Schöne Landschaft, saubere Luft, hervorragende Schokolade und aromatischer Käse – in der Schweiz lässt es sich gut leben. Das – und das angenehme Steuerklima - wissen auch die Superreichen zu schätzen und werden nahezu magisch von der Alpenrepublik angezogen. Trotz Frankenstärke, Negativzinsen und der nationalkonservativen SVP.
Dem Ranking des Schweizer Wirtschaftsmagazins «Bilanz» zufolge besitzen die 300 Reichsten, die in der Schweiz leben, zusammen 613 Milliarden Franken - so viel wie nie zuvor. Weit mehr als jeder Dritte von ihnen ist Milliardär, insgesamt 135. Die Beobachter des globalen Reichtums von der Credit Suisse zählen in ihrem aktuellen «Billionaire Census» weltweit 2473 Milliardäre. Mit anderen Worten: Jeder 18. Milliardär der Welt lebt in der Schweiz.
Jeder Sechste hat deutsche Wurzeln
Darunter tummeln sich auch reiche Zuzügler aus dem Ausland - vor allem den Deutschen behagt das helvetische (Steuer-)Klima. Knapp jeder Sechste im Ranking hat deutsche Wurzeln.
Die insgesamt 51 Exildeutschen unter den 300 Reichsten kommen zusammen auf ein Vermögen von 93,2 Milliarden Franken, knapp die Hälfte davon sind Milliardäre. Allein die drei Reichsten unter ihnen besitzen zusammen 26,5 Milliarden Franken. Dazu zählen die Nachkommen des Baumaschinen- und Kran-Konzern-Gründers Hans Liebherr und des einstigen deutschen Kaffeekönigs Klaus J. Jacobs sowie Speditionsmilliardär und HSV-Mäzen Klaus-Michael Kühne.
Doch in Zeiten von Big Data und digitaler Überwachung, sticht vor allem ein Name von der deutschen Reichenliste ins Auge: Carsten Koerl. Carsten wer? – fragen sich vermutlich die meisten.
Kartograf des Spitzensports
Der 51-jährige Deutsche ist so gut wie unbekannt, dabei ist er gewissermassen der Kartograf des Spitzensports. Der Ingenieur ist einer der Neuzugänge unter den Reichsten der Schweiz. Vor dem Platzen der Dotcom-Blase verkaufte er seine Anteile an dem von ihm mitgegründeten Wettanbieter Betandwin und wurde so zum Millionär. 150 bis 200 Millionen Franken summieren sich auf seinem Konto.
Arbeiten müsste er längst nicht mehr. Doch Koerl zählt zu der Kategorie Unternehmer, die der Spass an der Sache und nicht das Geld antreibt. Und so ist der 51-Jährige heute mit seinem Unternehmen Sportradar Teil des internationalen Sportzirkus.
Daten sind das neue Gold
Das Unternehmen mit Sitz in St. Gallen beliefert die Medien- und Wettindustrie mit Sportdaten. Ob Thomas Müller trifft oder nicht, wie viele Zweikämpfe er gewinnt oder verliert: All das zeichnen Koerl und sein Team minutiös auf – und mausern sich so zu einem Schlüsselspieler im Geschäft mit der globalen Vermarktung von Sportdaten.
Denn Daten sind das neue Gold – auch im Sportbusiness. Entsprechend wächst Sportradar mit zweistelligen Raten, erzielte zuletzt einen Umsatz von umgerechnet 160 Millionen Franken. Bekannte Investoren sind bereits auf die Firma aufmerksam geworden: Unter anderem Basketball-Legende Michael Jordan investierte in Sportradar sein Geld.
Viele Familiendynastien und Erben
Neben Koerl tummeln sich viele Altbekannte auf der deutschen Reichen-Liste. Die Top 5 ist voll gespickt mit traditionsreichen Familiendynastien und Erben à la Liebherr, Jacobs, von Finck und Wella. Alle kamen sie einst aus Deutschland in die Schweiz und halten nun seit Jahren ihr Geld als Unternehmer, Investoren oder Immobilienbesitzer im Schweizer Wirtschaftskreislauf.
Allen voran die Familie Liebherr, die im vergangenen Jahr noch Zweitplatzierte war. In diesem Jahr legte sie an Vermögen noch eine Milliarde oben drauf – neun bis zehn Milliarden Franken sind sie nun schwer. So reich wie sie ist kein anderer Exildeutscher.
Familie Liebherr ist am reichsten
Die Geschwister Isolde (67) und Willi (69) Liebherr steuern mit ihren teilhabenden Nachkommen aus dem im französischsprachigen Teil der Schweiz gelegenen Ort Bulle höchst erfolgreich den Baumaschinenkonzern gleichen Namens. Mit über 40’000 Mitarbeitern erzielten sie 2015 einen Rekordumsatz von 9,2 Milliarden Euro. Ihre Baukräne, Muldenkipper, Bagger und all das andere schwere Gerät erwirtschaftete mit 5,6 Milliarden Euro den Grossteil davon.
Auch Umweltfreundlichkeit ist bei den Liebherrs Thema: Als die Weltklimakonferenz in Ruanda im Herbst beschloss, das Kühlmittel FKW schrittweise abzuschaffen, hatte der Konzern als eines der ersten Unternehmen überhaupt seine Haushaltssparte längst komplett auf umweltfreundliche Kältemittel umgestellt.
Familie Jacobs auf Platz 2
Unternehmerisch weniger erfolgreich verlief das Jahr für die Erben des einstigen deutschen Kaffeekönigs Klaus J. Jacobs um dessen Witwe Renata und Stammhalter Andreas Jacobs (52). Der Erlös aus dem Verkauf der Beteiligung an Adecco, dem weltgrössten Vermittler von temporären Arbeitskräften, schlummert seit zweieinhalb Jahren auf der Bank – ein saftiger Batzen von rund 2,5 Milliarden Franken.
Was aber nicht bedeutet, dass sie finanziell nicht glänzen würden: Ihr Vermögen summiert sich auf acht bis neun Milliarden Franken, eine Milliarde mehr als noch vor einem Jahr. Das macht Platz 2 unter den Superreichen mit deutschen Wurzeln.
Der Grund heisst vor allem Barry Callebaut. Der weltgrösste Schokoladenkonzern wird zu 69 Prozent von der Familie beherrscht. Die Aktien legten im Jahresvergleich kräftig an Wert zu. Das VR-Präsidium gab Andreas Jacobs dort Ende Jahr ab; Nicolas (34), sein jüngerer Halbbruder und bislang einfacher Verwaltungsrat, steht schon parat, um eines Tages zu übernehmen.
Gute Rahmenbedingungen fürs Vererben
Dass die deutsche Reichen-Liste von Milliardärsdynastien angeführt wird, scheint kein Zufall. Studien zeigen, dass vor allem Familien in Deutschland und der Schweiz geschickt darin sind, ihr Vermögen über mehrere Generationen weiter zu geben und zu bewahren. Die Rahmenbedingungen hierfür sind in der Schweiz günstig: Das wirtschaftliche Umfeld ist stabil, das Ausbildungsniveau hoch und die Erbschaftssteuern vergleichsweise tief.
Einer aber kann mit den reichen Familienclans locker mithalten: Klaus-Michael Kühne. Auf dem Konto des früher in Hamburg ansässigen Logistikunternehmers und HSV-Geldgebers sammeln sich wie bei den Jacobs rund 8 bis 9 Milliarden Franken.
Kühne baut an der Hamburger Aussenalster
Mit 53,3 Prozent der Aktien hält der 79-jährige Mäzen immer noch ein wachsames Augen auf das Geschehen des Logistikgiganten Kühne + Nagel. Operativ aber hat Kühne das Steuer längst weitergereicht.
Nur elf Prozent hält Kühne am seit Jahren in der Krise festsitzenden Hamburger Fussballclub, hat aber mit Karl Gernandt einen seiner Vertrauten auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden installiert. Diesen Sommer hat Gönner Kühne einmal mehr dem strauchelnden HSV unter die Arme gegriffen und erneut Millionen locker gemacht, sich dafür aber ein Mitspracherecht bei der Kaderzusammenstellung gesichert. Die zündende Idee kam ihm bislang aber auch nicht. Nach dem 12. Spieltag steht der Verein nach wie vor ohne Sieg da.
Abseits der HSV-Krise ist der 79-Jährige derzeit vor allem im Hotelbusiness engagiert: Das im Bau befindliche Luxusdomizil «The Fontenay» an der Hamburger Aussenalster soll eines der besten Häuser Deutschlands werden.
Sebastian Vettel ist der Jüngste
Wo wir schon bei sportlichen Krisen sind: Erneut der Jüngste unter den reichsten Wahlschweizern ist Formel-1-Rennfahrer Sebastian Vettel mit einem geschätzten Vermögen von 150 bis 200 Millionen Franken.
Der 29-jährige Wahlthurgauer hatte in dieser Saison mit der Weltmeisterschaft lediglich am Rande zu tun. In den Rennen sah der Ferrari-Pilot meist nur die Rücklichter seiner Mercedes-Kollegen. Dennoch zählt der vierfache F1-Weltmeister mit einem Fixgehalt für 2016 von umgerechnet 30 Millionen Franken plus Bonus weiterhin zu den am besten bezahlten Piloten des Feldes.
Seine Millionen investiert Vettel unter anderem in seine privaten Immobilienprojekte: Auf seinem 2015 erworbenen Grundstück von 5000 Quadratmetern in der Nähe des Strandbads von Eschenz renovierte er das alte Bootshaus und versetzte es in den ursprünglichen Zustand zurück.
Sehen Sie in der Bildergalerie unten, die Top 10 der 300 Reichsten der Schweiz: