Wer die Unterschiede zwischen Gstaad und St. Moritz begreifen möchte, dem erzählt Hotelier Andrea Scherz gern eine Geschichte. Sie trug sich zu in seinem «Gstaad Palace», Epizentrum der Hotellerie im Saanenland. Er führt es in dritter Generation. Vor einigen Jahren «kam eine grosse Buchung zur russischen Weihnachtsfeier, ab dem 4. Januar für rund zehn Tage. Die Gruppe buchte, inklusive Nanny und Bodyguards, zwei Suiten plus drei Zimmer. Nach zwei Tagen tauchte der Clanboss an der Rezeption auf und brummte: ‹Checkout.› Entsetzt fragt der Rezeptionist: ‹Gefällt es Ihnen nicht im Palace?› Da murmelt der Gast: ‹Not enough bling.› Also», lächelt Scherz, «habe ich die ganze Gruppe ins ‹Palace› von St. Moritz umgebucht, und alle waren zufrieden.»
High Society und Champagner inmitten der Schweizer Alpen: Die Stereotypen über Gstaad und St. Moritz sind praktisch deckungsgleich. Doch bis auf mit Luxushäusern zugebaute Berghänge verbindet die beiden Orte nicht viel. Die Engadiner wählten Bauernsohn Sigi Asprion als Gemeindepräsidenten ab und hievten den jungen Multifunktionskünstler Christian Jott Jenny auf den Stuhl, damit er umsetzt, was der frühere Tourismusdirektor Hans Peter Danuser immer wieder gefordert hat: «St. Moritz muss wieder sexy werden und seine Extravaganz ausspielen.»
In Gstaad haben sie mit Extravaganz nicht viel am Hut. Gemeindepräsident Toni von Grünigen lebt in einem schönen Bauernhaus im Seitental Turbach, hält hier Kühe und noch höher auf dem Berg Jungvieh, das er zweimal täglich füttern muss, die Landwirtschaft hat er vom Grossvater übernommen. «Bis zum Wasserngrat ist Rummel», sagt er, «hier oben herrscht Ruhe.»
Ein «Rat Pack» der Edelschweizer
«The last paradise in a crazy world» – üblicherweise beginnen Geschichten über Gstaad mit diesem Zitat der Hollywood-Diva Julie Andrews. Jeder hier zitiert diesen Satz, wo immer er passt. Und er passt häufig: Die sanften, bewaldeten Hügel ringsum lassen der Sonne viel Raum, das Tal zu bescheinen. Noch heute raunen Primarlehrer ihren Schülern von der ermüdeten Hand Gottes zu, die mit dem Ballen die Talebene von Gstaad und mit den Fingern die fünf Seitentäler erschaffen habe. «St. Moritz hat eine pompösere Architektur, Gstaad ist eher ein sehr exklusives Commitment» zum Lokalen, sagt Antonia Crespí, die vor einem Jahrzehnt nach Gstaad kam und als Managing Director der Immobilienmaklerei Engel & Völkers auch weltweit den Luxusmarkt überblickt.
«St. Moritz ist dramatisch, Gstaad soft und charmant, die Dinners sind eher privat, die Chalets teurer», sagte Kunstsammler Friedrich Christian «Mick» Flick einst, der mit dem Unternehmer Peter Notz und dem Erben und Lebemann Gunter Sachs ein Playboy-Trio bildete, eine Art Rat Pack der Edelschweiz, das seine Hauptwirkungsstätte von St. Moritz nach Gstaad verlegte. Denn gefeiert wurde und wird in Gstaad natürlich auch, nur eben weniger ostentativ als im Engadin. Gstaad ist diskreter, distinguierter, konjunkturresistenter und landschaftlich pittoresker als St. Moritz – oder wenn man so möchte: schlicht besser.
Die Geschichte von Gstaad als Hort der Superreichen beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts, mit dem Bahnanschluss an Montreux und Zweisimmen, also an Romandie und Bernbiet. Bald entstanden die Hotels Park und Alpina, das schlossartige «Palace» auf dem Oberbort-Hügel und das herrschaftliche «Bellevue» am Eingang der heutigen Fussgängerzone – das bis heute bestehende Quartett an Fünfsternehäusern. So richtig aber fing diese Geschichte 1916 an, während um das Land herum der Erste Weltkrieg tobte. Denn seitdem zügelt die teuerste Privatschule der Welt, Le Rosey mit Sitz in Rolle am Genfersee, jedes Jahr von Januar bis März ihre Zöglinge ins Wintercamp nach Gstaad. Eltern der Schüler reisten an, um ihre Lieben zu besuchen. Sie buchten Hotelzimmer, speisten in Restaurants, mieteten und kauften bald Chalets. Das «Palace» entwickelte sich zur Amüsierzentrale.
Bei dieser Klientel kann Gstaad seine Assets voll ausspielen: «die Schönheit der Natur, die Sicherheit, der intakte Baustil, die hohe Lebensqualität mit vielen kulturellen Angeboten», weiss Marcel Bach, der als Skilehrer anfing und heute als lokaler Immobilienkönig gilt. Zudem liegt Gstaad deutlich tiefer als St. Moritz oder Courchevel, ist viel grüner. Ein Ganzjahresort zum Leben. Auch wenn nicht wenige Chalets nur zwei Wochen im Jahr bewohnt sind.
Verschwiegene Einheimische
400 Rosey-Schüler, die ihre Eltern Jahresgebühren von über 100 000 Franken kosten, verteilen sich im Winter auf Chalets in Gstaad und Schönried, und die Ehemaligen der Schule treffen sich jedes Jahr im Februar zu einem Wiedersehen – dann brummt es in den Hotelbetten und Restaurantküchen. Nach dem Schulabschluss kehren viele Gstaad den Rücken. Doch spätestens wenn sie Familie haben, erinnern sie sich an dieses Stück Heimat ihrer jungen Jahre – und kommen wieder regelmässig ins Saanenland, wo es 7600 Kühe hat, fast so viele wie Einwohner. Man kennt sich, und alle sind Fans der «Züglete», des Alpabzugs: Das «Palace» kommt an diesem Tag mit einer Hüpfburg ins Dorf, und beim «Bellevue» zieht der gesamte Tross geschmückter Kühe durch die Hotelvorfahrt am Haupteingang vorbei.
Die Einheimischen bedanken sich bei ihren gut betuchten Gästen mit Verschwiegenheit. Während im Engadin gern über die Hyperreichen in ihren 50-Millionen-Bausünden am Suvretta-Hang gelästert wird, sagen die Saaner («Saanenländer» gibt es nicht) kein Wort. Auch nicht hinter vorgehaltener Hand. Anita Roth, die als Guide und Privatskilehrerin viele illustre Persönlichkeiten begleitet, weiss: «In Gstaad möchten es die Gäste diskret, in St. Moritz möchten sie eher sehen und gesehen werden.» Bei einer Tiefschneeabfahrt von der Waldegg mit einer prominenten Dame, erinnert sich Roth, «machten wir bei einer Alphütte halt, kippten eine Mistkarre um und benutzten die als Tisch für den Wein – ein Riesenspass für alle» und woanders, vermutet sie, unvorstellbar. Wer die Dame war, sagt sie natürlich nicht: «Wir Einheimischen bekommen die Diskretion quasi schon in die Wiege gelegt.»
Wie vollkommen das Schweigekartell funktioniert, zeigt die Absage von Anita Moser, Chefredaktorin beim «Anzeiger von Saanen», die auf eine Gesprächsanfrage freundlich «an die lokalen Politiker oder andere Persönlichkeiten» verweist. Lokalzeitungen sind für Rechercheure von auswärts eigentlich ein sicherer Wert: Sie wissen alles und helfen meist gern. Nur eben nicht in Gstaad.
Dass von etwa 200 Pauschalbesteuerten im Kanton Bern mindestens 120 im Saanenland leben sollen, dass Saanen für eine 7000 Einwohner kleine Gemeinde monströse Steuereinnahmen von 60 Millionen Franken kassiert, könnte damit zu tun haben.
Tanzeinlagen im Zweireiher
Wer ohne Vorkenntnisse auf Reichenschau gehen möchte, wird sich doppelt wundern: Zwar weiss man, dass Gunter Sachs legendäre Partys in seinem Chalet «Vieux» feierte, Liz Taylor mit Richard Burton im «Ariel» residierte, das sie vor dem Verkauf noch eine Zeit lang Michael Jackson überliess, dass Formel-1-Legende Bernie Ecclestone sein «Le Lion» Tochter Tamara übergab und selbst ins «Eagle» weiterzog oder Roman Polanski im «Milky Way» seinen Hausarrest absass, dass Multimilliardär Hansjörg Wyss, Ex-Nationalbankboss Philipp Hildebrand, Designerin Jil Sander und die Chopard-Geschwister Karl-Friedrich und Caroline Scheufele im Nachbarort Lauenen leben – aber zu sehen ist von der Strasse aus meist wenig oder, wie im Fall von Biotech-Milliardär Ernesto Bertarellis Chalet, zwischen Schönried und Gstaad gelegen, praktisch gar nichts. Und hat man den Namen eines Chalets, fehlt noch immer die Adresse; die ist für Aussenstehende kaum herauszufinden.
Zweitens wird man sich wundern, wer einem im örtlichen Coop, im «Hermès»-Store an der Fussgängerzone Promenade oder in der Lobby des «Palace» begegnet; an einem Freitagnachmittag sassen dort der griechische Tankerkönig Peter Livanos, Le-Rosey-Besitzer Philippe Gudin, auch der Hotelier des Zürcher «Baur au Lac», Andrea Kracht, und das waren nur die benachbarten Tische. Am folgenden Samstagabend stieg hier, wie üblich, eine Riesenparty mit Feierwütigen im Alter von 17 bis 77: Damen in knappsten Kleidern, Männer meist in Jeans und Blazer. Ein weisshaariger Senior im straff gespannten Doppelreiher tanzte sich durch eine Mädchengruppe. Dass am selben Abend im Hotel ein Dinner der Fürstenfamilie Casiraghi stattfand, hört man am Folgetag zufällig. Wer nicht eingeladen war, hatte keine Gelegenheit, auf andere Weise davon zu erfahren.
Wie entstand diese Symbiose aus Einheimischen und Zugezogenen? «Das Geheimnis ist, dass der griechische Milliardär mit seinem Mercedes gefühlte Ewigkeiten hinter einem Bauerntraktor herfahren muss, das gehört hier dazu, und keiner regt sich darüber auf», sagt Christian Hoefliger, der in dritter Generation das heimelige Viersternhotel Hornberg im Nachbarort Saanen möser führt. Mit Geld oder Autos kann man hier ohnehin nicht protzen, «weil immer einer da ist, der noch viel mehr hat», sagt Marcel Bach. Und Hansueli Brand, der als Autohändler für Land Rover etwa jeden fünften Wagen in der Region betreut, schätzt, dass im Saanenland rund 2000 Oldtimer parken, zum Teil sensationelle Schätze – allein vom Mercedes Flügeltürer soll es ein rundes Dutzend geben, die meisten versteckt in unscheinbaren Garagen. In St. Moritz, weiss Brand, «hat es viel mehr Neuwagen».
In Gstaad rumpeln Superreiche in uralten Moncler-Jacken gern im klapprigen Suzuki zur Buure Metzg. Und in der Pinte des Hotels Olden, das inzwischen Formel-1-Legende Bernie Ecclestone gehört, spielten Richard Burton und David Niven Karten mit den Bauern aus dem Dorf. Nach dem Skifahren trafen sich Reiche und Einheimische in den grossen Hotels und feierten dort weiter, weil die Chalets für Partys viel zu kleine Küchen hatten.
Die ortsprägenden Fünfsternehotels
Daher konzentrierte sich das gesellschaftliche Leben auf die ortsprägenden Fünfsternehotels: «Das ‹Palace› ist sehr prononciert die Grande Dame, das ‹Park› professionell und oft fokussiert auf die junge, hippe Klientel wie die Rosey-Schüler, das ‹Alpina› beeindruckend und vielleicht etwas exzentrisch», charakterisiert Daniel Koetser, Manager und Eigentümer des vierten Hauses, des «Grand Bellevue». Sein Hotel, das er dem Basler Dental-Milliardär Thomas Straumann abkaufte und aufwendig renovierte, ist highend, aber gemütlich, Koetsers Ideal «ein Mix aus dem ‹Soho House› und der ‹Villa Feltrinelli›, eine Art Landhaus-Stimmung». Auf Instagram findet man Kirsty Bertarelli, Ernestos Gattin, wie sie in der Bar des Hotels mit Freundinnen Geburtstag feiert. Koetser setzt zudem auf gute Küche: Er kooperiert mit der «Chesery» von Robert Speth, einer legendären Gstaader Edelbeiz, und hat den Zweisternekoch Marcus G. Lindner von Zürich ins «Bellevue» geholt. Nicht weniger als 272 «Gault Millau»-Punkte vereinen die Speisereien der Region auf sich – Dichtestress unter Küchenchefs.
Doch mittlerweile ringt Gstaad mit sich selbst. Denn einerseits funktioniert das Geschäftsmodell blendend. Der Immobilienmarkt, sagt Engel-&-Völkers-Topfrau Antonia Crespí, «wächst um zwei bis fünf Prozent, das aber unaufhörlich». Die Anziehungskraft für Ersttäter und Rosey-Abgänger ist nach wie vor da, «Gstaad ist ein sehr internationaler, aber familiärer Mikrokosmos», sagt Crespí, «man spürt, ob man hierhergehört oder nicht».
Der Gästemix mit vielen Schweizern, Griechen, Spaniern, Italienern ist balanciert; die Welle reicher Russen und Osteuropäer, wie sie St. Moritz, Courchevel oder Kitzbühel erlebt haben, erreichte Gstaad nicht. Gstaad sei «eher wie Lech und Zürs am Arlberg», sagt ein Insider. Und so klagt Crespí, «gute Projekte sind zurzeit sehr rar gesät». 10, maximal 15 Chalets, schätzt Marcel Bach, wechseln pro Jahr den Besitzer. Rekordpreis 2018 war wohl ein Chalet für 90 Millionen, Eigentumswohnungen erreichen Quadratmeterpreise bis 60 000 Franken, angeführt von den Lagen Oberbort und Wispile – das Doppelte anderer Top-Destinationen wie St. Moritz oder Zermatt.
Nicht nur Einheimische kapitulieren in Gstaad vor den steigenden Preisen, auch Reiche weichen immer mehr in die Nachbarorte aus. Schönried und Lauenen sind längst Hotspots, Bissen, Saanen oder Rougemont auf dem Weg dorthin. Und da seit 1956 rigoros auf das Einhalten der Chaletbauweise mit viel Holz und 30 Grad Dachneigung geachtet wird, zudem praktisch keine neuen Bauflächen eingezont werden, sieht es überall gleichermassen urchig aus. «Das Bewahren, vor allem im Sinn der Bauvorschriften, hat hier vieles möglich gemacht», sagt Christian Hoefliger. Nicht zuletzt haben sich die Einheimischen so die Gestaltungsmacht über das Dorfbild gesichert.
Langjährige Playboy-Spannkraft
Andererseits aber «lebt Gstaad ein wenig vom Glamour der früheren Zeiten», sagt «Palace»-Chef Andrea Scherz: «Wir haben uns nicht neu erfunden.» Hollywood kommt nicht mehr, und die glamourösen Partys «finden heute eher hinter privaten Türen statt», bestätigt sein Kollege Koetser. Der Berner Kommunikationsunternehmer Lorenz Furrer, der seit Kindsjahren ins Saanenland kommt, wittert seit langem den Bedarf für eine neue Werbekampagne, «die das Einzigartige dieses Ortes einfängt, das Mondäne und das Gemütliche auf einem Fleck», sagt Furrer. Seine Idee: «Die Welt ist ein Dorf: Gstaad». Den Slogan «würde ich der Gemeinde sogar schenken».
Andrea Scherz hat zwar immer noch Gäste, die eigens früh anreisen, damit sie rechtzeitig ihren Schmuck aus dem Safe der Dorfbank holen und für den Abend anlegen können. Aber Gstaader wissen von privaten Silvesterpartys mit 120 Gästen, die komplett aus der Küche des Chalets bekocht werden konnten. Und die Buure Metzg, raunt einer, habe über die Weihnachtstage Fleischliches an mehr als 100 von Chaletbesitzern angeheuerte Privatköche ausgeliefert. Die Reichen laden sich gegenseitig nach Hause ein – viele Chalets verfügen über Küchen und Nachtclubs, die Gastronomen vor Neid erblassen lassen. Einige reichen vier Stockwerke tief in die Erde.
Am heftigsten leidet der Reederei-Erbe Taki Theodoracopulos. In bissigen Kolumnen für den britischen «Spectator» zieht der 81-Jährige, der nie arbeiten musste und sich mit Tennis, Judo und Karate die Playboy-Spannkraft bis ins Alter erhielt, über stillose, geschmacksferne Neureiche her. Seit 1955 hat der Grieche eine Bleibe in Gstaad, heute ist er das Schlossgespenst des Ortes. Einheimische Damen berichten, er könne «sehr unhöflich» werden. Im Ort kursieren diverse Geschichten, etwa wie Taki, ein wenig Alkohol im Tank, im «Palace» auf der Damentoilette die Anwesenden mit liebevollen Bezeichnungen (Beauty! Bitch!) begrüsste.
Privates bleibt heute privat
Doch die Zeiten stilvoller Partys mit Audrey Hepburn, David Niven oder Gunter Sachs, die sich der selbst ernannte letzte Playboy Taki zurückwünscht, sind passé.
Privates bleibt heute privat – sogar, wenn es die Superreichen eigentlich erstrahlen liesse. Denn sie legen in dieser Gemeinde einen wohl einmaligen Einsatz für öffentliche Einrichtungen an den Tag. «Ohne die Hilfe privater Aktionäre bei den Bergbahnen und Gönnern für Neubauten wie am Eggli oder Wasserngrat könnten wir viele Bahnen nicht mehr betreiben», sagt Matthias In-Albon, der junge, durchsetzungsstarke Chef der Bergbahnen Destination Gstaad (BDG). Denn die zerpflückte Topografie lässt kein zusammenhängendes Wintersportgebiet zu; viele Berge sind einzeln erschlossen, einige, wie das Rellerli, aus Geldmangel nicht mehr bespielt. Im Grunde, sagt In-Albon, «gibt es hier oben für die angebotenen Pistenkilometer zu viele Bahnanlagen».
Aber es gibt eben auch Vereinigungen wie den Eagle Ski Club, mit eigenem Clubhaus auf dem Wasserngrat. Hätten die rund 500 Mitglieder nicht 1999 für einen Umbau 6,3 Millionen Franken zusammengetrommelt, der Wasserngrat hätte längst keine Bergbahn und damit keinen Skibetrieb mehr. «Drei Jahre später haben wir noch 2,7 Millionen in die Beschneiung investiert», sagt Hans-Ruedi Steiner, im Hauptberuf Bergbauer und seit gut 20 Jahren Geschäftsführer der Sesselbahn, die auch einige seiner Bauernnachbarn beschäftigt – Chef und Kollege zugleich, für ihn «eine Gratwanderung».
Über den Eagle Club spricht er natürlich nicht. Wer im Handelsregister gräbt, findet in der Führungsriege neben Präsidentin Loula Chandris auch Leonidas Goulandris, zwei Reederei-Reiche, die britische Mäzenin Vivien Duffield, dazu Italiener, Spanier, Belgier. Die Schweiz ist mit dem Immobilienmann Bernard Nicod aus Lausanne vertreten. Ihr Clubhaus ist «members only». Als Hollywood noch kam, waren alle hier oben, natürlich auch Roger Moore, dessen Sohn Geoffrey die Stellung für den verstorbenen Vater hält. Verluste aus dem laufenden Betrieb der Sesselbahn gleicht der Club regelmässig aus.
Acht-Millionen-Projekt
Seit gut drei Jahren existiert ausserdem der Club de Luge. Er finanziert den Neubau der Gondelbahn von Gstaad aufs Eggli, die das grosse Skigebiet bis Rougemont erschliesst; ein Acht-Millionen-Projekt. Im Dorf kursieren Gerüchte, den Gründern sei es im Eagle Club zu voll geworden, ständig sei dort ausgebucht. Zudem sollen ältere Herrschaften den Transport per Gondel präferieren; einige bezahlten die Silvesterfeiern im Eagle Club, dank Auffahrt im Abendkleid per Sessellift, mit verkühlten Waden.
Neben einem modernen Schlittelweg will der Club an der Bergstation ein neues Restaurant bauen, der obere Stock mit eigener Küche soll dann den Mitgliedern vorbehalten sein. Im Bauantrag für die Talstation ist sogar eine unterirdische Autoeinstellhalle mit Lift zur Gondel vorgesehen. Doch wen sollte das stören? Die Konzession der aktuellen Bahn läuft aus, und In-Albon hat zwar eine knallharte, erfolgreiche Sanierung der BDG durchgezogen, aber für einen Neubau am Eggli hätte er kein Geld gehabt.
Diana d’Hendecourt vom Club de Luge versichert, «die ausschlaggebende Motivation zur Clubgründung war es, die Bahn von Gstaad auf das Eggli am Leben zu erhalten». Dass die Mitgliedschaft gerüchteweise 80 000 Franken kosten soll, kommentiert sie nicht; im «Eagle» dürften es, auch das eine Schätzung, eher 30 000 sein, dafür soll eine Warteliste für die Warteliste zur Aufnahme existieren. Im Club de Luge «werden wir 500 Mitglieder zur Eröffnung sein», sagt d’Hendecourt und bestätigt, dass viele der Gründer, Mitgründer und Wohltäter bereits Mitglieder beim Eagle Club seien, «aber ausser Freundschaft gibt es keine Verbindung zwischen beiden». Im Führungskreis des Schlittelclubs finden sich illustre Namen wie Michele de Picciotto aus der Familie der Genfer Privatbank UBP, Pictet-Partner Rémy Best, Lucrezia Botín-Sanz aus der spanischen Santander-Bankerfamilie. Und Ernesto Bertarelli.
Geheime Mitgliederliste im Gstaad Yacht Club
Sein Name findet sich auch beim dritten geheimnisumwitterten Verein, dem Gstaad Yacht Club. Dessen Clubhaus liegt zwar gut sichtbar neben dem Hotel Bellevue, mit unter 400 Mitgliedern ist er aber nicht minder exklusiv. Und viel verspielter: Der Club unterstützt diverse Segelsportler und vergnügt sich ansonsten bei Regatten mit ferngesteuerten Segelbötchen im Hallenbad oder auf den umliegenden Seen.
Die geheime Mitgliederliste liest sich wie ein Who’s who des Adels und des Geldadels. Juwelier Laurence Graff, Investor Rudolf Maag, Kleiderkettenerbe Marco Vögele, Baumagnat Bruno Marazzi, Ypsomed-Gründer Willy Michel, André und Maja Hoffmann (beide Roche) oder Luxusgüter-Investor Eric Guerlain, bis zu ihrem Tod waren auch die Banker Nicolas Bär und Edgar de Picciotto dabei. Dazu Mitglieder von Adelsfamilien wie Borghese oder Sayn-Wittgenstein, gekrönte Häupter aus Spanien, Norwegen, Monaco oder Dänemark. Und Tankerkönig Peter Livanos, der die Reithalle in Gstaad finanziert haben soll, weil es seine Tochter mit den Pferden hat. Zwar fehlt den Segelfreunden Zuckerkönig Jean-Claude Mimran in der Mitgliederliste, der mit Co-Investor Marcel Bach das «Alpina» in ein Superluxushotel verwandelt hat, dafür haben diese beiden gemeinsam mit Bernie Ecclestone das Skigebiet Glacier 3000 vor der Schliessung gerettet. Für den Ausbau des Flughafens Saanen flossen Millionen, Sponsorengelder stecken im Country- oder im Menuhin-Musikfestival, und auch für das geplante Konzerthaus «Les Arts Gstaad» werden die benötigten gut 100 Millionen Franken letztlich zusammenkommen.
Die einen helfen, statt zu protzen. Die anderen schweigen, statt zu reden. Den schönsten Satz zu diesem traulichen Miteinander sagt eine hart arbeitende Einheimische: «Ich verurteile Menschen nicht, nur weil sie viel Geld haben.» Das ist vielleicht das wahre Geheimnis hinter dem Erfolg von Gstaad.
Dieser Text erschien in der März-Ausgabe 03/2019 der BILANZ.