Volles Haus für eine Videoschalte: Das schafft nur Donald Trump (78). Während viele der hochkarätigen Gäste am Weltwirtschaftsforum bei ihren Live-Auftritten vor halbleeren Rängen auftreten mussten, standen die Wirtschaftsführer und Politikerinnen schon eine halbe Stunde vor Trumps Liveschaltung Schlange, um sich den digitalen Donald auf dem grossen Bildschirm anschauen zu können.
Trump machte in seiner 15-minütigen Ansprache deutlich, dass sich Europa verdammt warm anziehen muss, lobte einen Schweizer ganz besonders und verriet nebenher, wovon er sich bei seinen geopolitischen Entscheidungen über Krieg und Frieden beeinflussen lässt. Das sind die fünf wichtigsten Erkenntnisse zur dritten WEF-Rede des mächtigsten Mannes der Welt.
1. Die EU muss sich auf vier harte Jahre gefasst machen
Er liebe Europas Länder, betonte Trump. «Aber die EU behandelt uns sehr unfair. Sie lässt uns unsere Landwirtschaftsprodukte und unsere Autos nicht exportieren», behauptete der US-Präsident.
Die europäischen Gerichtsverfahren gegen US-Giganten wie Apple, Google und Facebook bezeichnete Trump als «versteckte Steuern» und kündigte an: «Wir werden etwas dagegen tun.» Die Bürokratie in Europa sei ein Graus. Er selbst habe einst ein Investitionsprojekt in Irland beendet, weil er fünf Jahre auf grünes Licht aus Brüssel hätte warten müssen.
Sein Lösungsvorschlag, der europäischen Regierungen wie eine Drohung in den Ohren dröhnen dürfte: «Ich sage allen Unternehmen: Kommt nach Amerika, produziert bei uns. So wenig Unternehmenssteuern wie hier gibts sonst nirgendwo.» Das stimmt nicht ganz. Selbst wenn Trumps Wunsch nach einer Unternehmenssteuersenkung von 21 auf 15 Prozent Realität würde: Die OECD-Mindeststeuer wurde eben erst auf 15 Prozent angehoben, Länder wie die Schweiz lagen zuvor deutlich darunter.
2. Gianni Infantino ist Trumps Lieblings-Schweizer
Einen einzigen Schweizer erwähnte Trump in seiner Ansprache: nicht etwa eine Bundesrätin oder einen Bankenchef, sondern den Fifa-Präsidenten Gianni Infantino (54). Der Walliser war Anfang Woche als Ehrengast in Washington und sass während Trumps Vereidigung auf einem der besten Plätze in der Kapitol-Rotunda.
Trump dankte seinem Freund «Gianni» (Ausgesprochen: «Tsch-ii-anni») für alles, was er für die Fussball-WM 2026 in den USA tue. Im selben Jahr feiern die USA ihre 250-jährige Unabhängigkeit. «Das wird ein grossartiges Jahr.»
3. Kriegsbilder brachten Trump zu seinem Ukraine-Entscheid
«Ihr wollt die Fotos, die ich von den Leichen auf den Feldern in der Ukraine gesehen habe, nie sehen», sagte Trump mit traurigem Blick. «Ihr wärt danach nicht mehr dieselben Personen.» Wie schon 2017, als Fotos getöteter syrischer Kinder Trump dazu bewegten, mehrere Dutzend Angriffe auf Bashar al-Assads (59) Waffenlager fliegen zu lassen, sind es auch im Fall der Ukraine erneut Fotos, die ihn zum schnellen Handeln verleiten.
«Ich will Präsident Putin möglichst bald treffen, um das grauenhafte Sterben und die Zerstörung so schnell wie möglich zu beenden», sagte Trump. Den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (46) erwähnte er in keinem Wort. Die Angst der Ukraine, dass Trump über ihre Köpfe hinweg mit Putin verhandeln will, scheint sich zu bestätigen.
4. Die USA brauchen bald die doppelte Menge Energie
Niemand habe mehr Öl- und Gas-Reserven – und niemand habe so viel Kohle wie die USA, prahlte Trump. Die Nutzung heimischer Energiequellen werde man massiv herauffahren. «Für unsere KI-Revolution brauchen die Vereinigten Staaten bald doppelt so viel Energie wie heute», erklärte Trump. Die gigantischen Rechner, die es für die Künstliche Intelligenz braucht, kämen ohne Amerikas Energie-Reserven schnell zum Erliegen.
Trump hat diese Woche die Schaffung einer neuen Mega-Firma («Stargate») angekündigt, die Amerika zum unbestrittenen Welt-Leader in Sachen KI machen soll. 500 Milliarden sollen verschiedene Investoren nach Trumps Wunsch investieren. Ob das zustande kommt, steht in den Sternen.
5. Trump leistet sich rhetorischen Nahkampf mit US-Bankenboss vor Live-Publikum
Trump zeigte sich bei seinem WEF-Auftritt gut gelaunt und plauderfreudig. Als ihm Brian Moynihan (65), der Chef von Amerikas zweitgrösster Bank «Bank of America», im Anschluss an seine Rede eine Frage stellte, schloss der 47. US-Präsident seine Antwort mit der Bemerkung: «Übrigens, Brian, mach deine Bank wieder auf für konservative Klienten. Ich höre, dass du mit ihnen keine Deals machst. Das ist falsch. Mach die Bank wieder auf!»
Moynihan reagierte gelassen auf die Drohung. «Wir freuen uns, als Bank of America im nächsten Jahr die Fussballweltmeisterschaft in den USA zu sponsern, Mr. President», entgegnete er. Trump nickte. Der Businessman hat verstanden.