Es gibt kaum eine Branche in der Schweiz, die sich nicht mit dem Thema Digitalisierung befasst. Kein Wunder, denn will die Schweizer Wirtschaft im globalen Wettbewerb weiterhin erfolgreich sein, kommt sie um die Nutzung dieser Ressource nicht herum.
Digitalisierung ihrerseits beruht auf technologischer Innovation, gepaart mit einfallsreichen Businessideen. Ein Beispiel: E-Trottinett-Verleiher wie Bird oder Lime hätten nicht funktioniert ohne ein gut aufgestelltes, schnelles Kommunikationsnetz, moderne Software und unzählige mobile Endgeräte.
Diese vielen smarten, miteinander vernetzten Endgeräte wiederum kann man sich vorstellen als ein dichtes Netz von Punkten, die sich ständig untereinander austauschen – Stichworte sind energiesparende Smart Homes, eine kraftstoff- und zeitsparende Verkehrssteuerung von Menschen und Fahrzeugen sowie beispielsweise Drohnen, die den Bauern vor versteckten Rehkitzen in der Mähwiese warnen. Fachleute sprechen bei alldem auch vom «IoT», dem «Internet of Things».
Diese «Dinge» weisen zwei wesentliche Merkmale auf: Sie beinhalten erstens Sensoren, die etwas messen und Daten generieren. Zweitens sind sie mit dem Internet verbunden, damit die Daten an zentraler Stelle weiterverarbeitet werden können. Einige Sensoren verfügen sogar über eine eigene, wenn auch geringe Rechenkapazität. Das sorgt dann im Endeffekt, unter Beachtung strenger Datenschutzauflagen, für ein nachhaltigeres, ressourcenschonendes und gleichzeitig auch bequemeres Leben.
Das Kommunikationsnetz muss in der Lage sein, die ständig anfallenden Daten dieser vielen, oft mobilen Impulsgeber zu verarbeiten. Wichtig ist deshalb neben der Bandbreite auch die Reaktionszeit. Es bereitet zwar Freude, allein schon grosse Datenmengen in kürzester Zeit hoch- oder herunterzuladen, aber ebenso unverzichtbar ist es, auch kleine Datenmengen, etwa Steuerungsbefehle für Robotik und Fernsteuerungen von Baggern, quasi in Echtzeit transportieren zu können.
Die einzige Technologie, die das schafft, ist die fünfte Generation des Mobilnetzes, kurz 5G. Der Energieverbrauch entspricht nur einem Bruchteil dessen, was ältere Mobilfunknetze verbraucht haben. Das spielt für Wirtschaft und Umwelt eine massgebliche Rolle. Konkret: Dank 5G werden bei der Datenübertragung fast 90 Prozent der Energie und des CO2-Ausstosses eingespart. So konnten die Universität Zürich sowie die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in einer Studie zeigen, dass die Übertragung von Daten in einem 5G-Netz rund 85 Prozent energieeffizienter erfolgt als in der heutigen Mobilfunkinfrastruktur. Kein Pappenstiel – verbraucht doch die IT-/Telekombranche rund 2 Prozent des global erzeugten Stroms. Diese vom Wirtschaftsverband Swisscleantech und von Swisscom finanzierte Studie hat die von Professor Lorenz Hilty geleitete Forschungsgruppe «Informatik und Nachhaltigkeit» am Institut für Informatik der Universität Zürich gemeinsam mit der Forschungsgruppe von Roland Hischier an der Empa in St. Gallen erarbeitet. Auf einen konkreten Anwendungsfall angesprochen, erklärt Professor Hilty, dass vor allem die weitere Flexibilisierung der Arbeit Potenzial habe, weil sie Verkehr einspare. «Durch die Eigenschaften von 5G kann ich in zehn Jahren noch ortsunabhängiger arbeiten als heute und zum Beispiel in perfekter Qualität an Meetings teilnehmen oder schneller und sicherer auf grosse Datenbestände zugreifen», illustriert er die hier schlummernden Möglichkeiten.
YVERDON-LES-BAINS Das Westschweizer Unternehmen Ecorobotix setzt für die Unkrautbekämpfung in der Landwirtschaft auf Roboter. Sie sind in der Lage, Herbizide gezielt auszubringen, was deren Einsatz um bis zu 90 Prozent reduziert und damit zum Schutz des Grundwassers beiträgt. Die Reduktion von Herbiziden unterstützt die nachhaltige Nutzung von Landökosystemen und kann die Bodendegradation sowie den Verlust der biologischen Vielfalt verringern.
Die Elektromotoren des klimafreundlichen Gefährts werden mit Solarstrom betrieben. Wenn sie autonom und präzise auf den Wirtschaftsflächen arbeiten, kommunizieren die Unkrautroboter via Mobilfunk. Zentral für die Weiterentwicklung des Smart-Farming-Gefährts zu einem Instrument für die nachhaltigere Landwirtschaft der Zukunft ist das Leistungsvermögen von 5G. Denn es erlaubt dem Roboter, zusätzlich viele wichtige Daten zu sammeln und zu verarbeiten. Landwirtinnen und Landwirte erhalten wichtige Erkenntnisse beispielsweise zum Wachstum der Pflanzen oder zu Pilz-und Insektenbefall, erläutert Ecorobotix-Mitgründer Aurélien Demaurex.
BASEL Das 2019 von Marcel Florian gegründete Startup Growcer setzt auf Zukunftstechnologie für die nachhaltige Lebensmittelproduktion. Die mithilfe der Migros Basel errichtete erste Robotic Vertical Farm der Schweiz nutzt für ihre Sensorik und Automatisierung eine vor Ort eingerichtete 5G-Basisinfrastruktur. Diese erlaubt es, auf Hydrokulturen unter Gewächshausbedingungen in mehreren übereinandergelagerten Ebenen Früchte, Gemüse, Speisepilze und Algen zu produzieren.
Ressourcenschonend steht ganzjährig in der 400 Quadratmeter fassenden Halle eine mit 1500 Quadratmetern nahezu viermal so grosse Anbaufläche zur Verfügung. Sie wird in nächster Nähe zu den Konsumentinnen und Konsumenten bewirtschaftet. Transportwege und deren Folgen sind auf ein Minimum reduziert. Geschlossene Kreisläufe für Nährstoffe und Bewässerung sorgen dafür, dass die bodenfreie Produktion mit bis zu 90 Prozent weniger Wasser auskommt. Auf Pestizide kann grundsätzlich verzichtet werden; die Produktionsweise minimiert den Treibhauseffekt des atmosphärischen CO2 durch die Vermeidung des Einsatzes von Landwirtschaftsmaschinen. Die künstliche Beleuchtung und andere operative Arbeiten zehren allerdings an der guten Ökobilanz. Wobei mit 100 Prozent erneuerbaren Energien gearbeitet und der Energieverbrauch optimiert wird.
Auch das Schweizer Stromnetz werde von 5G profitieren, «wenn man eine dezentrale Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen und eine bessere Abstimmung von Energieangebot und -nachfrage erreichen will». Und schliesslich sei denkbar, dass Dünger, Pestizide und Methan in der Landwirtschaft eingespart werden, weil man sich ein viel differenzierteres und zuverlässiges Monitoring leisten kann (siehe die beiden Anwendungsbeispiele auf der nächsten Seite). Als Zukunftsvision nennt er den Abschied von Monokulturen in der Landwirtschaft, weil umweltschonende Mischkulturen dank Robotern, welche die Pflanzen unterscheiden können, wirtschaftlicher werden.
Auf die Frage, ob denn die von Hilty so zukunftsträchtig gezeichnete 5G-Technik ihre Wirkung für das Klima auch wirklich entfalten könne, antwortet der Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Swisscleantech, Christian Zeyer, man dürfe die Bedeutung des Mobilfunks für den Klimaschutz «sicher auch nicht überbewerten». Durchaus wahrscheinlich sei jedoch, dass sich in verschiedenen Anwendungsfällen viele Chancen für den Klimaschutz ergäben.
Allerdings seien erst einmal «klare und griffige Rahmenbedingungen nötig, die dazu führen, dass nachhaltiges Wirtschaften profitabel und parallel dazu nicht nachhaltiges Wirtschaften teuer wird». Wären diese gesetzlichen Rahmenbedingungen festgelegt, könne 5G dazu beitragen, Emissionsreduktionen und Lebensqualität miteinander in Einklang zu bringen. Nach Einschätzung des Verbands würden bei der Chancen-Risiken-Abwägung die Vorteile von 5G durchaus überwiegen, führt Zeyer weiter aus. Dem schliesst sich auch Hilty an: «Wir haben in dieser Studie nur die Auswirkungen auf das Klima betrachtet und sehen hier grosse Chancen.»
Und die Strahlenbelastung? Die WHO und zahlreiche Studien bestätigen, dass 5G innerhalb international anerkannter Grenzwerte unbedenklich ist. Eine Studie der Universität Gent in Belgien belegte im letzten Jahr, dass 5G bei unveränderter Datenmenge rund 80 Prozent weniger Strahlungsexposition verursacht als der Vorgängerstandard. Zudem gelten für 5G die gleichen Grenzwerte wie bisher – so, wie auch für einen Rennwagen das gleiche Tempolimit wie für einen Kleinwagen gilt. Im internationalen Vergleich kennt die Schweiz zudem für Orte mit empfindlicher Nutzung wie Wohnen, Arbeitsplätze, Schulen und vieles mehr zehnmal strengere Anlagengrenzwerte.
Die heutigen Netze sind angesichts der ständig steigenden Datenvolumen vielerorts schon jetzt zu über 90 Prozent ausgelastet. «Um künftig funktionsfähige Anwendungen zu garantieren, braucht es eine neue Netztechnologie, die bezüglich Leistungsfähigkeit den nächsten Schritt ermöglicht», bringt es Res Witschi, Delegierter für nachhaltige Digitalisierung bei Swisscom, auf den Punkt.
Gemäss Swisscom Prognosen geht man in den nächsten zehn Jahren von einer Verachtfachung des Datenverkehrs aus. 5G kommt für die Schweizer Wirtschaft also gerade rechtzeitig, nicht nur wegen Corona. 5G ermöglicht ortsunabhängiges Arbeiten und reduziert damit Pendlerwege – mit geringerem Treibstoffverbrauch und potenziell weniger Ansteckungen.
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