Diese Geschichte handelt von einem äusserst lebensfrohen Milliardär und ganz gewöhnlichen Zöllnern. Sie erzählt von bitteren Begegnungen dieser so ungleichen Zeitgenossen, die dem Milliardär vorläufig ziemlich schmerzhafte Zahlungen einbrockten und die Zöllner zu ziemlich aussergewöhnlichen Fahndungsschritten verleiteten. Und sie demonstriert anschaulich, was einem alles zustossen kann, wenn man den einfachen Beamten den ihnen gebührenden Respekt verweigert.
Urs Schwarzenbach (67) ist der Protagonist dieser Geschichte, die über drei Jahre hinweg zu einer veritablen Kriminalstory eskalierte und im Verdacht des Kunstschmuggels gipfelte. Vorweg sei notiert, dass für Schwarzenbach, den Milliardär, die Unschuldsvermutung gilt, weil die Dinge noch nicht abschliessend geklärt sind.
Aussergewöhnliche Lebensgeschichte
Wer den Fall verstehen will, sollte die sehr aussergewöhnliche Lebensgeschichte Schwarzenbachs im Blick haben. Als junger Mann war er einst ohne nennenswerte geldliche Unterstützung ausgezogen, um als Banklehrling und bald als Devisenhändler das Glück in London zu suchen. Soweit man diese Geschichte von ihm erzählt bekommt, war er dabei pfiffig und ungeheuer erfolgreich – ein wenig so wie der berühmte George Soros.
Fest steht jedenfalls, dass er zu den Steinreichen dieser Welt zählte, als er sich Anfang der achtziger Jahre in St. Moritz in den Clubs der Schickeria anmeldete. Da war der Mittdreissiger beim Ausgeben von Geld nicht mehr zu bremsen. Denn davon, so viel ist auch belegt, hat er seitdem mehr als genug.
Rat dankend abgelehnt
Er investierte in Schönes wie ein Besessener, kaufte noble Denkmäler in Serie: ein Schloss in Schottland, ein historisches Dorf in England, die Hotels Suvretta House in St. Moritz und Dolder in Zürich, dazu ein Resort in Marrakesch, Farmland in Australien und ein Reitergestüt ob Herrliberg am Zürichsee. Auf einem herrschaftlichen Schloss im englischen Henley-on-Thames nahm er seinen Wohnsitz. Auf 1 bis 1,5 Milliarden Franken schätzt die «Bilanz» sein Vermögen. Auch bockigen Starrsinn kann er sich leisten, für seine Fehler zahlt er einfach. Er hat es ja. Und er hat das alles alleine hingekriegt: Pfennigfuchser aus den Banken sind ihm ein Greuel. Berater sitzen häufig an seinem Konferenztisch. Ihr Rat wird aber ebenso häufig dankend verbeten.
Nun möge man sich die Begegnung dieses Mannes mit einem gewöhnlichen Zollfachmann vorstellen, zu dessen Berufung es zählt, die Angaben und Anmeldungen von einzuführenden Gütern aller Art penibel zu prüfen und zu erfassen. Einem Beamten, dessen Welt aus Datenbanken mit endlosen Kolonnen von Warenkennzeichnungs-Ziffern besteht.
So können wir erahnen, was passiert, wenn Schwarzenbach auf einen Zollbeamten der Eidgenossenschaft trifft, der gerade einen mürrischen Tag durchlebt. Ein solches Ereignis soll nämlich dieser mutmasslichen Schmuggelgeschichte vorausgegangen sein. Die Prozedur soll volle zwei Stunden gedauert haben, wenn man Schwarzenbach glaubt. Wir dürfen zumindest annehmen, dass sie seine Geduld gehörig strapazierte, auch wenn man – dem Beamten zugutehaltend – davon ausgeht, dass die gefühlte Dauer und die reale Dauer nicht ganz übereinstimmten.
Über die grüne Linie
Jedenfalls scheint bei Schwarzenbach in diesen gefühlten Stunden eine tiefe Abwehr gegen alles Grenzbeamtentum erwachsen zu sein, und es ist auf beiden Seiten unbestritten, dass er fürderhin, zumindest während der letzten acht Jahre, die verjährungstechnisch in Frage stehen, die Nähe der Zöllner nicht mehr gesucht hat.
Das wurde ihm auch leicht gemacht. Wenn er zum Beispiel in Zürich mit seinem Businessjet aufsetzte, nahm er gewöhnlich den grünen Durchgang, und so hielt er es auch auf dem Flugplatz von Samedan, wo er sich wie zu Hause fühlt. Schliesslich ist er Mitbesitzer des Flugplatzes. Man erzählt, dass er dort wohl auch nur selten einen Beamten zu Gesicht bekommen hätte, wenn er den Weg durch den rot bemalten Ausgang für deklarierungsfreudige Menschen gewählt hätte.
Gewiss, man sollte, wenn die Deklarierungspflicht sehr drängend empfunden wird, dort eine Klingel betätigen und einen Zöllner herbeirufen. Womit man aber mal wieder mit einer gefühlt zweistündigen Prozedur konfrontiert wäre. Auch am Flughafen Zürich, wo er seine Gulfstream am Business Aviation Center parkieren lässt, wurde die Sache lange Zeit wohl ziemlich gelassen behandelt.
Schicksalhaften Begegnung
Bis zu jenem Tag, dem 29. September 2012, als Urs Schwarzenbach wieder den grünen Gang für die Einreise in die Schweiz wählte. Er hatte ein Bild im Wert von 302'400 Franken dabei und eine Skulptur für 11'372 Franken. Hier kam es nun zur ersten schicksalhaften Begegnung mit einem Zöllner, der eben fragte, was er immer fragt. Schwarzenbach antwortete, dass ihm die Zeit für die besagten zwei Stunden fehlten, die ihn Anmelden und Abfertigen kosten würden. Er kenne das ja. Es sei nicht sein Ziel gewesen, Abgaben zu umgehen, sondern Zeit zu sparen.
Nun dauerte die Prozedur tatsächlich, denn der Zöllner griff zum Formblatt mit dem Titel Feststellungsprotokoll. Die schreckliche Zollroutine nahm ihren Lauf.
Razzia im Archiv
Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) eröffnete eine Zollstrafuntersuchung gegen Schwarzenbach «wegen des Verdachts der versuchten illegalen Einfuhr von zwei Kunstgegenständen, mithin der Widerhandlung gegen das Zollgesetz und gegen das Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer». Die Zöllner witterten offenbar einen dicken Fisch. Bald schon hegten sie den Verdacht, dass «in mehreren Fällen unrichtige Verzollungsinstruktionen erteilt worden seien, sodass für Schwarzenbach oder für Firmen, die ihm gehören oder durch ihn beherrscht werden, Kunstwerke mit zu tiefen Werten zur Einfuhr veranlagt worden» oder gar ganz «ohne Zollanmeldung eingeführt worden seien».
Im April 2013 erlitt Grenzgänger Schwarzenbach dann tatsächlich eine vielstündige, nervenzehrende Prozedur der EZV. Am Hoftor zur Villa Falkenstein, seinem prächtigen historischen Anwesen oberhalb des Zürcher Bahnhofs Stadelhofen, klingelte ein Team von Zollbeamten. Mit einem Durchsuchungsbeschluss erbaten sie Zugang zum Nebengebäude, in dem eine Kuratorin und einige Mitarbeiter seiner Kunstverwaltung arbeiteten. Fahnder begannen damit, Tatortfotos anzufertigen, und konfiszierten allerhand Dokumente. IT-Techniker packten aus unförmigen Hartplastikkoffern merkwürdige Geräte aus und verbanden diese nacheinander mit allen fünf Laptops, die im Büro genutzt wurden. Kein schöner Anblick für den Hausherrn.
Als das EZV-Team wieder ging, befand sich die professionelle Kunstdatenbank «Faust» mitsamt allen Einträgen, die Schwarzenbachs Leute zur Archivierung der Bestände genutzt hatten, auf einer robusten externen Festplatte der Marke LaCie, gesamthaft 1'832'920 sichergestellte Dateien. Weil die Anwälte Schwarzenbachs die Versiegelung der Daten verlangten, begann der in solchen Fällen übliche Rechtsstreit. Verteidiger kämpfen für die Versiegelung, EZV-Juristen dagegen. Schwarzenbach wurde erklärt: Das dauert.
Ein Einzelfall zu viel
Doch schon zwei Wochen später kam es zu einer weiteren schicksalhaften Begegnung mit den Zöllnern. Am 3. Juni landete Schwarzenbach am Flughafen Zürich, und wieder marschierte er durch den grünen Sektor. Wir ahnen es bereits: Es gab Probleme. Schwarzenbach hatte zwei Bilder und einen Koffer mit 19 kleinen antiken Stücken dabei. Die Zöllner zückten ihre Protokollmappe. Einzelfälle, sagte Schwarzenbach. Er zeigte sich reumütig und kooperationswillig, doch den Zöllnern war es ein Einzelfall zu viel.
Unterdessen fanden die EZV-Ermittler in den Lagerlisten des Zürcher Zollfreilagers aus dem Jahr 2008 Werke aus der Schwarzenbach-Sammlung, die inzwischen im Hotel Dolder zum Kunstvergnügen für die Gäste aufgehängt waren. Etwas ungeschickt waren diese Bilder auf der Website des Hotels als Schwarzenbachs Privatsammlung bezeichnet. Das war nicht gut, weil nicht Schwarzenbach, sondern zwei Galerien diese Werke im sogenannten Verlagerungsverfahren aus dem Freilager in die Schweiz importiert hatten.
Das machen Galeristen gerne, wenn sie Werke schon einmal umhängen. Das gehe gar nicht, befand jedoch das EZV. Tatsächlich seien die Bilder für Schwarzenbach importiert worden. Hätte er sich aber selbst als Importeur der Werke deklariert, so wäre er zur «Deklaration und Entrichtung der Einfuhrsteuer verpflichtet gewesen, ohne dass er nachfolgend einen Vorsteuerabzug hätte geltend machen können». Stattdessen hätten die Galerien die Einfuhrsteuer im Verlagerungsverfahren deklarieren und somit mutmasslich ungerechtfertigte Vorsteuerabzüge generieren können. Damit seien dem Staat Abgaben vorenthalten worden. So der Verdacht. Schwarzenbach bestritt dies, er habe den Galeristen vertraut, ohne jegliche böse Absicht. Ausserdem hätten die Zöllner die Bücher der Galerien jederzeit einsehen können.
Der zweite Bilderstreit
Schwarzenbach lernte, dass er die Bilder nicht mehr einfach so grenzüberschreitend umherfliegen durfte, wenn ihn die Lust ergriff, ein Gemälde zwischen seinen Domizilen umzuhängen. Er zeigte sich kooperationsbereit, sodass die EZV klären konnte, was wie zu welchem Warenwert angemeldet wurde. Und so war er auch ohne Federlesens bereit, für die fahrlässig übersehenen Zöllner, denen bei diesem freizügigen Bilderzügeln viele Zollabgaben entgangen waren, der EZV nachträglich etwas mehr als zehn Millionen Franken zu entrichten. Der erste Bilderstreit war damit erledigt.
Schwarzenbach erblühte wieder in bester Kauflaune. Im April 2015 setzte er sich in eine nagelneue Gulfstream, eine G650. Die grösste und schnellste Maschine von Gulfstream. 14 Sitzplätze, mit Küche, Bar, Internet und Satellitentelefon. Feinstes Interieur. Hypermodernes Cockpit für zwei Profipiloten. Rolls-Royce-Triebwerke. Für weniger als 30 Millionen Dollar bekam er den Jet. Ein Schnäppchen sozusagen, andere zahlen 60 Millionen.
Das Jagdfieber kamdazwischen
Am 8. Februar 2016 bestieg er frühmorgens seinen Wundervogel in Samedan, im Gepäck ein langes, eingerolltes Gemälde des zeitgenössischen Künstlers Ben Johnson, der für seine detailtreuen fotorealistischen Bilder arabischer Bauwerke bekannt ist. «Patio de Los Arrayanes» hiess das Werk, drei auf zweieinhalb Meter, 160'000 Franken. Brav deklarierte Schwarzenbach das Gemälde zur Ausfuhr nach Marokko. Für sein Hotel in Marrakesch.
Und wieder ging die Sache schief. Das Jagdfieber kam ihm dazwischen, und er bat die Piloten um Zwischenlandung im spanischen La Perdiz, ein paar hundert Kilometer südlich von Madrid. Ein spanischer Jagdfreund hatte ans Gewehr gerufen, ins Jagdrevier bei Torre de Juan. Der Beamte von der Guardia Civil fragte am Ausgang, was er immer fragt. Nein, antwortete Schwarzenbach. Das Bild lag ja im Jet, und er wollte es erst in Marokko einführen.
Er hat das Geld, sie die Macht
Doch Zöllner denken anders. Die Guardia Civil hatte einen Tipp von den Beamten im Engadin erhalten, die wegen der Flugdaten der Maschine misstrauisch geworden waren. Jetzt dämmerte es Schwarzenbach, dass die Freundschaft zwischen ihm und den Zöllnern nicht so einfach herzustellen war: Er hatte Daten und Geld, sie hatten die Macht, beides abzuzapfen. Und es kam tatsächlich noch schlimmer. Die Razzia rief auch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) auf den Plan, die sich auf dem Weg der Amtshilfe mit der EZV austauschte.
Nun erklärten die Beamten seine Villa Falkenstein mit dem geschäftigen Treiben darin als Betriebsstätte, die in der Schweiz Steuern auf ihre Erträge zahlen müsse. Die ESTV belegte ihn daher mit Arrestbefehl über 220 Millionen Franken, die er sogleich als Sicherheit hinterlegen musste. Angesichts seines eher ausgabe- als gewinnorientierten Geschäftsstils war das wirklich happig. Dagegen wehrt er sich jetzt mit dem Steuerrechtsprofessor Robert Waldburger, einer Koryphäe seines Faches.
Im Reich der Alltagsdenunziation angekommen
Und zu allem Überfluss meldeten offenbar selbst ernannte Hilfspolizisten verdächtige Flugbewegungen auf dem Rütihof ob Herrliberg, wo er ein Gestüt unterhält. Mit seinem Helikopter würden dort Bilder in die Tiefgarage verschoben, wurde bedeutungsvoll gemunkelt.
Damit ist sein Fall nun wohl im Reich der Alltagsdenunziation angekommen. Denn Schwarzenbach darf seine Bilder innerhalb der Schweiz transportieren, wie es ihm beliebt. Mit dem Heli, mit seinem Rolls-Royce. Sogar mit seinem Heissluftballon. Er sollte nur darauf achten, dass er dabei die Pferde nicht scheu macht. Und dafür sind diesmal seine Freunde, die Zöllner, nicht zuständig.
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