Das Rennen um den Chefposten der US-Notenbank Fed dürfte bald entschieden sein: Binnen weniger Tage will Präsident Donald Trump bekanntgeben, wer in den kommenden Jahren die Geschicke der mächtigsten Zentralbank der Welt lenken wird – und dies womöglich weit über die Amtszeit des Staatschefs hinaus. Mehrere Kandidaten haben im Weissen Haus bereits vorgesprochen. Amtsinhaberin Janet Yellen, die ebenfalls noch im Rennen ist, ist am heutigen Donnerstag an der Reihe.
Es folgt ein Überblick über die fünf aussichtsreichsten Kandidaten für den Posten an der Spitze der Zentralbank, die mit ihren Zinsentscheidungen massgeblich mit über das Wohl und Wehe der amerikanischen und auch der globalen Wirtschaft entscheidet:
Die Bisherige: Janet Yellen (71)
Sie ist noch bis Anfang Februar 2018 im Amt. Ob sie danach weitere vier Jahre an den geldpolitischen Schalthebeln sitzen wird, ist allerdings ungewiss. Im Wahlkampf hatte Trump schweres Geschütz gegen die Top-Währungshüterin aufgefahren und sie als Erfüllungsgehilfin des damaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama bezeichnet. Später schlug er weniger harsche Töne an und stellte ihre Führungsrolle in milderem Licht dar. Selbst eine Verlängerung ihres Vertrags schloss er nicht mehr aus.
Yellens jüngst aus dem Amt ausgeschiedener Stellvertreter Stanley Fischer empfahl dem Staatschef, in der Fed für Kontinuität zu sorgen und sie im Amt zu belassen. Dennoch dürfte die älteste Vertreterin im Kandidatenfeld nicht die Nase vorn haben: Ein Schwächeanfall der mittlerweile 71-Jährigen löste vor rund zwei Jahren Spekulationen über ihren Gesundheitszustand aus. Im Juli zwang sie eine Harnwegsinfektion zu einer Zwangspause in einem britischen Krankenhaus.
Der Kompromisskandidat: Jerome «Jay» Powell (64)
Die besten Aussichten auf den Chefposten räumen Volkswirte einem langjährigen Weggefährten Yellens im Direktorium der Notenbank ein: Jerome Powell. Der Jurist und frühere Investmentbanker hat in dem Führungsgremium als einziger Vertreter ein republikanisches Parteibuch. Da Trump seinen Kandidaten auch vom US-Senat absegnen lassen muss, gilt Powell als idealer Kompromisskandidat, der bei Demokraten und Republikanern gleichermassen Anklang finden könnte.
Für ihn spricht auch die Erfahrung als Direktor: Der Mann aus der Hauptstadt Washington, den Freunde nur «Jay» nennen, sitzt bereits seit 2012 im Fed-Führungsgremium. Er hat dabei mit die Weichen dafür gestellt, dass die Wirtschaft nach der Finanzkrise 2008/09 mittlerweile wieder rund läuft.
Powell befürwortet jetzt wie Yellen eine Politik der schrittweisen Zinserhöhungen und ist so ein Kandidat, der geldpolitisch für Kontinuität steht. Zugleich ist er offen für eine Lockerung der Dodd-Frank-Gesetze: Dieses Regelwerk war die zentrale Lehre aus der Finanzkrise, in der Banken mit Steuermilliarden vor dem Aus bewahrt wurden. Trump hält die Regeln jedoch für überzogen, da sie die Wirtschaft zu stark bremsten.
Der Akademiker: John Taylor (70)
Der Stanford-Ökonom hat eine Regel entwickelt, mit der sich die Geldpolitik nach seiner Ansicht «verlässlich, transparent und berechenbar» steuern lässt. Auch wenn er in der Fachwelt einen tadellosen Ruf geniesst, läuft praktisch die gesamte Führungsetage der Notenbank Sturm gegen die «Taylor-Rule» als einzige geldpolitische Richtschnur. Diese hat jedoch unter manchen Republikanern im Kongress ihre Befürworter. Während Taylor dort auf Rückhalt zählen könnte, dürfte er bei vielen Top-Währungshütern mit seinen Vorstellungen anecken. Diese sehen ihren Bewegungsspielraum durch eine starre Bindung an eine einzige Formel über Gebühr eingeengt.
Trump, der den anhaltenden Höhenflug der Wall Street für sich reklamiert, würde mit einer Nominierung des Akademikers möglicherweise weitere Risiken in Kauf nehmen: Denn letztlich birgt ein Bruch mit der bisherigen geldpolitischen Linie der Fed die Gefahr, dass es zu Turbulenzen an den Märkten kommt – insbesondere dann, wenn die Zinszügel straffer als bislang erwartet angezogen würden.
Der Investmentbanker: Gary Cohn (57)
Der Wirtschaftsberater Trumps galt lange Zeit als Favorit für die Nachfolge Yellens: Doch die umstrittenen Äusserungen des Präsidenten zu den rechtsextremen Ausschreitungen in Virginia im Sommer sorgten offenbar für einen Knacks im Verhältnis zwischen dem Republikaner und dem früheren Goldman-Sachs-Manager. Obwohl Neo-Nazis für die Gewalt verantwortlich gemacht wurden, sprach Trump davon, es habe auf beiden Seiten des Konflikts in Charlottesville «sehr anständige Leute gegeben». Cohn habe dies offensichtlich missfallen, so ein Ex-Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte.
Der Mann aus Ohio, der sich aus kleinen Verhältnissen nach oben gearbeitet hat, verfügt mittlerweile über ein Vermögen von mindestens 260 Millionen Dollar. Doch das nach einer langen Karriere bei Goldman Sachs erwirtschaftete Vermögen könnte Cohn bei der erforderlichen Bestätigung durch den Senat zum Stolperstein werden: Manchen Demokraten wie auch Republikanern gilt die Investmentbank als Inbegriff der Exzesse, die letztlich zur weltweiten Finanzkrise führten.
Der Rückkehrer: Kevin Warsh (47)
Der frühere Morgan-Stanley-Manager sammelte bereits in jungen Jahren Erfahrung in der Führungsspitze der Fed: Er war von 2006 bis 2011 Mitglied im Direktorium. Er trat dann wegen Meinungsverschiedenheiten über das Wertpapier-Kaufprogramm zurück, das die Notenbank im Kampf gegen die Finanzkrise aufgelegt hatte. Es wurde unter dem früheren Notenbank-Chef Ben Bernanke gestartet und später von Yellen fortgesetzt, die nun erst mit einem Abbau der durch die Käufe massiv aufgeblähten Fed-Bilanz begonnen hat. Warshs Vorliebe für eine eher straffe Geldpolitik dürfte bei Trump jedoch nicht gut ankommen, da der US-Präsident ein erklärter Anhänger niedriger Zinsen ist.
(reuters/jfr)