Die Bauernhöfe werden immer smarter. Welche Errungenschaften sind die wichtigsten beim Einsparen von Ressourcen, also bei der Steigerung von Effizienz und Produktivität?

Die globale Produktivität in der Landwirtschaft steigt um rund 1 bis 2 Prozent pro Jahr, wobei der Zuwachs in den letzten Jahren lediglich 1,12 Prozent jährlich betragen hat. Die extremen Klima- und Wetterereignisse beeinflussen das Produktivitätswachstum negativ. Um mehr als 9 Milliarden Menschen weltweit ernähren zu können, ist Studien zufolge eine jährliche Produktivitätssteigerung von 1,7 Prozent erforderlich. Es sind also massive Anstrengungen des Sektors erforderlich, um die Welt auch in dreissig Jahren noch ernähren zu können. Es gibt viele Massnahmen zur Produktivitätssteigerung wie etwa Precision Farming, also datenbasierte Optimierung sowie Automatisierung und Systemintegration.

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Wie weit ist Smart Farming mit der intelligenten Vernetzung von Prozessen in der Landwirtschaft und der Digitalisierung von Maschinen sowie der Integration von Sensoren?

Wir sehen weltweit sehr grosse Fortschritte. Was oft noch fehlt, ist die Bündelung von Daten aus verschiedenen Quellen, um daraus mehrdimensionale Entscheidungen treffen zu können – also beispielsweise zu Qualität, Preis und Nachhaltigkeit. Zudem gibt es Daten, insbesondere Umweltdaten, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette relevant sind, zum Beispiel wenn der ökologische Fussabdruck eines Produkts von der Farm bis zum Regal gemessen werden soll. Es gibt zahlreiche Initiativen von Marktteilnehmenden, mit welchen die Zusammenarbeit und Datendurchlässigkeit verbessert werden sollen.

Die wirtschaftlichen Vorteile sind offensichtlich. Warum wird trotzdem insgesamt erst zögerlich investiert?

Diese Frage muss man differenziert betrachten. Die Industrie hat in verschiedenen Bereichen sehr viel in die Entwicklung von Innovation investiert. Und wir beobachten zunehmend auch, dass sich die Lebensmittelindustrie zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet und gegenüber der Landwirtschaft höhere Anforderungen stellt. Die Digitalisierung und Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette ist komplex und braucht Zeit.

Wie beurteilen Sie die Bereitschaft der Landwirte und Landwirtinnen, in Daten und Nachhaltigkeit zu investieren?

Für Landwirte und Landwirtinnen ist Nachhaltigkeit zunehmend wichtig, und wir sehen auch durchaus eine Bereitschaft, in neue Technologien zu investieren. Wie in jeder Branche muss es aber einen klaren Nutzen geben, und im Bereich der Daten sind Themen wie Data-Privacy natürlich sehr wichtig. Aktuell sehen wir als grössten Treiber für Innovation in diesem Bereich die Gesetzgebung (insbesondere die Berichtspflichten) sowie Anforderungen der nachgelagerten Abnehmer, etwa des Produzenten und des Handels.

Wie steht es im Vergleich mit der Landwirtschaft um die Fischerei?

Wir sehen diesen Trend in allen Segmenten, auch in Aqua. Studien zufolge fühlen sich 90 Prozent des Aqua-Sektors ökologischen Risiken ausgesetzt. Insbesondere in exportorientierten Märkten ist ökologische Transparenz ein Schlüsselfaktor. Zahlreiche namhafte Unternehmen der Aqua-Industrie sind bereits dabei, sich in Bezug auf Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Datenanforderungen vorzubereiten.

Der Analytiker

Name: Heinz Flatnitzer
Funktion: Global Head des Emissions Value Managements bei DSM-Firmenich, Wien
Geboren: 18. Juli 1971
Familie: verheiratet, zwei Kinder
Wohnort: Brunn am Gebirge (A)
Ausbildung: Studium der Handelswissenschaften und Doktorat in Operations Research, Wirtschaftsuniversität Wien

Die Digitalisierung sollte das Tierwohl fördern und bessere Schlachtergebnisse liefern. Doch offensichtlich hapert es bei der Kosten-Nutzen-Analyse. Sind die Menschen einfach zu gierig?

Digitalisierung hilft der Landwirtin, bessere Entscheidungen zu treffen. Wir bei DSM-Firmenich nutzen diese Daten für Empfehlungen für eine gezielte Fütterungsstrategie, dadurch kann der Landwirt sowohl die Tiergesundheit und das Tierwohl als auch die Qualität seiner Produkte steigern und seinen Footprint reduzieren. Aber es gilt auch für den Landwirt: Die Investition muss sich zumindest mittelfristig rechnen.

Beeinflusst Nachhaltigkeit die Entscheidungen der Konsumenten und Konsumentinnen? Sind diese bereit, mehr für transparentere und nachhaltigere Produkte zu bezahlen?

Das hängt sehr davon ab, ob sie die Informationen und Daten als glaubwürdig einstufen. Immer mehr Unternehmen testen derzeit sogenannte Eco-Labels, die einen einfachen Vergleich zwischen dem ökologischen Fussabdruck zweier Produkte ermöglichen. Der Milchwirtschaftssektor ist anderen Bereichen viele Jahre voraus – wir sehen Preisaufschläge von 10 Prozent im Markt. Es geht dabei jedoch nicht nur um den Preisaufschlag, sondern auch um den Marktanteil – hier sehen wir eine klare Verschiebung des Anteils zu nachhaltigeren Produkten. Allerdings führt der Trend hin zu mehr Transparenz aktuell paradoxerweise zu mehr Intransparenz: Es gibt weltweit mehr als 450 Eco-Label, allein in Europa mehr als 200. Wir gehen davon aus, dass sich hier in den nächsten Jahren wenige Labels durchsetzen werden – vor allem solche, die auf wissenschaftlichen Methoden und produzentenspezifischen Daten (im Gegensatz zu den Durchschnitten aus Datenbanken) basieren.

Welche Vorteile bietet Smart Farming in Bezug auf die Zusammenarbeit bei den Elementen der Wertschöpfung, also beim gesamten Produktionsprozess bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten?

Eine bessere Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette ist eine der grossen Herausforderungen und gleichzeitig die grosse Chance der Digitalisierung. Zuverlässige Daten, Datenaustausch und Rückverfolgbarkeit von Daten werden die Qualität und Transparenz in der landwirtschaftlichen Produktion massgeblich verbessern.