Unternehmer seien auf ihn zugekommen mit der Idee, ukrainischen Flüchtlingen «unkompliziert» den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, sagt FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. «Es gibt namentlich im IT-Sektor viele Schweizer Firmen, die einen Teil ihrer Arbeit aus der Ukraine erledigt haben», sagt der Jungunternehmer. Nichts liege näher, als solchen qualifizierten Fachleuten in der Schweiz schnell einen Job zu ermöglichen.

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So twitterte Silberschmidt gestern: «Ich werde mich dafür einsetzen, dass Ukrainerinnen und Ukrainer, die in die Schweiz kommen, in einem vereinfachten Verfahren eine Arbeitsbewilligung erhalten können.»

Mit dem Anliegen gelangte er an Justizministerin Karin Keller-Sutter und er sei auf offene Ohren gestossen, sagt der FDF-Nationalrat. Silberschmidt erwartet, dass der Bundesrat noch heute Freitag den ukrainischen Flüchtlingen eine vereinfachte Arbeitsbewilligung in Aussicht stellt. «Ukrainer erhalten mit dem neuen Schutzstatus S unbürokratisch Hilfe in der Schweiz. Jetzt ist es wichtig, diesen Menschen nicht nur den Schutzstatus, sondern auch eine Perspektive zu geben.» Dies passe zur schweizerischen humanitären Tradition.

Hochqualifizierte Flüchtlinge als Arbeitnehmer

Die Schweiz hat in verschiedenen Flüchtlingswellen seit dem Zweiten Weltkrieg Hunderttausenden die Möglichkeit verschafft, sich hier festzusetzen. Frappant sind die Parallelen zu den russischen Einmärschen in Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei.

1956 sind 14’000 Leute aus Ungarn in die Schweiz eingewandert. Dies, weil dort die russische Armee einmarschiert war. Ungarn hatte versucht, sich aus der kommunistisch-russischen Umklammerung zu lösen und den Ostblock zu verlassen. Der Tod des russischen Diktators Stalin und die nachfolgenden Reformen hatten diese Hoffnung genährt.

Viele Flüchtlinge haben nach 1956 in der Schweiz Karriere gemacht. «Erleichtert wurde die Integration durch das hohe Bildungsniveau der Flüchtlinge», erklärte der Historiker, Universitätsdozent und Flüchtlingskind Andreas Oplatka zum 50-Jahr-Jubiläum des Einmarsches den Erfolg der ungarischen Diaspora in der Schweiz. Obwohl es gewisse Mentalitätsunterschiede gegeben habe, teilten die Ungarn «weitgehend die humanitären und kulturellen Werte Westeuropas».

1968 wiederholte sich das Schicksal in der damaligen Tschechoslowakei. Das Land strebte nach Demokratie und Selbstbestimmung. Die Sowjetarmee überfiel das Land. Moskau sandte 500’0000 Soldaten in das kleine Land. Über 200’000 Tschechen flüchteten und die Schweiz nahm erneut rund 14’000 von ihnen auf, darunter etliche Ingenieure und Ärzte. Viele setzten sich in den industriellen Ballungszentren Luzern (von Moos Stahl), Winterthur (Sulzer) und Solothurn (Stahl Gerlafingen) fest. Dies, weil die schweizerischen Flüchtlingshelfer ihnen damals dazu geraten hatten, dort Arbeit zu suchen. Laut einem Bericht des Schweizerischen Roten Kreuzes hatten 56 Prozent der Flüchtlinge einen Hochschulabschluss.

Andri Silberschmidt, Nationalrat FDP-ZH, portraitiert am 4. Dezember 2019 in Bern. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Andri Silberschmidt, Jungunternehmer und FDP-Nationalrat.

Quelle: Keystone
Wie viele Flüchtlinge könnten einwandern?

Vergleicht man die Flüchtlingsbewegung heute, die Rede ist von einer Million Flüchtlingen aus der Ukraine, so müsste sich die Schweiz auf weit mehr Einwanderer einstellen als damals. 1956 flüchteten 200’000 Ungarn und 14’000 kamen in die Schweiz. 1968 flüchteten rund 210’000 Leute nach Österreich. Die Schweiz nahm 14’000 davon auf. Würde die Schweiz jetzt Flüchtlinge in einem ähnlichen Verhältnis aufnehmen, so dürfte es sich um rund 50’000 Ukrainer handeln. 

Heute anders ist, dass die männlichen Ukrainer im Land verbleiben müssen und ins Militär eingezogen werden. Glaubt man den Berichten, so sind die allermeisten Flüchtlinge Frauen und ihre Kinder. In den ersten Monaten nach dem Einmarsch dürfte die Hoffnung dieser Menschen dominieren, in die Ukraine zurückzukehren.

50’000 Personen wären für die Schweiz eine hohe Zahl. Zum Vergleich: Seit 2013 sind in die Schweiz netto rund 70’000 Leute aus dem EU-Raum eingewandert. Diese Einwanderung ist nach den Bestimmungen der bilateralen Verträge mit der EU an das Erfordernis eines Arbeitsvertrages gebunden.

Die Ukraine ist arbeitsrechtlich für die Schweiz ein Drittstaat. Damit richten sich Arbeitsbewilligungen für Einwanderer aus diesem Land heute nach den Vorschriften für Drittstaaten, darunter der Nachweis, dass der gesuchstellende Arbeitgeber in der Schweiz und im EU-Raum keine gleich qualifizierte Person finden konnte. Will die Schweiz jetzt Ukrainern die Erteilung einer Arbeitsbewilligung vereinfachen, muss sie eine Ausnahmebestimmung innerhalb dieses arbeitsrechtlichen Drittstaatenregimes erlassen. Derzeit erhalten 8500 Drittstaatenangehörige jährlich ein solches Arbeitsvisum und das Gerangel um solche Arbeitsbewilligungen ist gross.