«Gold gilt als sicherer Hafen in Krisenzeiten», sagt Carsten Menke, Leiter Next Generation Research bei der Bank Julius Bär. «Diesen Ruf hat es sich im Laufe der Jahrzehnte erarbeitet, da es sich insbesondere während wirtschaftlicher Schwächephasen und damit verbundener Korrekturen an den Aktienmärkten gut entwickelt hat.» Daher eignet sich das Edelmetall gut zur Diversifikation eines Portfolios. Auf der anderen Seite dürfen die unterdurchschnittliche Entwicklung in wirtschaftlich guten Zeiten und eine Preisvolatilität, die ähnlich hoch ist wie bei Aktien, nicht unbeachtet bleiben.
Laut Menke sprechen die aktuell vorherrschenden moderaten Rezessionsrisiken in den USA gegen eine starke Goldpreisentwicklung. Dazu der Experte: «Zwar profitierte der Goldpreis zuletzt von Erwartungen weiterer Zinssenkungen in den USA, doch zeigt eine Analyse aller Zinssenkungszyklen seit 1975, dass tiefere Zinsen allein nicht ausreichen, um den Goldpreisen Auftrieb zu geben. Dafür nötig ist eine Rezession, die aktuell aber nicht sehr wahrscheinlich ist.»
Geopolitik nicht ausschlaggebend
Geht es um die Geopolitik, ist der Einfluss auf den Goldpreis eher vage und selten langfristig. «Das historische Bild ist nicht eindeutig. Spannungen, die ohne merkliche wirtschaftliche Folgen blieben, liessen den Goldpreis in aller Regel unbeeindruckt. Im Gegensatz dazu steht beispielsweise die Goldpreisentwicklung während der zweiten Ölkrise, da diese merkliche Schäden in der Wirtschaft auslöste, sodass das Gold seinen Ruf als sicherer Hafen untermauern konnte.»
Geopolitische Schocks haben typischerweise nur einen temporären Einfluss auf den Goldmarkt, es sei denn, sie richten nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden an, zum Beispiel im Rahmen einer Ölkrise. Ansonsten verliert der Goldmarkt schnell das Interesse an der Geopolitik, auch wenn die Spannungen weiter anhalten. Deshalb sollten geopolitische Folgen grundsätzlich einen langfristigen Anlageentscheid nicht beeinflussen – ausgenommen davon sind aber die aktuellen und geopolitisch motivierten Goldkäufe der Zentralbanken.
Ebenfalls der Geopolitik zuzuordnen sind anhaltende Goldkäufe der Zentralbanken, insbesondere in China. Hier liegt die Ursache im Bestreben Chinas, weniger abhängig vom Dollar und – in einem Extremfall – weniger anfällig für US-Sanktionen zu sein. «Dieses Denken bestand schon länger in China, wurde aber durch die US-Sanktionen gegen die russische Zentralbank und die Sperrung ihrer Dollar-Guthaben im Jahr 2022 bestärkt», so Carsten Menke. «Zwar hat die chinesische Notenbank in den letzten Monaten kein Gold mehr gekauft – oder ihre Käufe nicht öffentlich gemacht –, doch ist davon auszugehen, dass dies nur eine Pause ist und ihre Goldreserven weiter wachsen werden.»
Anlegen: Wissen, wie am besten
Grundsätzlich gibt es für Anlegende verschiedene Möglichkeiten, in Gold zu investieren. Klassisch bedeutet dies, Goldmünzen oder -barren zu erwerben. Vorteile sind kleine Stückelungen und eine unmittelbare Partizipation am Goldpreis. Nachteile sind hohe Anschaffungskosten und die Notwendigkeit sicherer Verwahrung. Ebenso können beim Verkauf Abschläge anfallen. Eine zweite Möglichkeit sind physisch hinterlegte Gold-ETFs. Die Vorteile davon sind die direkte Partizipation am Goldpreis, der einfache Erwerb über die Hausbank, die direkte Verbuchung im Portfolio und tiefe Kosten. Nachteile sind, dass ein gewisses Vertrauen in die Finanzindustrie nötig ist und physische Auslieferungen oft kostenintensiv sind. Weiter gibt es noch Goldterminkontrakte und Goldminenaktien sowie Fonds/ETFs.
In Zeiten wirtschaftlicher Instabilität oder Inflation gilt Gold oft als sicherer Hafen. Dazu der Experte: «Es muss zwischen guter und schlechter Inflation unterschieden werden: Gute Inflation bezeichnet Preissteigerungen, die durch einen wirtschaftlichen Aufschwung hervorgerufen wurden. Diese Preissteigerungen führen in aller Regel zu steigenden Zinsen, was die Attraktivität von Gold mindert und auf den Preisen leistet.» Schlechte Inflation bezieht sich eher auf die Geldentwertung infolge unverantwortlicher Geldpolitik, was gerne auch als Gelddrucken bezeichnet wird. «In einer solchen Situation verlieren die Menschen das Vertrauen in die eigene Währung und flüchten ins Gold. Dabei führt die Abwertung der eigenen Währung gegenüber dem Dollar, der Handelswährung des Goldes, mechanisch zu einem Anstieg des Goldpreises in Lokalwährung.»
Das Portfolio sinnvoll gestalten
Gold ist ein realer Vermögenswert, der das Vertrauen in diese Art der Anlage stärkt. Dennoch sollte es bewusst und strategisch erworben werden. «Der Anteil des Goldes in einem Portfolio sollte hoch genug sein, damit es in Krisenzeiten seine Diversifikationseigenschaften ausspielen kann», meint Carsten Menke. «Er sollte aber nicht so hoch sein, dass das Gold die Wertentwicklung des Portfolios in wirtschaftlich normalen Zeiten zu stark schmälert. In aller Regel sind 5 Prozent ein vernünftiger Portfolioanteil, je nach Anlegerneigung auch bis zu 10 Prozent.»
Gemessen in Schweizer Franken hat sich der Goldpreis weniger gut entwickelt, da der Franken selbst ein sicherer Hafen ist, der in Krisenzeiten stark nachgefragt wird. Verglichen mit Aktien schneidet Gold langfristig leichter schlechter ab, wobei es eine ähnliche Volatilität aufweist. «Interessant zu beobachten ist, dass die Preisentwicklung beim Gold deutlich weniger stetig ist als die Kursentwicklung der Aktien», so Carsten Menke abschliessend. «Anders ausgedrückt gibt es beim Gold immer wieder positive Preisschocks, wogegen bei Aktien das Risiko eines negativen Kursschocks, das heisst eines Crashs, besteht.»