In Anlehnung an den Nobelpreisträger Paul Krugman, der vor einigen Jahren den Begriff «Zombies of Voodoo Economics» gebraucht hat, ist der Gastbeitrag von Reiner Eichenberger in meinen Augen ein Beispiel von «Voodoo-Statistik». Die These – Autofahren sei klimafreundlicher als Velofahren – wird, obwohl durch Fakten widerlegt, neu aufgewärmt.

Dies hinterlässt Fragezeichen über die Ernsthaftigkeit des Autors. Denn seine Statistik-Spielereien leisten keinen Beitrag zur Lösung der Herausforderungen in der Klimapolitik. Der Anfang Woche an der UNO-Klimakonferenz veröffentlichte Bericht «Climate Change Performance Index» zeigt, dass die Schweiz im weltweiten Klima-Rating sieben Plätze einbüsst und auf Platz 22 abgerutscht ist. 

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Gerade beim Verkehr ist der Handlungsbedarf aber am grössten. Fast 40 Prozent der CO2-Emissionen in der Schweiz stammen aus dem Verkehr. Und davon wieder über zwei Drittel allein von Personenwagen. Den Umweltschaden fossiler Autos kleinzurechnen, ist schlicht Verdrehung der Tatsachen. 

Im Jahr 2019 betrugen die externen Kosten der Mobilität in der Schweiz fast 14 Milliarden Franken. Diese wurden insbesondere durch Luftverschmutzung, Lärm, CO2-Ausstoss und Unfälle verursacht, bilanziert eine Studie des Bundesamtes für Raumentwicklung. Ein Grossteil der externen Kosten entsteht durch den privaten motorisierten Strassenverkehr.

Unter dem Strich generiert die Mobilität, die durch das Zufussgehen und Velofahren entsteht, hingegen einen beträchtlichen Gesundheitsnutzen für die Allgemeinheit. 2019 übertrifft dieser die externen Kosten um 481 Millionen Franken. 

Unbestritten: Alle Menschen tragen zur Klimaerwärmung bei – aber nicht alle im gleichen Ausmass. Dies ist ein Appell an uns in der Schweiz. Was ich von Ökonominnen und Ökonomen erwarte, sind Antworten darauf, wie wir mit den globalen Ungerechtigkeiten in der Klimapolitik umgehen können.

Wie jüngst eine in der Fachzeitschrift «Nature Sustainability» publizierte Studie zeigt, herrscht bei den CO2-Emissionen eine enorme Ungleichheit. Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung sind für fast die Hälfte aller Emissionen verantwortlich, während auf die ärmere Hälfte der Bevölkerung weniger als 12 Prozent der Emissionen entfallen. Das reichste Hundertstel der Weltbevölkerung verursacht etwa 50 Prozent mehr CO2 als die ärmsten 50 Prozent. Die Klimakrise ist ernst. Statt statistischer Akrobatikübungen brauchen wir eine wirksame Klimapolitik und mehr Klimagerechtigkeit.

Natalie Imboden ist Nationalrätin der Grünen, Mitglied im Zentralvorstand des Verkehrsclub Schweiz VCS sowie im Vorstand Pro Velo Kanton Bern.