Die Börsenwelt wird oft mit Nervenkitzel, hohen Risiken und emotionalen Achterbahnfahrten assoziiert. Doch wie behält man seine Emotionen am Markt im Griff, insbesondere in turbulenten Zeiten? Hier gibt die Börsenpsychologie Einblick und zeigt auf, wie Anlegende ihre Emotionen besser kontrollieren können, um langfristig erfolgreich zu investieren. Grundsätzlich beschäftigt sich die Börsenpsychologie mit den emotionalen und psychologischen Faktoren, die das Verhalten von Anlegenden an den Finanzmärkten beeinflussen.
David Kunz, COO der BX Swiss AG, Zürich
Während die traditionelle Finanztheorie davon ausgeht, dass Entscheidungen rational und auf Basis von Daten getroffen werden, zeigt die Realität oft ein anderes Bild. Emotionen wie Angst, Gier und Panik führen zu irrationalen Handlungen. Diese kollektiven emotionalen Reaktionen vieler Anlegenden verstärken oft die Marktbewegungen, was zu stärkeren Schwankungen führen kann, als es die wirtschaftliche Lage rechtfertigen würde.
Angst vor dem Investieren
Besonders prägend ist die Prospect Theory, die von den Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky entwickelt wurde. Sie zeigt, dass Menschen Gewinne und Verluste unterschiedlich bewerten: Verluste werden emotional viel stärker wahrgenommen als Gewinne. Das führt dazu, dass Anlegende in Gewinnsituationen vorsichtig und risikoavers handeln, während sie in Verlustphasen bereit sind, höhere Risiken einzugehen.
Die Angst vor dem Investieren wird daher häufig durch Erinnerungen an einzelne schlechte Aktienerfahrungen geschürt. In der Schweiz ist die Aktienquote in den letzten Jahren zurückgegangen, was unter anderem auf kulturelle Unterschiede und prägende Verlusterfahrungen zurückzuführen ist. Der Schmerz über Verluste wirkt etwa siebenmal stärker als die Freude über Gewinne, was deutlich macht, wie stark Emotionen das Anlageverhalten beeinflussen können. Was passiert aber, wenn das Portfolio ins Minus rutscht? Viele Anlegende neigen dazu, dann in Panik zu verfallen und ihre Positionen überstürzt zu verkaufen. Dies geschieht oft zu einem ungünstigen Zeitpunkt, wenn die Märkte auf einem Tiefpunkt sind. Ein rationales Vorgehen wäre, langfristig zu denken und sich nicht von kurzfristigen Schwankungen leiten zu lassen. Historische Daten zeigen, dass sich Märkte nach Einbrüchen in der Regel wieder erholen.
Der Einfluss von Social Media
Heutzutage spielt Social Media eine erhebliche Rolle bei der emotionalen Beeinflussung von Anlegenden. Plattformen wie Twitter und Reddit können durch schnelle Informationsverbreitung und Meinungsbildung Massenpaniken oder Euphorie auslösen. Viele Anlegende lassen sich von Trends mitreissen, anstatt eigenständige Analysen durchzuführen. Dies kann impulsive, oft irrationale Entscheidungen zur Folge haben, die auf der Angst basieren, eine Gelegenheit zu verpassen – eine Angst, die als «Fear of Missing Out» (Fomo) bezeichnet wird. Das lässt sich aber – so die positive Nachricht – verändern. Um den emotionalen Herausforderungen des Investierens zu begegnen, können verschiedene Strategien angewendet werden.
So ist es wichtig, auf den Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) und die Overconfidence (Überschätzung) zu achten. Anlegende neigen oft dazu, Informationen so zu interpretieren, dass diese ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen. Das führt dazu, dass sie Risiken übersehen oder ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen. Ein kritischer Blick auf eigene Entscheidungen und eine objektive Analyse sind essenziell. Gleiches gilt, wenn es um die Überbewertung von Ereignissen und ihre Bedeutung für die langfristige Entwicklung des Marktes geht. Ein Beispiel hierfür sind kurzfristige Marktbewegungen, die oft als Vorboten einer Krise interpretiert werden, obwohl sie nur Teil der normalen Marktschwankungen sind.
Es braucht Disziplin
Aktienanlagen brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Viele Anlegende schauen mehrmals täglich auf die Kurse, was zu unnötigem Stress und impulsiven Entscheidungen führen kann. Geduld ist eine der wichtigsten Tugenden an der Börse. Und zusätzlich ist der Herdentrieb ein weit verbreitetes Phänomen an den Märkten. Zudem orientieren sich Anlegende oft am Verhalten der Mehrheit, anstatt eigenständige Entscheidungen zu treffen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Dotcom-Blase, bei der viele Anlegende in überbewertete Technologieaktien investierten, nur weil «alle» es taten.
Hilfreich ist auch ein Trading-Handbuch, das eine klare Anlagestrategie ermöglicht. Vordefinierte Regeln helfen dabei, emotionale Entscheidungen zu vermeiden. Disziplin ist der Schlüssel. Ein regelmässiges Rebalancing des Portfolios, Kauf- und Verkaufsstrategien sowie eine strikte Risikokontrolle helfen, in turbulenten Zeiten ruhig zu bleiben.
Schlussfolgerung: Rationalität und Emotionen sollten in Einklang gebracht werden. Ein tiefes Verständnis der eigenen emotionalen Tendenzen und die Anwendung strukturierter Anlagestrategien können helfen, durch Marktstürme zu navigieren und die langfristigen Chancen zu nutzen, die die Börse bietet. Indem Anlegende lernen, ihre Emotionen zu kontrollieren und rational zu handeln, können sie nicht nur Verluste vermeiden, sondern auch langfristig von den Chancen der Märkte profitieren.