Im schlimmsten Fall könnte der Schweiz ab 2025 zu wenig Strom zur Verfügung stehen. Wirtschaftsminister Guy Parmelin ruft im Rahmen einer Kampagne Unternehmen auf, sich auf eine allfällige Strom-Mangellage vorzubereiten.

«Eine Strom-Mangellage ist neben der Pandemie die grösste Gefahr für die Versorgung der Schweiz», sagt Parmelin in einem Video. Dieses ist auf der Webseite der Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral) aufgeschaltet. Über die Kampagne berichteten die «NZZ am Sonntag» und Schweizer Radio SRF.

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Gute Vorbereitung wichtig

Mit Strom-Mangellage sei gemeint, dass wochen- oder gar monatelang zu wenig Strom zur Verfügung stehe, führte Parmelin im Video aus. «Das würde zum Beispiel bedeuten, dass Fabriken weniger produzieren könnten, Behörden und Dienstleistungsunternehmen wie Banken ihr Angebot verkleinern müssten oder vom Strom abhängige Transportmittel wie Bahnen oder Trams nur noch eingeschränkt fahren könnten.»

Die Pandemie habe eindrücklich gezeigt, wie wichtig es sei, sich so gut wie möglich auf Krisen vorzubereiten, sagte Parmelin. Sollte der Strom knapp werden, sei die Schweiz auf die Unterstützung aller Stromkunden angewiesen, sagte er an die Adresse der Unternehmen.

Die Kampagne der Ostral startete am 30. September, wie Patrick Rötheli, Leiter Geschäftsstelle Energie des Bundesamtes für Wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Dazu gehört ein Informationsbrief an die rund 30'000 Strom-Grossverbraucher, über den die «NZZ am Sonntag» berichtete und der zurzeit verschickt wird.

Brief vom Verteilnetzbetreiber

Die rund 700 Verteilnetzbetreiber fordern diese Betriebe mit einem Verbrauch von jährlich über 100 Megawattstunden Strom auf, sich auf eine mögliche Kontingentierung des Stroms vorzubereiten. Sie müssten ihren Verbrauch um einen gewissen Prozentsatz drosseln, abhängig von der Lage, wie Rötheli sagt.

Der Bundesrat kann in Mangellagen Vorschriften zum Stromverbrauch und zum Stromsparen machen. Zunächst gäbe es allerdings Aufrufe zum freiwilligen Sparen. «Bleibt die Situation aber schwierig, könnte es Verbrauchseinschränkungen geben», sagt Rötheli. Beispielsweise würden dann Saunas oder Skilifte stillgelegt.

Wenn auch Verzicht in der Freizeit zu wenig bewirkt, könnte als nächste Stufe der Strom für Grossverbraucher kontingentiert werden. «Diese Unternehmen werden deshalb aufgefordert, sich Gedanken zu machen, wie ein gewisser Prozentsatz an Strom eingespart und der Betrieb dennoch teilweise weiterlaufen könnte», sagt Rötheli.

Abgestufter Plan

Ziel des abgestuften Planes ist es laut Rötheli, in einer Strom-Mangellage «rollierende Netzabschaltungen so lange wie möglich zu verhindern». Diese würden dann alle Stromverbraucher treffen.

Die Ostral in ihrer heutigen Form gibt es seit 2011, wie sie auf ihrer Webseite schreibt. Sie ist eine Kommission des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und untersteht der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes. Hervorgegangen ist die Ostral aus der «Kriegsorganisation der Elektrizitätswerke» (KOEW).

Gibt es nicht mindestens auf technischer Ebene Fortschritte, könnte die Schweiz wegen des fehlenden Stromabkommens mit der EU ab 2025 ein Problem mit der Strom-Versorgungssicherheit bekommen, vor allem im Winter. So steht es in einem von drei Szenarien in einem Bericht, den der Bundesrat am Mittwoch zur Kenntnis genommen hat.

Neue Vorgabe ab Ende 2025

Ab Ende 2025 müssen europäische Netzbetreiber 70 Prozent der für den grenzüberschreitenden Handel bedeutenden Kapazitäten für diesen freihalten. Diese 70-Prozent-Regel könnte die Importkapazitäten der Schweiz einschränken.

Im Bericht wurde untersucht, welches die Folgen davon für die Schweiz sind, mit einem Stromabkommen, mit mindestens technischen Vereinbarungen mit den Nachbarländern oder beim Verzicht auf eine Zusammenarbeit mit der EU. Ohne die Kooperation würde die Lage spätestens im März kritisch, heisst es im Bericht.

Das Stromabkommen mit der EU liegt seit 2018 auf Eis. Dass der Bundesrat Ende Mai die Verhandlungen mit der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen abbrach, dürfte die Chancen auf ein Abkommen nicht verbessert haben.

Mit einer Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes will der Bundesrat die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erhöhen. Die Botschaft hat er im Sommer dem Parlament übergeben. Darin enthalten ist auch eine verbesserte Stromversorgung im Winter.

(sda/gku)