Online-Archive zur Unternehmensberichterstattung widerspiegeln nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung von Firmen. Die Handhabung des breiten Themas Nachhaltigkeit zeigt sich auch beim Wandel der entsprechenden Begriffe. Je nach Jahrgang und Verantwortung für die Themen ist mal von Corporate Social Responsibility (CSR), mal von Corporate Citizenship und mal von Corporate Social Initiatives die Rede. Allgegenwärtig ist seit einigen Jahren das Kürzel ESG (Environment, Social, Governance) – es wird viel im Finanzbereich genutzt, aber nicht nur dort.
«Historisch kommt die Diskussion zu CSR und Nachhaltigkeit aus zwei verschiedenen Richtungen», erklärt Christian Vögtlin, Leiter des Center for Corporate Responsibility an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.
«Der Begriff CSR ist stärker mit Unternehmenshandeln verknüpft und hatte in seinen Ursprüngen eine moralische Konnotation. Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt aus der Naturwissenschaft und den Erkenntnissen, dass unsere natür-lichen planetaren Ressourcen begrenzt sind. ESG schliesslich dient der Finanzwirtschaft als Steuerungsinstrument für nachhaltige Investitionen.»
Rücksicht auf die, die stimmlos sind
Der Begriff CSR sei in den letzten Jahren etwas aus der Mode geraten, auch vor dem Hintergrund verschiedener Greenwashing-Vorwürfe. «ESG ist Compliance-getrieben», sagt Vögtlin. «Nachhaltigkeit ‹funktioniert› meiner Meinung nach im Moment am besten. Aber auch hier besteht wieder die Gefahr, dass Unternehmen mehr versprechen, als sie dann tatsächlich umsetzen, beziehungsweise sie sich inkonsistent verhalten.»
Gemäss Vögtlin ist der Begriff der Verantwortung, also CSR, immer noch zentral, wenn es um die Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft geht. «Die Etymologie des Wortes ‹Verantwortung› verweist auf die Vorstellung, eine Antwort zu geben im Sinne von Rechenschaft und Rechtfertigung des eigenen Verhaltens», so Vögtlin.
«Dies impliziert, dass sich Unternehmen gegenüber jemandem zu verantworten haben für ihr Tun (dazu zählen auch Stakeholder, die keine Stimme haben, zum Beispiel die nächste Generation oder die Natur), und verortet damit die Rechenschaftspflicht von Unternehmen in der Gesellschaft. Dies spiegelt sich auch in der aufkommenden Diskussion eines ‹Purpose› wider, mithilfe dessen Unternehmen ihre Daseinsberechtigung gegenüber der Gesellschaft herauszustellen versuchen.»
«Der ökonomische Erfolg allein ist keine ausreichende Daseinsberechtigung.»
Markus Zemp, Dozent für Leadership und nachhaltige Unternehmensführung, HSLU
«Begriffsvielfalt und Deutungsheterogenität vernebeln uns den Blick, worum es bei all den Ansätzen gehen sollte», sagt Markus Zemp, Dozent für Leadership und nachhaltige Unternehmensführung an der Hochschule Luzern (HSLU). Diese Begriffe kämen häufig aus verschiedenen, historisch gewachsenen Denkströmungen. «ESG ist ein Begriff, der in der Finanzwelt und Anlagebranche häufig zu finden ist», sagt Zemp, CSR sei im unternehmerischen Kontext entstanden und ziele auf die Frage der unternehmerischen Verantwortung ab.
«Aus meiner Sicht spielt es zunächst eine untergeordnete Rolle, ob ein Unternehmen aus einem ESG-Ansatz, einem CSR-Ansatz oder aus Nachhaltigkeitsmotiven sein Handeln und sein Wirken hinterfragt», so Zemp weiter. «Wichtig scheint mir, dass Unternehmen anfangen, sich vertieft damit auseinanderzusetzen, welche positiven (Teil der Lösung) oder negativen (Teil des Problems) Auswirkungen durch ihr Handeln entsteht. Es geht dabei um die zentrale Frage, welchen (relevanten) Nutzen das Unternehmen für die Gesellschaft hat. Der ökonomische Erfolg allein ist keine ausreichende Daseinsberechtigung.»
«Corporate Sustainability»
«Alle diese Konzepte beschäftigen sich mit grundlegenden Fragen der Verantwortung von Unternehmen (Responsibility) gegenüber Umwelt und Gesellschaft heute und in Zukunft», erklärt Claus-Heinrich Daub, Dozent für nachhaltige Unternehmensführung an der Fachhochschule Nordwestschweiz, der FHNW. Der Begriff ESG hat sich vor allem bei Finanzinstitutionen eingebürgert; andere Unternehmen sprechen von «Corporate (Social) Responsibility» oder inzwischen immer häufiger von «Corporate Sustainability», denn letzterer Begriff bezieht sich unmittelbar auf Nachhaltigkeit als jene normative Leitidee, auf der wiederum das Konzept eines «Sustainable Development» gründet.
«Das ist auch sinnvoll, denn die 2015 formulierten, globalen Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals (SDG), bilden einen Referenzrahmen, auf den sich zunehmend auch Unternehmen explizit beziehen, wenn sie zeigen wollen, welche gesellschaftlichen Beiträge sie leisten», so Daub.