Etliche Unternehmen modernisieren derzeit ihre Finanz- und Rechnungswesenabteilungen, wie aus den kürzlich veröffentlichten Umfragen grosser Beratungsunternehmen hervorgeht. Als wichtige Treiber werden Personalknappheit, der steigende Druck durch Regulierung inklusive der neuen Nachhaltigkeitsthemen sowie – zunehmend – die technologische Weiterentwicklung innerhalb und ausserhalb der Unternehmen genannt.

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Abteilungen des Finanz- und Rechnungswesens gelten zwar historisch durch den frühen Einsatz von Grossrechnern als Vorreiter bei der Einführung neuer Technologien – aber hier gibt es gleichzeitig auch einige Bereiche, bei denen der Anteil der «Handarbeit» weiterhin viel zu gross ist und wo die Potenziale neuer Technologien für die Automatisierung erheblich sind.

 

Erst mal gute Grundlagen schaffen

«Basierend auf unserer CFO-Studie 2024 können wir festhalten, dass sich viele Unternehmen noch immer mitten in einer grundlegenden Transformation befinden», sagt Ralf Noffke, Verantwortlicher für den Bereich Controlling & Finance bei Horváth in der Schweiz. «Die Finanztransformation wird dabei vor allem von den Finanzchefs angetrieben.» Diese würden darauf abzielen, einerseits die Effizienz zu steigern und anderseits ihre Firmen hin zu einer «Data-driven Organization» zu entwickeln – mit dem Ziel, «mehr Daten zu erheben und vorhandene Daten viel breiter und granularer zu nutzen, um steuerungsrelevante Entscheide treffen zu können», so Noffke.

Der Weg dahin führt laut dem Experten über eine Reihe von Themenfeldern wie die Modernisierung und Harmonisierung der ERP-Landschaft und über den Aufbau einer rollenbasierten statt funktionalen Organisation, punktuell kommen auch agile Organisationsformen zum Einsatz. Das Etablieren einer End-to-End-Prozesssicht und von «Global Process Owners» sowie gleichzeitig mehr Digitalisierung und der Auf- oder Ausbau der Global-Business-Service-Einheiten beziehungsweise Shared-Service-Center kommen hinzu. 

Die Transformation vollzieht sich laut Noffke meist in zwei Schritten: Zunächst müssten historisch bedingte «Altlasten» aufgearbeitet und beseitigt werden. Beispielsweise müssen Stammdaten systematisch bereinigt werden, um für künftige Anwendungen und Analysen eine stabile Datenstruktur und -basis zu schaffen. Dafür werden bereits Algorithmen und KI genutzt.

Erst danach lassen sich laut Noffke mit modernen Tools die Automatisierung erhöhen und die Qualität verbessern. Beispielsweise mittels E-Invoicing-Lösungen bei der Verrechnung von Leistungen an Kundinnen und Kunden, anhand einer elektronischen Eingangsrechnungsverarbeitung, mit der Digitalisierung des Spesenprozesses oder mit Accrual Engines im ERP zur automatisierten Bewirtschaftung von Abgrenzungen.

 

KI kommt auch hier

«Wichtig ist, dass eine vollständige Optimierung nicht allein im Accounting erreicht werden kann – die für die Bilanzierung relevanten Daten werden schon früh durch operative Prozesse erzeugt und beeinflusst», sagt Noffke weiter. «Wenn zum Beispiel bereits beim Anlegen der Bestellung präzise gearbeitet wird, kann der Buchungsprozess sowohl bei Kreditorenrechnungen als auch -zahlungen nach dem Wareneingang voll automatisch erfolgen.» 

Differenziert sieht Noffke das Thema künstliche Intelligenz: «Unbestritten wird KI die Art, wie Unternehmen arbeiten, Ideen und Lösungen entwickeln, Informationen verarbeiten, Schlüsse ziehen oder auch Entscheide treffen, wesentlich verändern», erklärt er. «Persönlich bin ich aber nicht hundertprozentig überzeugt, dass KI auf absehbare Zeit auch jene Ermessensentscheide und Einschätzungen treffen kann, die im Accounting – und dabei vor allem im Rahmen des Abschlusses – zwingend erforderlich sind.»

Erfahrene Anwenderinnen und Anwender, die unter Swiss GAAP FER oder unter IFRS Abschlüsse erstellen, würden bestätigen, dass der Grad an Ermessen und erforderlichen Einschätzungen sowie deren Komplexität durch das Management eher zu- als abnimmt. «Wir werden als Verantwortliche im Rechnungswesen hier nicht von unserer Verantwortung entbunden. Insbesondere mit Blick auf IFRS 18 werden viele Anwenderinnen und Anwender bezüglich unternehmensspezifischer Auslegung von Ermessensspielräumen erneut stark gefordert sein», so Noffke.

Er sieht einige attraktive KI-Anwendungsbereiche wie die Nutzung von GPTs beispielsweise bei der Kontenfindung, für Buchungsanweisungen, als Qualitätssicherung im Accounting, zur Erstellung von unternehmensinterner oder externer Kommunikation oder bei der Zusammenfassung und Analyse von Finanzdaten und Abschlüssen von Mitbewerbern oder Marktteilnehmern.

 

Automatisierung wird vorangetrieben

«Ein Anwendungsfall, der im Kontext von KI immer wieder genannt wird, ist zudem die Mustererkennung – im Fachjargon ‹Pattern Recognition› – im Bereich der Bilanzierung und damit der Erkennung von Fehlern oder gar betrügerischen Handlungen», so Noffke. «Prüfungsunternehmen arbeiten bereits seit längerem mit Datenanalysetools, um verdächtige Buchungen und Sachverhalte zu identifizieren.»

Ob ein Analysewerkzeug aber auch komplexe Firmenkonstrukte mit betrügerischen Absichten durchleuchten, Zusammenhänge verlässlich aufzeigen und detailliert vorbereitete und minutiös geplante betrügerische Handlungen aufdecken kann, werde sich erst in Zukunft zeigen.

«Für die Zukunft erwarte ich, dass der Automationsgrad nochmals wesentlich erhöht werden wird und das Rechnungswesen weniger Zeit in die Bearbeitung von Sachverhalten und in die Aufbereitung einer qualitativ hochwertigen Datenbasis investieren muss», prognostiziert Noffke. «Stattdessen werden die Verantwortlichen und ihre Teams mehr Zeit dafür aufwenden, die generierten Daten zu lesen und zu analysieren, um daraus verlässlichere und bessere Entscheide für die Unternehmenssteuerung abzuleiten.

«KI wird dabei die Expertinnen und Experten im Unternehmen nicht verdrängen, sondern unterstützen. Das professionelle Ermessen der Expertinnen und Experten in Accounting und Controlling wird auch die fortschrittlichste Technologie auf absehbare Zeit nicht ersetzen.»