Eine staatliche Covid-Zertifikat-Pflicht für mehr als Auslandreisen und Arbeit im Gesundheitswesen ist zum jetzigen Zeitpunkt ein unverhältnismässiger Eingriff in die persönliche und wirtschaftliche Freiheit. Denn die Infektionen dürften bald stark zurückgehen – dank breiter Immunität durch Genesung und Impfung.
Die Schweiz hat die Pandemie im internationalen Vergleich relativ gut gemeistert. Doch es gab auch schwerste Fehler. Erstens wurde die natürliche Immunität nach Genesung, die wichtigste Ressource im Kampf gegen Infektionskrankheiten, ignoriert und schlechtgeredet. Dabei war schon längst klar, dass sie ähnlich stark wie eine sehr gute Impfung ist. Deshalb forderten wir seit März 2020 Zertifikate und Freiheit für Genesene.
Nun zeigen neueste Studien, dass die Impfung gut, aber die natürliche Immunität noch besser ist.
Doch in der Schweiz wurden an die tatsächlich weit über zwei Millionen Genesenen bisher bloss 180'000 Immmunitätszertifikate ausgestellt, die obendrein nur sechs Monate gültig sind.
Reiner Eichenberger ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des Instituts Crema.
Zweitens wird die Dunkelziffer der Infektionen, eine zentrale Grösse zur Beurteilung des Epidemieverlaufs, immer noch nicht vernünftig erhoben.
Aufgrund verschiedener Studien und Beobachtungen kann man davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen etwa das Dreifache der gemeldeten Infektionen beträgt, mit Schwankungen über Altersgruppen und Zeitperioden.
Daraus folgt: Angesichts der offiziell gemeldeten Fälle in den Altersgruppen zwischen 20 bis 60 von 15 bis 18 Prozent dürfte die tatsächliche «Durchseuchung» inklusive Dunkelziffer bei 45 bis 50 Prozent liegen. Im Zusammenspiel mit den Durchimpfungsquoten von 45 bis 60 Prozent ergibt sich heute eine Immunität von 75 bis 80 Prozent. Für die über 60 Jährigen liegt sie noch höher.
«An über zwei Millionen Genesene wurden bloss 180'000 Immmunitäts-Zertifikate ausgestellt – die obendrein nur sechs Monate gültig sind.»
Diese Schätzungen passen perfekt zu den Ergebnissen der Antikörperstudien des Forschungsprojektes Corona Immunitas. Bis zu einem Immunitätsniveau von 85 bis 90 Prozent, welches das Infektionsgeschehen anerkanntermassen stark bremsen und das Gesundheitswesen entlasten wird, fehlt also nicht mehr viel.
Für das Erreichen dieses «Immunitätsziels» sind zurzeit die natürlichen Infektionen wichtiger als die Impfung. Die täglich 2'500 gemeldeten Fälle entsprechen wohl etwa 7'500 tatsächlichen Fällen. Vollständig geimpft werden täglich brutto 10'000 Personen. Netto sind es aber eher unter 6000. Denn immer mehr der neu Geimpften waren ja schon vorher immun nach Genesung.
«Bundesrat und Task Force sollten endlich ihre Pflicht tun: Die Dunkelziffer vernünftig erheben und die Genesenen umfassend zertifizieren.»
So oder so gilt: Mit der Infektions- und Impfgeschwindigkeit von zusammen rund 13'500 Immunisierungen täglich und 400'000 monatlich ist die Immunität der Erwachsenen in zwei Monaten bei rund 90 Prozent.
Somit ist es jetzt nicht Zeit für einen indirekten oder gar direkten Impfzwang, sondern für die freudige Vorbereitung des Ausstiegs aus dem Corona-Modus. Falls der Bundesrat oder die Task Force das anders sehen, sollten sie endlich ihre Pflicht tun: Die Dunkelziffer vernünftig erheben und die Genesenen umfassend zertifizieren.
102 Kommentare
Jederzeit kann man über Fehler diskutieren. Dass die Gemessenen besser in die Statistik integriert werden müssen ebenfalls.
Aber um die Daten zu erheben, müsste A) getestet werden, dir die Statistik relevant ist
B) müsste man Gemessene versuchen nochmals zu infizieren, damit gleiche Daten von Geimpften und Genießen vorliegen
Dann nähern wir uns der Wissenschaft.
Ansonsten ist es ein quasi wissenschaftlicher Text eines Impfgegners.
Und ich Frage mich ernsthaft, was der Artikel in dieser Zeitung zu suchen hat.
Es ist in dieser Form höchsten ein Leserbrief!
Ja, das verstehe ich gut. Bin auch genesen, aber im Mai 21 war es schon 6 Monate her bis zur Erkrankung im Noveber 20. Da hatte ich Pech, es gab im Mai 21 noch keine Zertifikate. Zudem finde ich es eine Schweinerei, dass bei Genesenen die Frist schon nach 6 Monaten abläuft.
Wie müsste man das Ihrer Meinung nach gestalten? Wie würden Sie die korrekte Länge/Dauer definieren und warum? Nach welchen Kriterien sollte eine Definition ermittelt werden?
Statt Impfung oder Genesung sollte der gemessene Antikörperlevel das Zertifikatkriterium sein.
Genesene haben sehr häufig (aber nicht immer) eine langanhaltende Immunabwehr aufgebaut, Geimpfte haben häufig (aber nicht immer) eine Immunabwehr unbekannter Dauer aufgebaut. Aber auch viele, die weder geimpft noch erkrankt waren, haben eine Immunabwehr aufgebaut, da sie im Verlauf der letzten 18 Monate dem Virus ausgesetzt waren.
Mir persönlich ist ein Ungeimpfter mit hohem Anitikörperlevel lieber, als ein dreifachgeimpfter mit niedrigem.
as0101 - also, da ich genesen bin, sollte das für immer gelten. Habe nun sicher schon 10 oder mehr Tests hinter mir. Immer negativ, ich kann mich aufhalten wo ich will.
@Luchs, ist das ihr persönlicher Wunsch, oder wissenschaftliche Evidenz?
Der unerträgliche «Hans quängelt in allen Kolumnen» Eichenberger nervt mit seinem aggressiv am Thema vorbei «argumentierenden» Stil schon seit Jahren. Sein ständig beleidigtes Ego (hättet ihr doch zuerst mich gefragt) hindert ihn daran, einen einzigen unpolemischen Gedanken zu formulieren. Und egal, wie weit entfernt von seinem eigentlichen Fachgebiet das Thema seiner Äusserungen, er weiss nicht wirklich bescheid, aber er weiss es garantiert besser. Grrrrrusel.
Vielleicht ist aber ein bisschen Polemik auch ganz gut, denn es grundsätzlich ist ja seine Herangehensweise nicht falsch. Über den Kommunikationsstil und seine Motivation dahinter lässt sich trefflich streiten. Dennoch trägt es zum Erkenntnisgewinn bei und vor allem dem Überprüfen genereller Aussagen. Anscheinend behauptet jeder von jedem, dass er Manipuliere und Lüge, dass führt natürlich zur Infragestellung von allem mit Fokus auf das Recht behalten einer eigenen Position. Nur das bringt niemanden etwas. Daher sollten wir solche Gelegenheiten zum Reflektieren unserer eigenen und der anderen Ihrer Positionen indem wir Hinterfragen, Feststellen, Schlussfolgern und hoffentlich zu besseren Erkenntnissen kommen. Es geht vermutlich nicht mehr ums Recht haben, sondern um Lösungen. Tendenziell haben Sie allerdings recht, sein Timing, die Präzision in den Ausführungen und die beiläufig übermittelnde Botschaft lassen das Ganze etwas überheblich und unwissenschaftlich herüber kommen.
Ich denke, Herr Eichenberger könnte recht haben. Bereits die letzte Welle war eigentlich nur ein "Wellchen" und hätte sich vermutlich ohne Massnahmen nahezu gleich verhalten. Das wäre wohl auch jetzt der Fall. Nun beschliesst der Bundesrat in der abebbenden Welle schikanöse Massnahmen, um hinterher zu behaupten, diese hätten die Welle gebrochen.
Ist die Frage was Sie unter Wellchen verstehen und wie Sie bei einem Anstieg reagieren würden. Grundsätzlich kann im Nachhinein jeder klarer sagen ich hätte dies und das gemacht. Da ja dann der Verlauf bereits passiert ist, fällt es freilich leicht. Der Punkt ist ja viel mehr, was wäre passiert wenn es klein Wellchen ist und niemand etwas gemacht hätte? Wie würden als Verantwortlicher reagieren, was sind Ihre Lösungsvorschläge wie man damit umgehen müsste und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?