Das macht Freude, da kommen erste Bilder auf, was man dazu essen könnte.»
Stefan Hahn über die Rudolf Special Edition von Falken
«Das ist Schwarzwäldertorte mit etwas Sherry!»
Lukas Porro über die Theophil Vintage Edition 2 von Feldschlösschen
«Dieses Bier ist delizioso mit einem Risotto con grogonzola oder einfach mit einem starken Käse. Oder als Dessert mit einer Schokoladentorte.»
Giuliano Genoni über das Kremlin der Officina della Birra
«In der Nase haben wir Zitrusfrüchte, Mango und etwas Pfeffriges.»
Ronny Mathieu über das Double Dry Hopped Pale Ale von Hoppy People
«Der Rauch, der in der Nase noch dezenter war, kommt im Gaumen etwas mehr hervor.»
Cindy Elsenbast über da Schnitter von Luzerner Bier
«Je wärmer das Bier, desto anders wird der Geschmack. War es anfangs eher rauchig, kommt jetzt eine Karamellsüsse. Das ist faszinierend.»
Claude Preter über die Cuvée Schmutzli von Hürlimann
«Das ist ein Session-Bock, man soll nicht allzu gierig werden. Deshalb ist der Alkoholgehalt nicht ganz so noch, bei 8,5 Prozent.»
Fabian Albrecht über das selber gebraute Rollibock von Aletsch-Bier
«Nun halten Sie das Bier an die Nase. Erinnert Sie das nicht an die Arbeit auf dem Feld?»
Melitta Costantino über das Farmhouse der Brasserie Traquenard
«Jetzt klopft wieder der Hopfen an. Er möchte nach vorne, möchte mich umgeben.»
Petra Elsenbast über das India Dark Ale von Kitchen Brew
«Dieses Bier muss man mit einem Freund trinken. Wer das noch nie getrunken hat, wird überrascht sein und hat was zu erzählen.»
Giuliano Genoni über das Weizenbier von Schlenkerla
«Dieses Bier hat eine Restsüsse, aber auch so viel Alkohol, dass die Süsse, zusammen mit dem Bitteren, wunderbar eingebunden wird.»
Lukas Porro über das Imperial Stout von Lägerebräu
«Ich setze mich in meinen Ohrensessel, dimme das Licht ein wenig und spiele etwas Bluesrock ab. Meine norwegische Waldkatze kommt und setzt sich auf einen Schoss.»
Gregor Völkening über das DXV von Abbaye de St-Maurice
«Es ist für mich nicht wirklich ein schönes Bier. Vielleicht sollte ich noch einmal einen Schluck nehmen.»
Petra Elsenbast über Arrogant Bastard von Stone
«Das Bier hat einen enormen Körper, eine wohlige Wärme. Schon im Antrunk ist das sehr schön.»
Cindy Elsenbast über Bommen & Granaten von De Molen