Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen neuen CEO suchen?
In der ersten Phase geht es darum, zu verstehen, welches Profil die Person haben soll. Was soll die Person für das Unternehmen bewirken? Soll sie beispielsweise eine Wachstumsstrategie entwickeln, einen Turnaround durchführen – oder wird jemand benötigt, der sich in Unternehmensfusionen und Akquisitionen besonders gut auskennt? Nur wenn wir wissen, was wir genau suchen sollen, können wir die richtige Person finden. In dieser Phase stimmen wir uns auch immer mit dem gesamten Verwaltungsrat ab, damit wir ein gemeinsames Verständnis vom Profil haben. Aus dieser ersten Phase leitet sich dann die Suchstrategie ab.
Das heisst?
Wir müssen analysieren, in welchen Bereichen potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten arbeiten könnten. Was für einen Werdegang sollten sie haben? Wir machen dann eine Research-Phase, wo wir typischerweise mehrere Hundert Leute berücksichtigen und uns überlegen: Könnten die das bewirken, was unser Klient möchte? Das Endresultat ist eine Longlist von vielleicht zwanzig Personen. Diese Longlist diskutieren wir mit dem Klienten und erstellen daraufhin eine Shortlist. Erst dann sprechen wir die Kandidatinnen und Kandidaten an.
Dominik Schaller ist Managing Partner für Egon Zehnder in der Schweiz und leitet das Büro in Zürich. Sein Schwerpunkt ist Executive Search im Versicherungs- und Bankwesen. Bevor er zu Egon Zehnder kam, arbeitete er in der institutionellen Vermögensverwaltung der Bank Julius Bär & Co. AG sowie für die Unternehmensberatung McKinsey & Company.
Wie erfolgt ein erster Kontakt?
Wir rufen an. Es gehört nicht zu unserem Ansatz, dass wir zu Beginn E-Mails schicken oder dass Mitarbeitende irgendwelche Listen abtelefonieren. Wir halten es für sehr wichtig, die Person beim ersten Touchpoint seriös anzusprechen. Das machen bei uns immer die Beraterinnen oder Berater in einem persönlichen Gespräch.
Wie geht es dann weiter?
Es gibt weitere telefonische Gespräche und Interviews. Zuerst mit Egon Zehnder, anschliessend empfehlen wir unseren Klienten, welche Kandidatinnen und Kandidaten sie sehen sollten. Ganz am Schluss gibt es noch eine Referenzprüfung.
Sie sprechen mit ehemaligen Vorgesetzten?
Wir machen typischerweise 360-Grad-Referenzen. Wir wollen mit Vorgesetzten sprechen, das leuchtet ein. Wir wollen aber auch mit Peers sprechen, also mit Kolleginnen und Kollegen auf der gleichen Stufe, und wir sprechen mit Leuten aus dem Team. Wir möchten eine abgerundete Sicht auf die Person erhalten. Und nicht nur erfragen, wie eine Person von Vorgesetzten gesehen wird.
Wie lange dauert der Prozess in der Regel?
Wenn alles wie geplant läuft, dauert das drei bis vier Monate. Es kann auch mal schneller gehen, wir wollen aber keine Kompromisse machen. Es geht ja um Menschen, und da kann es auch immer mal nicht geplante Extraschleifen geben.
Egon Zehnder gilt als die erfolgreichste globale Personalberatung mit europäischen Wurzeln. Der Jahresumsatz betrug 2024 804 Millionen Franken (plus 5,4 Prozent gegenüber 2023). In der Schweiz arbeiten 24 Beraterinnen und Berater in den drei Büros in Zürich, Genf und Basel.
Wie unterscheiden Sie sich von anderen Executive-Search-Unternehmen?
Einerseits sicherlich dadurch, wie wir als Firma aufgesetzt sind: Egon Zehnder ist eine globale private Partnerschaft, das Unternehmen gehört den 250 Partnerinnen und Partnern. Und dabei verstehen wir uns als «One Firm» – eine Firma, in der ich genauso bezahlt werde wie andere Partnerinnen und Partner. Es zählt das Gesamtergebnis. Alle First-Year-Partnerinnen und -Partner haben weltweit den gleichen Bonus, mit jedem Jahr erhalten alle eine leichte Steigerung.
Das heisst, wenn Sie besonders viele neue Klienten akquirieren, profitieren Sie nicht davon oder nur zu einem Bruchteil, weil Sie sich den Erfolg mit den anderen 250 Partnern teilen müssen. Warum arbeiten Sie nicht nach dem Leistungsprinzip?
Weil ein solches Entlohnungssystem dazu führen würde, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihre Kontakte nicht mehr mit mir teilen, in der Sorge, dass ich ihnen einen Auftrag wegschnappe. Wir arbeiten viel besser zusammen und erbringen eine bessere Leistung für unsere Klienten, wenn wir uns innerhalb von Egon Zehnder frei austauschen können. Wenn Sie eine oder einen CEO suchen, dann müssen Sie wirklich jeden Stein umdrehen. Und das funktioniert im Team besser, als wenn Sie als Einzelkämpfer vorgehen.
Welche Unterschiede zu anderen Wettbewerbern gibt es noch?
Das sind sicherlich zwei weitere wichtige Dinge: Zum einen suchen wir unsere Beraterinnen und Berater sehr sorgfältig aus. Bis es zu einer Anstellung kommt, müssen Bewerberinnen und Bewerber bis zu vierzig Gespräche mit Partnerinnen und Partnern bei Egon Zehnder führen. Wir möchten einfach absolut sicher sein, dass die neue Person zu unserer Kultur passt.
Was müssen Berater mitbringen, um bei Ihnen arbeiten zu können?
Wir suchen Leute, die eine Businesskarriere gemacht haben – eine erfolgreiche Businesskarriere, damit sie verstehen, was für eine Führungsrolle wichtig ist. Und wir suchen Leute, die Beziehungen aufbauen können. Und dazu braucht man Empathie, man muss zuhören können.
Und der zweite Punkt?
Die Art und Weise, wie uns unsere Klienten bezahlen. Die meisten Executive-Search-Unternehmen arbeiten nach einem Provisionsmodell. Ihre Entlohnung richtet sich nach einem Prozentsatz des Jahresgehalts der eingestellten Person. Wir dagegen haben als Grundsatz einen Fix-Fee-Approach. Wir schauen uns die Komplexität der Suche an und vereinbaren dann ein festes Honorar. Damit haben wir kein Interesse daran, die teuerste Kandidatin oder den teuersten Kandidaten zu empfehlen, und können auch uneingeschränkt interne Kandidatinnen und Kandidaten berücksichtigen. Völlig frei von monetären Einflüssen werden die Klienten so beraten, dass sie die besten Entscheidungen treffen können. Das gibt uns viel mehr Glaubwürdigkeit und ist genau der Ansatz, mit dem unsere Firma vor sechzig Jahren gegründet wurde. Egon Zehnder wollte nicht ein Broker sein, der eine Provision bekommt, sondern ein echter Berater. Und das leben wir, das ist in unserer DNA.
Messen Sie den Erfolg Ihrer Besetzungen?
Nicht im Sinne von KPIs und Statistiken. Was wir machen, ist schliesslich Handarbeit. Jedes Projekt ist sehr, sehr wichtig, und wir investieren viel Arbeit dafür, dass es am Ende gut kommt. Erfolg ist, wenn eine Kandidatin oder ein Kandidat in zwei, drei Jahren wirklich das erreicht, was der Klient wollte. Oder wenn der Klient nach einer gewissen Zeit zu uns kommt und sagt, er habe fast Kandidatin oder Kandidat A nehmen wollen, aber er habe sich auf unsere Empfehlung hin für Kandidatin oder Kandidat B entschieden, und es sei absolut die richtige Entscheidung gewesen. Erfolg zeigt sich in der Langfristigkeit, darin, dass die Person erfolgreich ist in dem, was erwartet wurde.
Wie häufig kommt es vor, dass ein Klient nicht Ihrer Empfehlung folgt?
Unser Ziel ist immer, den Klienten eine möglichst grosse Transparenz zu geben. Ich mache kein Ranking und sage, das ist meine Nummer eins, zwei und drei. Sondern ich versuche, aufzuzeigen, für was die drei Kandidatinnen oder Kandidaten stehen. Und am Schluss entscheidet der Klient. Aber wir haben einen Austausch, und für mich ist es wichtig, dass wir da gehört werden, dass wir einen wirklichen Austausch haben und auch schon mal intensiv diskutieren. Damit wir am Ende eines Prozesses ein gemeinsames Bild haben von den Personen.
Was hat sich auf Klientenseite bei der Besetzung von Toppositionen in den letzten Jahren verändert?
Zum einen gibt es eine starke Professionalisierung. Die Unternehmen haben realisiert, dass sie für die Besetzung einer Topposition einen strukturierten Prozess aufsetzen müssen. Dort hat es auf Verwaltungsratsebene grosse Veränderungen gegeben. Früher gab es häufig Direktbesetzungen mit Leuten aus dem Netzwerk oder dem direkten Umfeld. Das geht heute nicht mehr, der Verwaltungsrat steht viel mehr in der Verantwortung.
Was noch?
Verändert hat sich auch das Zusammenspiel zwischen Suche und Entwicklung von Führungspersonen. Daher bieten wir auch Persönlichkeits- und Teamentwicklung an. Das beginnt beim Coaching und geht weiter. Es geht um die Identität von Persönlichkeiten und Teams im Hinblick auf die Zukunft eines Unternehmens. Das ist heute der eigentliche Hebel von sehr guter Performance.
Ein Tipp für Kandidaten und Kandidatinnen, wenn sie von Ihnen in einem Prozess angesprochen werden?
Das Entscheidende ist, dass man authentisch ist. Man sollte nicht den Fehler machen, sich verkaufen zu wollen und Schwächen schönzureden. Das kommt im Laufe des Prozesses sowieso raus. Wir haben alle gewisse Schwächen – wichtig ist, wie wir damit umgehen. Idealerweise hat mir das die Kandidatin oder der Kandidat schon im ersten Gespräch gesagt: «By the way, das ist etwas, woran ich arbeite, worin ich noch nicht so gut bin.» Und es sollte auch wirklich so sein und nicht irgendeine Floskel.
Haben sich die Anforderungen an CEOs in den letzten Jahren geändert?
Wir suchen heute eher den Dirigenten eines Orchesters und nicht mehr, böse gesagt, einen Diktator, der vorschreibt, was im Unternehmen zu passieren hat. Gefordert werden Führungspersönlichkeiten, die sich selbst gut kennen und wissen, was sie gut können und was weniger gut. Die dann typischerweise ein Team entsprechend aufstellen, um Schwächen auszugleichen, und eng mit dem Team arbeiten.
Welche Rolle spielt die Diversität mittlerweile in Ihrem Metier?
Für mich ist Diversität ein wichtiger Erfolgsfaktor, und zwar nicht nur im Hinblick auf das Geschlecht, sondern auf Diversität in jeder Hinsicht. Diverse Teams sind erfolgreicher als nicht diverse Teams. Bei der Besetzung einer Topposition ist immer das Ziel, die beste Wahl für die gesuchte Rolle zu finden, unabhängig von Geschlecht oder Hautfarbe.
Welche Ziele haben Sie als Chef von Egon Zehnder in der Schweiz?
Für mich ist Wachstum allein eigentlich kein Ziel. Auch wenn es schön ist, dass wir in den letzten Jahren an Umsatz zugelegt haben. Aber es ist nicht ein Ziel per se. Für mich ist etwas anderes wichtig: Ich sage dem Team immer, wenn eine oder ein CEO oder ein Verwaltungsrat eine Rolle zu besetzen hat, also eine Rolle, die wirklich wichtig ist für das Unternehmen und für die Schweiz – dann sollten sie daran denken, mit Egon Zehnder zu sprechen.