Die SVP ist im Stress. Sie sucht eine Nachfolge für Bundesrat Ueli Maurer. Sie quält sich mit ihrem Anspruch, eine für die Partei ideologisch stramme Person zu portieren, die bei der politischen Konkurrenz dennoch ankommt.

Das Kandidatenfeld ist nicht berauschend. Fünf Leute stehen zur Auswahl: ein Berner Vollzeitlobbyist, ein zweiter Berner und Steuerkommissar von Beruf, ein Zürcher Aktienrechtsprofessor, eine Nidwaldner Regierungsrätin mit zwei Pässen und der Zuger Finanzdirektor. Die beiden Berner sind gelernte Agronomen, die anderen drei Juristen.

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Nationalrat Albert Roesti, rechts, und Staenderat Werner Salzmann sprechen bei einem lokalen Termin der SVP Region Fraubrunnen ueber Sicherheit und Energie, am Dienstag, 18. Oktober 2022, in Grafenried. Die beiden Berner Vertreter Nationalrat Albert Roesti, und Staenderat Werner Salszmann, bewerben sich offiziell um den Sitz des zuruecktretenden Bundesrates Ueli Maurer. Dessen Nachfolge wird von der Vereinigten Bundesversammlung am 7. Dezember 2022 gewaehlt. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Die zwei Berner Kandidaten: Steuerkommissär Werner Salzmann und Profilobbyist Albert Rösti.

Quelle: Keystone

Viele im Parlament loben den Berner Albert Rösti in den Himmel. Er sei über die Parteigrenzen hinweg beliebt, habe einen guten Umgang, sei politisch berechenbar und verlässlich und habe deshalb reelle Chancen gewählt zu werden.

Keiner sagt, was die Antworten auf die offensichtlichen Fragen wären: Hat er Regierungserfahrung? Weiss er zu führen? Kann er sich durchsetzen? Und hat er ein Programm? Die Antworten sind: viermal Nein.

Er hat keine Regierung geführt, er hat sich als Parteipräsident nicht durchgesetzt, er hat nicht bewiesen, dass er Departemente führen kann, und er hat kein Programm. Er könne nicht Nein sagen, sagen Weggefährten. Er passe sich den Umständen an, um weiterzukommen, und führe als Lobbyist Aufträge Dritter aus. Das heisst: Er versucht als Nationalrat, Gesetze und Finanzbeschlüsse zugunsten der Anspruchsgruppen zu beeinflussen, die ihn finanzieren.

Das jüngste Beispiel ist der Bundesbeschluss zur Erhöhung der Staumauer des Grimselsees. Der Gewinner seines Lobbyings war der Wasserwirtschaftsverband, der ihm das Präsidium finanziert. Nicht umsonst hat ihn sein Parteikollege Roger Köppel und Chefredaktor der «Weltwoche» auf der Titelseite mit ein paar Tausendernoten in der Brusttasche karikiert. Die Botschaft: Rösti ist politisch käuflich.

Abgestempelt als Aussenseiter

Gleichzeitig ständen Anwärter bereit, über die kaum jemand spricht, für die aber die oben gestellten Fragen viermal mit Ja beantwortet werden können.

ARCHIVBILD ZUR BUNDESRATSKANDIDATUR VON HEINZ TAENNLER --- Heinz Taennler, OK-Praesident, spricht waehrend dem Festakt am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) in Zug, am Sonntag, 25. August 2019. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Ein Kandidat mit vielen Vorzügen, aber «Aussenseiter» in Bern: Der Zuger Heinz Tännler (SVP).

Quelle: Keystone

Da ist der Zuger Heinz Tännler. Er hat langjährige Regierungserfahrung, er weiss effizient und wirksam zu führen, er setzt sich durch, und er hat ein Programm: Firmen anziehen, Arbeitsplätze schaffen, die Distanz zwischen Volk und Regierung verkürzen, effiziente Staatsleistungen anbieten und das gemeinschaftliche Leben fördern. Und dennoch stempelt man ihn bei der Konkurrenz ab Aussenseiter ab: Man kenne ihn nicht, das sei in Bern ein Problem, sagt etwa ein wirtschaftsnaher FDP-Parlamentarier.

Ähnliches gilt für die kandidierende Nidwaldnerin Michèle Blöchliger. Für sie könnten die vier Fragen ebenfalls mit Ja beantwortet werden, doch man kennt sie zu wenig. Und so haben die Gegner sie kurzerhand medial abgeschossen, weil sie eine einzige Frage falsch beantwortet hat: dass sie zwei Pässe habe, auch den britischen. Und niemand hat gefragt, ob sie mehr kann als der wendige Rösti.

Die Nidwaldner SVP Regierungsraetin Michele Bloechliger gibt ihre Bundesratskandidatur als Nachfolgerin des abtretenden Bundesrat Ueli Maurer bekannt, am Montag, 17. Oktober 2022 im Rathaus in Stans im Kanton Nidwalden. (KEYSTONE/Urs Flueeler).

Abgestempelt als unglaubwürdig – wegen zwei Pässen: Die Innerschweizer Regierungsrätin Michèle Blöchliger.

Quelle: Keystone

Die anderen Parteien schauen belustigt zu, denn sie kennen das eherne Gesetz der Bundesratswahlen: Nicht die fähigste Kandidatur soll gewinnen, sondern die, die für die sitzbeanspruchende Partei die grösste Hypothek darstellt.

Ein FDP-Parlamentarier, der nicht genannt sein will, hat es umschrieben: «Das Ziel jeder Partei ist, der Partei, die einen Bundesratssitz beansprucht, ein faules Ei zu legen.» Je schlechter die Performance eines Bundesrates, desto schlechter die News, desto unwahrscheinlicher ein Wahlerfolg. Der Rösti ein faules Ei? Als SVP-Zugpferd hatte er sich nicht bewiesen. Das ist gut für die Konkurrenz, aber schlecht für das Land.

So läuft das in Bern.