Erdbeben und Terror
Wer nun meint, mit dem Wechsel von einer umstrittenen, gefährlichen Energiequelle zu einer sauberen, ungefährlichen sei alles im wahrhaft grünen Bereich, der irrt. Der Weg bis 2050 ist noch lang, bis dahin müssen wir mit der Kernenergie leben. Und das Risiko der Altreaktoren ist gemäss der Schweizerischen Energiestiftung gross: Die Schweiz hat den ältesten AKW-Park der Welt. Unsere in die Jahre gekommenen Atomkraftwerke wurden zwar immer wieder nachgerüstet. Doch die hochkomplexen Systeme und der Faktor Mensch sind fehleranfällig.
Die Katastrophen in Tschernobyl 1986 und in Fukushima 2011 zeigten, welch verheerende Folgen solch ein GAU für Land, Mensch und Umwelt hat. Ganze Landstriche wurden dauerhaft verseucht. Mit fatalen Auswirkungen: Gerade Erbschäden lassen sich erst bei nachfolgenden Generationen feststellen.
Erdbeben, Jahrhunderthochwasser und Terroranschläge schätzt die Energiestiftung auch in der Schweiz als reale Gefahren ein. Zumal unsere Kernkraftwerke in den 1960er Jahren nicht im Hinblick auf all diese Risiken gebaut wurden. Zum Beispiel halten sie den wissenschaftlichen Kriterien punkto Erdbebensicherheit nicht stand. Auch bei Unfällen der heutigen modernen, riesigen Flugzeuge fehlt der nötige Schutz. Ganz zu schweigen bei den neuen Gefahren in Zusammenhang mit dem Internet und Cyberattacken.
Ermittlungen in Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Brüssel im Jahr 2016 brachten zutage, dass ebenfalls Pläne für einen Angriff auf Atomreaktoren bestanden haben. Kommt hinzu, dass auch im ganz normalen Betrieb radioaktive Strahlung austritt. Internationale Studien belegen, dass in der Umgebung von AKW lebende Kinder häufiger an Leukämie erkranken. Und der übrig bleibende Atommüll strahlt noch für etwa eine Million Jahre radioaktive Strahlen aus. Was eine enorme Belastung vor allem für das Grundwasser, aber auch für den Boden ist.
Diese alten Risiken sind das eine. Die von breiten Kreisen in der Gesellschaft erwünschte Energiewende sorgt aber auch für «new risks». Das Nationale Forschungsprogramm Energiewende NFP 70 hat untersucht, was passieren könnte, wenn die Schweiz ihren jetzigen Atomstrom durch erneuerbare Energien ersetzt. Konkret geht es um Optionen bei der Windkraft in der Schweiz, Photovoltaik auf Schweizer Gebäudedächern und in Solarparks, Offshore-Windparks in der Nordsee und solarthermische Kraftwerke in Nordafrika.
Beispielsweise könnten Unregelmässigkeiten die in der Schweiz bis anhin äusserst zuverlässige Stromversorgung in Nöte bringen und zu unliebsamen Stromausfällen führen. Kein Sonnenschein, kein Wind oder gefrorene Flüsse nennen die Forscher als mögliche Ursachen. Aber auch extreme Wetterereignisse wie Stürme, Vereisungen oder Erdrutsche sowie ein breiter gesellschaftlicher Widerstand gegen die volle Ausschöpfung des eigentlich vorhandenen Potenzials. Das heisst, dass sich die Bevölkerung gegen den Bau neuer Windturbinen oder Stromleitungen zum Beispiel nach Afrika sträubt.
Und das hat die Studie Anfang 2020 ergeben: Die Schweiz kann aus der Kernkraft aussteigen und zu erneuerbaren Energien wechseln, wenn sie nicht ausschliesslich auf Photovoltaik setzt. Dies sei möglich, weil die Schweizer Wasserkraft Schwankungen ausgleichen könne.
Das Forschungsteam nahm aber nicht nur die wissenschaftlichen Aspekte unter die Lupe. Es fühlte der Schweizer Bevölkerung den Puls. Die Umfrage ergab eine eindeutige Präferenz für Solarstrom – und in geringerem Ausmass für Windenergie. Wobei die Anlagen in bestehenden Industrie- und Gewerbegebieten gebaut werden sollten – und auch in Skiregionen. 95 Prozent bevorzugen Strom aus der Schweiz und 84 Prozent akzeptieren den Import von erneuerbarem Strom.
Das ist eigentlich kein Problem. Die Energiepolitik in der EU hat zur Folge, dass viele Länder stark auf erneuerbare Energien setzen. Insbesondere Windkraft- und Photovoltaikanlagen liegen im Trend. Die Schweiz könnte also klar profitieren. Das zeigt, wie (überlebens-)wichtig ein bilaterales Abkommen der Schweiz mit der EU im Stromsektor sein könnte.
Konkret soll der Vertrag Schweiz-EU den grenzüberschreitenden Stromhandel regeln, die Sicherheitsstandards harmonisieren, den freien Marktzugang absichern sowie die Mitgliedschaft der Schweiz in den verschiedenen Gremien garantieren. Gemäss dem Bundesamt für Energie ist neu auch die EU-Richtlinie zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen in die Verhandlungen einzubeziehen. Damit würde sich die Schweiz im Bereich der erneuerbaren Energien europaweit vernetzen und positionieren, was der Schweizer Strom- und Cleantech-Branche neue Geschäftsfelder eröffnen könnte. Die Richtlinie würde auch die gegenseitige Anerkennung von Herkunftsnachweisen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wasser, Wind oder Sonne mit sich bringen.
Das tönt alles gut. Für Mensch, Natur und Wirtschaft. Nur: Die Verhandlungen mit der EU dauern schon seit 2007.
1 Kommentar
Es ist Schade, dass der Autor auf aktivistische Tropen wie Endlagerung und Fukushimahysterie zugreifen. Alleine die Annahme, dass wir 100.000 Jahre lang da sitzen werden und die restlichen 97% Energie des Abfalles nicht verwenden werden, wenn Frankreich und mehrere neue Technologien es bereits können, ist so irrwitzigm, dass icht nicht mal verstehe, wie jemand so denken kann. Und Fukushima hat nur einen Todesopfer verursacht, der Rest waren Opfer des Tsunamis und der Evakuierung. Selbst Japan kehrt wieder zur Kernkraft zurück. Ein guter Anfang wäre es vielleicht, sie nicht in stark erbeben und tsunamigefährdeten Gebieten zu bauen.
Doch natürlich gibt es Risken, und selbst sehr optimische Annahmen zeigen, dass es zwei drei Jahrzehnte dauern wird, bis wir in grossem Skala damit fossile Brennstoffe werden nachhaltig ersetzen können.
Ich finde die Lösung vielversprechend, und umso mehr wenn ich extreme Angst vor dem Klimawandel hätte. Doch auch darin liegt eine Gefahr: wir müssen sehr viel mehr Wege, Energie zu generieren, recherchieren und ausprobieren. Alleine in der Atomenergie gibt es Hunderte von theoretischen Möglichkeiten, die meisten durch niedrigere fissile Densität fähig, Gaus physisch unmöglich zu machen. Aber selbst ein kleines Risiko, dass die Technologie nicht liefert reicht, um unser Blickfeld auch weit darüber hinaus zu erweitern.
Stattdessen tun viele, meistens Aktivisten und Industrielobbies, als würde dieses Risiko bei Wind und Sonne überhaupt nicht bestehen.
Wenn wir tatsächlich wie wir dachten vor der Tatsache stehen würden, dass uns das Öl bald ausläuft, die 80% der Energie für unsere Zivilisation liefern, hätte wir uns Atavismen und mächtige Subventionslobbyisten das Ruder übergeben und Ängste über sicher verwahrte und wiedervewertbare Atomabfall nicht leisten können, noch das Schauspiel der stöndigen Klimagipfel mit Wettbewerbsdruck, die Klimawende noch akopalyptischer darzustellen. Wir hätten universellen Konsens, und Millionen von der besten Wissenschaftler der Welt würde nichts Anderes tun, um uns zu retten. Die bitterarmen Holländer, for heavens sake, haben ihr ganzes Land mit Deichen vom Meer gerettet mit Technologie kopiert von Biebern. Als uns Guano ausgelaufen ist und Hunger drohte vor 100 Jahren, hatten wir in ein paar Jahren noch bessere synthetische Dünger. Wir sind hundert mal reicher und waren auf dem Mond heutzutage. Wenn es dringt, wären wir in zehn Jahren da.
So haben wir nun Teenager, die tatsächlich überzeugt sind, sie haben keine Zukunft, 30% von amerikanischen Jungen Frauen, die deswegen keine Kinder wollen, radikal höhere Strompreise, Zeitungen die allen ernstes ein Bericht der Renewable Industry interest Group als Autorität zitieren, eine Deutschland die mitten in der Energiepreise und Gasnot den letzen Reaktor von Netz nehmen, und pure Fantasien wie degrowth und Strom mit Lithiumbatterien speichern. Um den Wahnsinn nicht zu sehen, muss man die Bibel so lesen wie der Teufel. Oder alle Nachrichten von Extinction Rebellion nehmen und auf jedem Fall die Versuchung chemisch unterdrücken, auf eine Taschenrechner zu greifen.
Wir können Innovation nicht vorhersehen. Aber nach fünfzig Jahren von Alarm und Billionen in Ausgaben und Verbraucherkosten (die Opportunitätskosten sind noch höher natürlich, aber grundsätzliches Verständnis volkswirtschaftlicher Prinzipen sind noch gefährlicher als der Taschenrechner), dutzender von megalomanischer Gipfel mit Koryphäen wie DiCaprio - steigen co2 ausstosse immer noch.
Sie können gerne meine Konfrontation als illusorisch und meine Motive finaziellen Grossverdienste von gierigen Ölunternehmer zuschreiben (die nicht einsehen, dass sie massig profitieren werden von weniger Konkurrenz bei konstanter Nachfrage enorm profitieren werden und sich nach mehr Konkurrenz sehnen).
Aber ich hoffe, dass zumindest ein Punkt durchdringt. Nach fünfzig Jahren von teuren Versuchen und immer noch steigende Ausstosse, wäre es vielleicht Zeit, ein paar Prozent des Geldes für Innovation zu verwenden. Oder gar einen komplett anderen Ansatz ausprobieren und sogar uns überlegen, ob es nicht ein kleines Risiko gibt, dass wir mit Wind und Sonne und die Empehlungen von Lobbyisten es nicht alles schaffen werden.
Zumindest falls die Katastrophe doch kommt, und wir haben viel weniger Ressourcen und Energien, um sie zu überleben. Zumindest sollten wir uns überlegen, ob die Sorge einer höchstunwahrscheinlichen GAU eine noch höhere Priorität geniessen sollte. Einfach Fragen stellen, wie wir es bei neuen Medikamente oder Einkäufe auch tun würden. Und uns etwas weniger uns beschäftigen mit Klimaleugner die auf tote Vögel von Windkraftwerken zeigen, denn selbst die werden ausstossfrei leben, wenn wir etwas Besseres gefunden haben. Es sei denn, sie leiden nicht nur unter Vogelfetischismus, sondern Ölvergötterung - aber da wäre die Psychiatrie vielleicht eine bessere Lösung.
Es tut mir leid, aber wir müssen einfach diese Probleme lösen, und wir können uns es einfach nicht leisten, so weiterzumachen. Ich denke nicht, dass das Klima wörtlich eine existenzielle Drohung an sich ist, aber schlimm genug. Aber wenn wir dazu noch Energie gefährden, dann würde ich der Gretaretorik sehr nahe rücken. Dabei habe ich keinen Zweifel, dass unsere Ressourcen und Wissen und Neugier mehr als genügend ist wenn wir sie einfach befreien.