Sie sind der globale Go-To-Market-Verantwortliche für Sustainability bei der SAP. Was heisst das für Sie? 

In meiner derzeitigen Rolle geht es um das Definieren der Vertriebsstrategie im Kontext von Sustainability und darum, deren Umsetzung voranzutreiben. Dabei bringe ich die Nachhaltigkeitsexpertise mit dem Vertriebsansatz der SAP zusammen. Mein Werdegang bei der SAP, besonders die letzten sechs Jahre im Vertrieb, helfen mir dabei, Nachhaltigkeit in einem Businesskontext zu betrachten. Es geht um Marktmechanismen, Anreize und rechtliche Normen, die dafür sorgen sollen, komplexe Systeme in die «richtige» Richtung zu bewegen. Wie definieren Sie «Nachhaltigkeit»? Meiner Meinung nach muss man sich bewusst sein, dass Sustainability der Überbegriff für viele aktuelle Schwerpunkte und Herausforderungen ist. Fragen sie zehn Leute, und Sie bekommen zehn unterschiedliche Antworten. Und alle sind sie richtig oder tragen viel Wahres in sich. Nachhaltigkeit beziehungsweise Sustainability wird je nach Perspektive der Betrachtenden unterschiedlich definiert. Also nichts ist fix, es fehlt an einer klaren Definition. Die Vereinten Nationen haben mit den 17 Sustainable Development Goals Schwerpunktthemen definiert. Und an der COP26, der 26. UN-Klimakonferenz von diesem November in Glasgow, wurden verschiedene politische Massnahmen mit Schwerpunkt auf dem Klimawandel diskutiert, während die Finanzbranche intensiv versucht, ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) in ihre Produkte zu integrieren. All diese Beispiele liefern eine Definition für einzelne Aspekte von Sustainability – es ist jedoch eine Herausforderung, sie in einem Gesamtbild zusammenzubringen.

«Man sollte sich in die Situation des Gegenübers versetzen.»

Es sind eben alles unterschiedliche Themenbereiche von Sustainability. 

Vielleicht ist es am einfachsten, wenn man sich Sustainability als komplexes System vorstellt, das all diese unterschiedlichen Themenbereiche und deren Abhängigkeiten beschreibt. Zudem sind es meist globale Herausforderungen, vor denen wir stehen, was es noch komplizierter macht, gemeinsame Lösungen zu finden. Also zu der rein wissenschaftlichen Dimension kommt noch eine politische hinzu. Deshalb ist es wichtig, dass bei einem Gespräch zuerst der Geltungsbereich definiert wird, damit man auch vom selben spricht und zielorientiert arbeiten kann. Zudem sollte man die Offenheit haben, sich in die Situation des Gegenübers versetzen zu können, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Für mich ist es wichtig, im Sustainability-Kontext auch in Ökosystemen zu denken.

Und was heisst das für die SAP? 

Mit unseren Kundinnen und Kunden arbeiten wir zum Beispiel meist in Zusammenarbeit mit NGO, Verbänden, weiteren Partnern und Expertinnen zusammen, die sich auf die Thematik spezialisiert haben. Das WEF oder WBCSD (World Business Council for Sustainable Development) spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle, indem sie themenbasierte Plattformen anbieten, in denen wir uns einbringen können. Ich bin davon überzeugt, dass solche «Mission Based Ecosystems» noch viel nachhaltige Innovation hervorbringen werden.

Was heisst das am Ende für die Wirtschaft? 

Aus der Wirtschaftsperspektive lässt sich das sehr gut an den jeweiligen Prioritäten der unterschiedlichen Branchen illustrieren. Während in der Energiewirtschaft gerade der Wechsel von nicht erneuerbaren in erneuerbare Energiequellen stattfindet, überlegen sich Versicherungen, wie sie zukünftige Umweltrisiken in ihre Produkte integrieren können. Spannend finde ich auch die Transformation im Detailhandel, wo sich Sustainability als wichtiges Entscheidungsmerkmal für den Kauf eines Produkts etabliert hat, und auch in der Baubranche tut sich einiges (siehe Box).

Welche Rolle spielt dabei die Technologie – und welche die SAP? 

Die SAP geht als gutes Beispiel für Nachhaltigkeit auch im eigenen Haus voran – Beispiele sind Green IT in den Rechenzentren, Minergiestandards in den SAPGebäuden und eine faire Personalpolitik. Den grössten Einfluss haben wir jedoch mit unseren Produkten und dahingehend, wie wir mit Technologie und ProzessKnow-how unsere Kundinnen und Kunden bei der Transformation in Richtung Nachhaltigkeit unterstützen können. Wir helfen ihnen beispielsweise, regulatorische Anforderungen in den Systemen abzubilden, integrierte SustainabilityAspekte in ihre existierenden Prozesse zu integrieren und entsprechend zu managen und neue, nachhaltige Businessmodelle zu generieren. Ein Aspekt ist zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft, wo wir uns für plastikfreie Meere, eine nachhaltige Landwirtschaft sowie die Rückverfolgbarkeit von Materialien und Rohstoffen engagieren.

Was heisst das im Vertrieb konkret in Bezug auf SAP-Produkte?

Bei regulatorischen Anforderungen haben wir zum Beispiel für die «Extended Producer Responsibility» von der EU die Lösung namens «SAP Responsible Design and Production» entwickelt. Bei der Implementierung von Nachhaltigkeit in bestehende betriebliche Prozesse geht es etwa um die Integration der CO₂-Steuer und um den EU-Emissionshandel als Teil von Finanzprozessen und finanziellen Assets sowie um die Weitergabe von Informationen über die Lieferkette in Sachen Transparenz und Nachhaltigkeitsstandards. Spannend finde ich persönlich die Entwicklung von neuen, in ihrer DNS auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Businessmodelle. XaaS («Anything as a Service») etwa hilft unseren Kundinnen und Kunden, ihr Produkt als Service anzubieten, was nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch interessant sein kann. 

«Alle müssen kooperieren und an einem Strick ziehen.»

Was kann die Schweiz tun? 

Ganz generell: Nachhaltigkeit statt als Problem als Chance sehen und versuchen, hier eine Vorreiterrolle zu spielen. Sustainability ist eine riesige Chance für die Schweiz! Wie zum Beispiel Dänemark: Das Land hat das Thema Windenergie in einem globalen Kontext besetzt und sich zu einer Art Silicon Valley für Windenergie entwickelt. Die Schweiz hätte mit ihren Hochschulen, der aktiven Startup-Szene und den vielen im Land ansässigen internationalen Konzernen die besten Voraussetzungen dafür, eine Vorreiterrolle für Sustainability einzunehmen. So zum Beispiel könnten wir unseren Finanzplatz zum nachhaltigsten weltweit ausbauen oder im Energiebereich noch stärker in Richtung klimaneutrale Technologien denken. Auch in der Landwirtschaft bieten sich spannende Opportunitäten. Dazu müssen aber alle kooperieren und an einem Strick ziehen.

Und die SAP ist ein Teil davon? 

Ja, die SAP Schweiz arbeitet mit vielen Schweizer Unternehmen an konkreten Transformationsprojekten für mehr Nachhaltigkeit zusammen. Ich denke, dass besonders die grosse Dichte von internationalen Grosskonzernen ein Vorteil ist, nachhaltige Innovation voranzutreiben und das Thema dann auch weltweit zu besetzen.

Jonas Dennler
Quelle: ZVG

Name: Jonas Dennler 
Funktion: Global Head Sustainability Go To Market, SAP 
Arbeitsort: SAP (Schweiz) AG, The Circle 66, 8057 Zürich
Wohnort: Zürich 
Familie:
verlobt 
Ausbildung:
Umweltnaturwissenschaften ETH, EMBA in Business Engineering HSG 
Politik:
Vorstand Grüne Stadt Zürich, Gemeinderatskandidat 

Übergreifende smarte Anwendungssysteme

SAP Bau 4.0 Der ehemalige SAPVertriebsvorstand Hans Schlegel gibt Gas. Der Schweizer ETH-Ingenieur will nicht weniger als den Baumarkt revolutionieren und umweltbewusster gestalten. «Die Baubranche hat bei der Digitalisierung grosses Potenzial», erklärt Schlegel. Eine der Herausforderungen sei die digitale Kollaboration aller Akteure. «Produktivität und Nachhaltigkeit können nur steigen, wenn alle Prozesse vernetzt über den gesamten Bauzyklus digital verfügbar sind.» Laut Schlegel bietet seine Lösung übergreifende und intelligente Anwendungssysteme für die Baubranche. Die Suite SAP Bau 4.0 bringt den durchgängigen BIM-Prozess, vom digitalen Zwilling über die Durchführung bis zum Gebäudeunterhalt. Die Cloud-Lösung minimiere Kosten und erhöhe die Flexibilität. Ein wichtiges Modul dabei sei das Nachhaltigkeitsmanagement von SAP. Es gewährleiste, dass sich Ökologie und Ökonomie im Bauprozess ausglichen. «Zukünftig muss es die Aufgabe der Baubranche sein, nachhaltig zu bauen und über den Lebenszyklus eines Gebäudes CO₂-neutral zu werden», erklärt er.