Stellt man Spitalleiterinnen und -leitern die Frage, wie es in den Spitälern um die Patientenzufriedenheit steht, lauten die Antworten in der Regel wie folgt: «Wir legen bei Hirslanden generell sehr viel Wert darauf, dass Patienten und Patientinnen interkollegial und interdisziplinär von Behandlungsteams betreut werden», sagt zum Beispiel Dominique Kuhlen, Chief Clinical Officer der Hirslanden-Gruppe.

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Oder: «Medizintechnologie und die Chirurgie entwickeln sich ständig weiter. Um die Qualität der Patientenbetreuung auf dem neuesten Stand zu halten, ist es wichtig regelmässig in diese Bereiche zu investieren», sagt Professor Luca Regli, Klinikchef Neurochirurgie des Unispital Zürichs. 

Doch wie sieht es wirklich aus? Die zwei Patientenorganisationen Schweizerische Patientenorganisation (SPO) und Krebsliga geben der «Handelszeitung» einen Einblick in ihre Arbeit und erzählen von den Herausforderungen in Bezug auf die Kommunikation mit dem Gesundheitswesen und insbesondere mit den Kliniken. 

Die Arbeit von Patientenorganisationen 

Während die SPO eine Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten mit allen möglichen medizinischen Fragen ist, fokussiert die Krebsliga, wie der Name bereits verrät, auf krebskranke Menschen. Trotzdem arbeiten die beiden Organisationen ähnlich: Sie setzen sich dafür ein, dass Patientinnen und Patienten im Schweizer Gesundheitssystem mit ihren Anliegen wahrgenommen werden und angemessen behandelt werden. 

Die Schweizerische Patientenorganisation betreut im Durchschnitt 1500 bis 2000 komplexe Fälle pro Jahr.

Die SPO ist zusätzlich zu ihrer öffentlichen und politischen Arbeit auch eine Dienstleistungsorganisation und bietet Beratungen an. Pro Jahr hat sie im Durchschnitt 1500 bis 2000 komplexe Fälle. «Meistens sind das Fragen zur Diagnose oder Behandlungsoptionen. Häufig möchten Patientinnen und Patienten von uns eine Einschätzung darüber, ob etwas schiefgelaufen sein könnte – und wenn ja, welche Handhabe sie nun in ihrer aktuellen Situation haben», sagt Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der SPO. 

Susanne Gedamke SPO Patientenorganisation

Susanne Gedamke ist seit 2020 Geschäftsführerin der SPO. 

Quelle: ZVG

Ebenfalls sehr häufig würden ihnen Probleme mit Fachpersonen, in der Regel mit Ärztinnen und Ärzten, geschildert, sagt Gedamke weiter. Die Probleme seien häufig kommunikativer oder sozialer Art. Zum Beispiel, dass Patientinnen und Patienten nicht ernst genommen oder zu wenig informiert und aufgeklärt werden. 

«Krebs betrifft nicht ‹nur› den Körper, sondern alle Lebensbereiche.»

Stefanie de Borba, Krebsliga

Die Krebsliga beantwortet jährlich per Telefon, E-Mail und Chat über 6000 Anfragen. «Krebs betrifft nicht ‹nur› den Körper, sondern alle Lebensbereiche – die Krankheit ist auch deshalb so komplex, weil sie Auswirkungen auf psychosoziale, finanzielle und rechtliche Aspekte hat und die Angehörigen und das Umfeld ebenfalls stark prägt», sagt Stefanie de Borba, Leiterin der Medienstelle Krebsliga. Zu all diesen Fragen bietet die Organisation Unterstützung und Beratung.

Zusammenarbeit mit Spitälern 

Die SPO und die Krebsliga haben beide klare Ziele und Haltungen. Doch können sie diese auch Spitälern weismachen? 

«Das hängt sehr stark vom Spital ab – genauer gesagt vom Interesse des Spitals, sich offen mit der Patientenperspektive auseinanderzusetzen», sagt Susanne Gedamke von der SPO. Sie erlebe Spitäler als zunehmend offen und interessiert, was die Anliegen der Patientinnen und Patienten betrifft.

«Dies hat vielleicht auch mit der Wettbewerbssituation zu tun – Spitäler können nicht vollumfänglich beurteilen, ob sie die richtigen Leistungen anbieten, wenn sie die Nutzniesser und Nutzniesserinnen dieser Leistungen aussen vor lassen», sagt sie. 
 

Stefanie de Borba Krebsliga

Stefanie de Borba ist seit 2020 die Pressesprecherin der Krebsliga. 

Quelle: ZVG

Bei der Krebsliga ist die Betreuung der Patientinnen und Patienten nach dem Spitalaufenthalt das Hauptanliegen. «Gute Spitäler sind aus unserer Sicht jene, für die die Nachsorge genauso wichtig ist wie die Zeit, die die Patientinnen und Patienten stationär bei ihnen verbringen», erklärt Stefanie de Borba von der Krebsliga.

Nicht genügend ernst genommen

Bis vor wenigen Jahren seien Patientenorganisationen, so die Sicht der SPO, kaum wahrgenommen worden. In der Zwischenzeit habe sich aber viel getan. Die Patientenzentrierung und Patientinnenpartizipation rücken immer mehr in den Fokus, wie Susanne Gedamke sagt.

Dies merke man auch daran, dass Anfragen an die SPO hinsichtlich Vertretung der Betroffenensicht enorm zunehmen würden. «Das ist erfreulich, allerdings sind wir noch lange nicht an einem Punkt, davon sprechen zu können, wirklich ernst genommen zu werden», sagt die Geschäftsleiterin der SPO. 

Die Krebsliga bleibt in ihren Antworten auf die Frage, ob sie ernst genommen werden, eher diplomatisch: «Wir fühlen uns von jenen Spitälern ernst genommen, die im Sinne der optimalen Betreuung der Patienten und Patientinnen mit externen spezialisierten Fachstellen wie unseren regionalen Krebsligen oder unserer Online-Beratung vernetzt zusammenarbeiten.»

Politische Arbeit

Die beiden Organisationen sind auch politisch tätig. Die SPO ist zum Beispiel in einigen politischen Gremien vertreten, und die Krebsliga engagiert sich für die Krebsprävention. Sie war die Trägerorganisation der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak», die im Februar 2022 von Volk und Ständen angenommen wurde.

«Ich erlebe die Schweiz als sehr wenig fortgeschritten hinsichtlich Einbezug von Patienten und Patientinnen.»

Susanne Gedamke, SPO

Doch auch wenn Patientenorganisationen viel tun – politische und öffentliche Arbeit, Beratungsangebote –, ist es schlussendlich das Schweizer Gesundheitssystem, das die Pfeiler für das Ausmass ihrer Arbeit setzt.  

Gedamke hat einen kritischen Blick darauf: «Ich erlebe die Schweiz als sehr wenig fortgeschritten, was den Einbezug von Patienten und Patientinnen anbelangt.»

Da es keine systematischen Qualitätsdaten aus Patientensicht gebe, könne die SPO gar nicht beurteilen, ob die Leistungen des Gesundheitswesen für Patientinnen und Patienten von Nutzen sind.

Zudem gebe es keine Plattform, kein Konzept und auch sonst kein Modell, bei dem die Patienten und Patientinnen in die Gesundheitsversorgung oder in die Gesundheitspolitik einbezogen werden. «Das Gesundheitswesen wird rein aus der fachlichen Perspektive beurteilt – die Betroffenenperspektive fehlt fast völlig», sagt die SPO-Geschäftsführerin. 

Trotz Fortschritten stehen das Schweizer Gesundheitswesen und damit die Spitäler noch immer am Anfang, wenn es darum geht, die Interessen von Patienten und Patientinnen einzubeziehen.  Obwohl die Spitäler betonen, wie wichtig die Patientenzufriedenheit ist, sind die Patientenorganisationen mit Kommunikationsproblemen und mangelnder Anerkennung konfrontiert.