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PersonLuca Maria Gambardella
Luca Maria Gambardella ist der digitale Denker schlechthin. Bloss wissen das in der Schweiz nur die wenigsten. Das dürfte mit seinem Standort zu tun haben. Der 58-Jährige ist Vizerektor für Innovation and Corporate Relations, Professor für Informatik und, seit 25 Jahren, Leiter des Istituto Dalle Molle di studi sull’intelligenza artificiale (IDSIA) der Università della Svizzera Italiana in Lugano. Gambardella gehört zu den am meisten zitierten Spezialisten für künstliche Intelligenz auf Google; die 300 wissenschaftlichen Arbeiten, die er verfasst hat und an denen er beteiligt war, wurden bereits 58 000 Mal zitiert. Allein auf seinen Artikel mit dem Titel «Ant colony system: a cooperative learning approach to the traveling salesman problem» von 1997 wurde bis jetzt 6000 Mal Bezug genommen. Beim Problem des Handelsreisenden geht es um klassische Optimierung. Die Herausforderung liegt darin, eine Reise mit mehreren Stationen so zu gestalten, dass kein Ort zweimal besucht wird und dass die Strecke insgesamt möglichst kurz gehalten werden kann. Einen Namen hat sich der Tessiner damit gemacht, dass er die Bewegungen von Ameisen beobachtete und daraus Schlüsse für die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz zog.
Dank Gambardella hat die Schweiz mit dem IDSIA eine der weltweit renommiertesten Einrichtungen für KI. Seine Forschung hilft mit, Drohnen besser zu steuern und Verkehrssysteme zu optimieren. Google und Tesla zählen zur Kundschaft, und das selbstfahrende Auto wäre ohne IDSIA wohl erst halb so weit. Experten sagen dem Institut eine rosige Zukunft voraus. Um die Abwanderung von Talenten zu verhindern, hat sich Gambardella 2016 mit europäischen Kollegen zusammengetan und einen Masterstudiengang für KI auf die Beine gestellt. Zudem hat er 2020, mitten im Shutdown, das Start-up Artificialy gegründet. Ziel ist es, innovative Lösungen für Wirtschaft und Industrie zu entwickeln.
Befürchtungen, wonach die Menschheit dereinst von Robotern regiert wird, teilt er nicht. Die Chancen und Risiken der neuen Technologien sieht er pragmatisch. Er glaube nicht, dass er schon bald einen Chatbot auf seiner Schulter tragen werde, der ihm ständig Ratschläge erteile. KI werde in viele Bereiche vordringen, und es werde auch zu Fehlentscheiden kommen: «Wir werden mit unserem Kopf entscheiden.» Den Menschen und seine Intelligenz wird es also weiter brauchen.