New York, Savannah, Baltimore. An den grossen Containerhäfen der amerikanischen Ostküste läuft derzeit gar nichts mehr. Die Hafenarbeiter haben zum Streik angesetzt. Betroffen sind 36 Häfen. Allein in den Häfen von New York/New Jersey werden täglich 20'000 Container umgeschlagen.

Wenn innerhalb weniger Tage keine Einigung erzielt wird, könnte der Seetransport mit den Vereinigten Staaten im Chaos versinken. Der Streik würde weltweite Lieferketten erheblich stören. Auch mit Auswirkungen auf die Schweiz. Die «Handelszeitung» beantwortet die drängendsten Fragen dazu.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Weshalb wird gestreikt?

Diese Antwort ist relativ offensichtlich: Es geht um Geld. Die Gewerkschaft der Hafenarbeiter, welche 47'000 Angestellte vertritt, fordert 77 Prozent mehr Lohn gegenüber der letzten Vereinbarung mit den Hafenbetreibern. Diese sollen 40 Prozent mehr angeboten haben.

Dockworkers strike at the entrance to a container terminal at the Port of Baltimore, Tuesday, Oct. 1, 2024, in Baltimore. (AP Photo/Stephanie Scarbrough)

Streikende Dockarbeiter am Hafen von Baltimore: Die Arbeitnehmenden wollen mehr Lohn. 

Quelle: Keystone

Seit Juni herrscht zwischen den Parteien praktisch Funkstille. Die Gewerkschaft hat angekündigt, die Häfen per 1. Oktober zu bestreiken. Grundsätzlich machen die Hafenarbeiter schon jetzt ganz gut Kohle. Am Hafen von New York und New Jersey erzielte 2020 mehr als die Hälfte der Beschäftigten ein Einkommen von über 150'000 Dollar. Die Gewerkschaft argumentiert allerdings, dass die Transportbranche seit der Corona-Pandemie Milliardenprofite erzielt hat. An diesen wolle man beteiligt werden.

Was sind die Folgen für die Schweizer Industrie?

Der Streik hat Auswirkungen auf den ganzen Globus – auch auf die Schweiz. «Es könnte zu Unterbrechungen in den Lieferketten von Schweizer Firmen kommen», erklärt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik von Swissmem, dem Verband der Schweizer Tech-Industrie. Die USA sind das wichtigste Exportland für die Schweiz. 2022 gingen 18,3 Prozent der Ausfuhren in die Vereinigten Staaten. Das entspricht einem Exportvolumen im Wert von gut 50 Milliarden Franken.

Vom Streik betroffen sind vor allem Firmen mit Maschinenexporten in die USA. Diese werden meistens mit dem Schiff transportiert und sind zu gross und zu schwer für ein Flugzeug, erklärt Kohl. Welche Firmen stark leiden würden, ist zurzeit noch schwierig zu sagen.

Spedlogswiss, der Verband von schweizerischen Speditions- und Logistikunternehmen, stellt klar: «Je nach Dauer des Streiks könnten die Folgen schwerwiegend sein.» So wären ein paar wenige Tage wohl noch zu verkraften. «Aber bereits ein einwöchiger Streik könnte monatelange Auswirkungen haben.»

Müssen wir bald länger auf bestellte Pakete warten?

Bei einem längeren Streik werden auch Herr und Frau Schweizer die Folgen spüren. Es gibt aber noch ein weiteres Problem. «Fehlt bereits ein Teil aus den USA für die Herstellung eines Fertigproduktes, kann dieses nicht in den Verkauf gehen», so Spedlogswiss. Im schlimmsten Fall stehen also gewisse Regale in den Verkaufsläden komplett leer.

Die offizielle Organisation für Exportförderung – Switzerland Global Enterprise (SGE) – sieht die Schweizer Firmen aber gut gewappnet: «Wir sehen, dass sich die Unternehmen der Lieferketten-Problematik immer mehr bewusst sind. Viele Firmen haben sich entsprechend aufgestellt.» So greifen sie beispielsweise auf eine regionalere Wertschöpfungskette zurück.

Matchentscheidend wird nun sein, wie schnell sich die beiden Parteien annähern können. Kommt es nicht zu einer schnellen Einigung, droht ein globales Frachter-Chaos, das man auch hierzulande zu spüren bekommen würde.

So reagiert Kühne+Nagel

Der Logistikkonzern Kühne+Nagel rechnet mit «erheblichen Verzögerungen» und richtet sich auf länger andauernde Schwierigkeiten ein. «Dies ist ein bedeutendes Ereignis, das es in dieser Grössenordnung seit den 1970er Jahren nicht mehr gegeben hat», erklärte Michael Aldwell, Leiter der weltweiten Seefracht bei Kühne+Nagel, auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Der Streik sei zwar seit einiger Zeit absehbar gewesen, der Streik werde aber trotzdem «mit ziemlicher Sicherheit zu erheblichen Verzögerungen führen».

Man arbeite mit Hochdruck an alternativen Routen für Frachtschiffe und erstelle Notfallpläne. Reagiert werde konkret etwa mit zusätzlichem Personal. Und auch wenn der Streik in absehbarer Zeit behoben werden könnte, für jeden Tag des Stillstands sei mit fünf bis sieben Tagen zu rechnen, um den Rückstand nach einer Wiedereröffnung der Terminals aufzuarbeiten.