Nie war ein US-Präsident mächtiger: Donald Trump hält das Weisse Haus, kann sich auf eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern und auf eine schon jetzt gut laufende Wirtschaft stützen. Zudem dominieren US-Tech-Firmen die Welt.
Wie anders sieht es in Europa aus: Frankreich hat keine handlungsfähige Regierung, und Deutschland steckt im Wahlkampf. Zudem durchläuft Europas grösste Volkswirtschaft derzeit die schwerste Wirtschaftskrise seit der Wiedervereinigung.
Und was machen Europas Spitzenpolitiker beim WEF? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Noch-Kanzler Olaf Scholz und auch sein wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz skizzieren in leuchtenden Farben, mit welchen Reformen sie Deutschland und Europa wirtschaftlich wieder flottmachen wollen.
Die Rede ist davon, in der EU endlich einen einheitlichen Kapitalmarkt zu begründen, sodass Europas Firmen nicht mehr an die Wall Street müssen, um sich zu finanzieren. Das Wort «Bürokratie-Abbau» fällt ebenfalls mit schöner Regelmässigkeit. So hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Idee der Strategieberater von McKinsey übernommen, den 27 nationalstaatlichen Regeln ein neues, 28. Regelset an die Seite zu stellen, das dann EU-weit gelten und die nationalstaatlichen Regeln übersteuern soll. Bestimmte Firmen sollen so – vergleichbar mit den USA – in der gesamten EU unter einem Steuer- und Arbeitsmarktregime geschäften können.
Viele dieser vorgestellten Ideen sind gut. Und einige davon sind alt, wie etwa das Konzept eines einheitlichen Kapitalmarkts. Zuletzt hatte Ex-EZB-Chef Mario Draghi in seinem Reformbericht jede Menge Ideen für eine wirtschaftlich stärkere EU geliefert. Sprich, kluge Konzepte gibt es zuhauf, doch es fehlt an der Umsetzung. Selbst wenn nur ein Teil der beim WEF vorgestellten Reformen Wirklichkeit würde, wäre dem alten Kontinent und seinen Unternehmen damit schon geholfen.
Der Reformdruck kommt nicht von Trump, er kommt aus der eigenen wirtschaftlichen Malaise und der toxischen Mischung aus zu hohen Ausgaben für Sozialtransfers und zu tiefen Investitionen. Will Europa von Trump ernst genommen werden, muss es seine Probleme selbst lösen.
Und die Schweiz? Die USA sind zwar längst wichtigster Aussenhandelspartner, doch insgesamt dominiert nach wie vor der Block der 27 EU-Staaten. Steckt Europas Wirtschaft in der Krise, so bremst das auch die Schweizer Wirtschaft. Und über den schwachen Euro schwappen zusätzliche Ansteckungseffekte ins Land. Aus Schweizer Sicht bleibt daher zu hoffen, dass Trumps Amtsantritt der finale Wake-up-Call für Europa ist, die Wirtschaftsprobleme nicht mit Subventionen, sondern mit Strukturreformen anzupacken.