Wenn es um die politische Zielsetzung geht, ist alles klar. 2019 beschloss der Bundesrat mit dem Netto-null-Ziel, dass die Schweiz bis 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als natürliche oder technische Speicher aufnehmen können. Auch ist grundsätzlich unbestritten, was es zur erfolgreichen Zielerreichung braucht: eine starke Reduktion von Treibhausgasemissionen wie CO₂. Damit hat es sich aber, denn auf dem Weg zum Ziel liegen viele Steine, die aus dem Weg geräumt werden müssen. So zeigt die langfristige Klimastrategie des Bundesrates, dass selbst im Jahr 2050 schwer vermeidbare Treibhausgasemissionen verbleiben werden, insbesondere aus der Industrie, der Abfallverwertung und der Landwirtschaft. Um diese anzugehen, sind Technologien notwendig, die fossiles und prozessbedingtes CO₂ direkt an Anlagen abscheiden, nutzen und speichern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder der Atmosphäre dauerhaft CO₂ entziehen (Negativemissionstechnologien, NET).

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Der Bundesrat sieht dafür ein schrittweises Vorgehen vor. Der Ausbau von CCS und NET soll in zwei Phasen erfolgen: in einer «Pionierphase» bis 2030 und in einer Phase der «gezielten Skalierung» bis 2050. Die Pionierphase kann mit einer Weiterentwicklung der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen umgesetzt werden. Für die anschliessende Skalierungsphase nach 2030 sind jedoch grössere Weichenstellungen nötig. Dies vor allem für die Entwicklung einer umfassenden CO₂-Transport- und CO₂-Speicherinfrastruktur. Die Rollen von Bund, Kantonen und der Wirtschaft beim Aufbau einer solchen Infrastruktur, die möglichst verursachergerechte Finanzierung und der Rechtsrahmen müssen geklärt werden. Bis Ende 2024 wird der Bundesrat konkrete Vorschläge prüfen.

 

Chance für den Werkplatz

Der Ausbau von CCS und NET ist nicht nur klimapolitisch notwendig, er bietet dem Forschungs- und Werkplatz Schweiz auch die Gelegenheit, seine Kompetenz international hervorzuheben. Beispielsweise mit dem vom Bund geförderten Demonstrationsprojekt Demoupcarma (dieses Akronym steht für «Demonstration and Upscaling of Carbon Dioxide Management Solutions for a net-zero Switzerland»): Unter der Leitung der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit weiteren Hochschulen und der Industrie wird erstmals der grenzüberschreitende Transport von CO₂ und dessen Versteinerung im Untergrund (in Island) respektive die Speicherung in Beton demonstriert und optimiert.

«Mit diesem wegweisenden Projekt sollen wichtige Erkenntnisse zur Machbarkeit, zu Energie- und Umweltbilanzen sowie zu Skalierungsfragen gewonnen werden», sagt dazu Viola Becattini, Projektleiterin am Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Becattini ist Mitgründerin des Demoupcarma-Projekts, das 21 Hauptakteure im schweizerischen und europäischen Bereich der CO₂-Abscheidung, des Transports und der Lagerung zusammenbringt. Die Ergebnisse des Projektes sind positiv: «CO₂ abzuscheiden und in recyceltem Abbruchbeton oder in Gestein in Island zu speichern, ist machbar und weist eine positive Klimabilanz auf.»

Auch wenn die im Projekt erprobten Technologien funktionieren, ist der Forschungsbedarf im Bereich CO₂-Management noch gross. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die Technologien auch ihren Weg in die Wirtschaft finden. Das tun sie. Zum Beispiel bei Sulzer, einem weltweit tätigen Unternehmen im Fluid-Engineering und Chemical-Processing. Der Geschäftsbereich Chemtech positioniert sich unter anderem mit Lösungen zu Recyclingtechnologien sowie zu Kohlenstoffabscheidung und -nutzung oder Kohlenstofflagerung, was zu einer kreislauforientierten Wirtschaft beiträgt. «Wir wissen, dass, um die Kohlenstoffabscheidungstechnologie weiter wachsen zu lassen, die zugrunde liegenden Prozesse nicht nur effektiv, sondern auch wirtschaftlich rentabel sein müssen», betont Uwe Boltersdorf, Divisionsleiter Chemtech und Mitglied der Sulzer-Konzernleitung. Es sei daher entscheidend, dass diese Lösungen die ökologischen Ziele der Unternehmen angemessen balancierten.

 

Mehr als ein Abfallprodukt

Der nächste wichtige Schritt bestehe nun darin, den Fokus auf die Nutzung des abgeschiedenen CO₂ zu verlagern. Boltersdorf: «Dies beinhaltet die Entwicklung innovativer Möglichkeiten, um CO₂ von einem Abfallprodukt in eine wertvolle Ressource für die Herstellung neuer Produkte oder für die Verbesserung bestehender Prozesse umzuwandeln. Auf diese Weise können wir neue Märkte und Chancen erkunden, den Kohlenstofffussabdruck unserer Kunden weiter reduzieren und zu einer nachhaltigeren und kreislauforientierten Wirtschaft beitragen. Und genau daran arbeiten wir bei Sulzer.»

Nachgefragt

Pipeline als Transportmittel

Ein Gespräch mit Viola Becattini, Dozentin am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich.

 

Wie sind Sie darauf gekommen, dass die Speicherung von CO₂ in recyceltem Abbruchbeton und in Gestein machbar ist?

Wir haben das Ganze mit Emissionen aus einer Biogasaufbereitungsanlage in Bern durchgespielt. Dabei untersuchten wir die gesamte Kette – von der Abscheidung und Verflüssigung des CO₂ am Ort des Entstehens über den Transport bis hin zur Speicherung. Wir berechneten auch, wie viel neues CO₂ entlang der Kette anfällt. Für eine Kehrichtverbrennungsanlage und eine Zementanlage wurden zudem unterschiedliche Lösungen für Abscheidungsverfahren und -anlagen geprüft.

Wo besteht noch Potenzial?

Der grösste Teil der neuen Emissionen entfällt auf den Transport der CO₂-Container per Bahn und Schiff, die heute zum Teil noch mit Energie aus Kohlekraft und fossilen Brennstoffen betrieben werden. Würde künftig in grossem Massstab CO₂ exportiert, würden bisherige Logistiklösungen zudem an ihre Grenzen stossen, was mit einem Pipelinenetzwerk zu beheben wäre.

Welche Hürden müssen dabei überwunden werden?

Es sind vor allem regulatorische Schwierigkeiten, denen wir beim Transport von CO₂ durch mehrere Länder bis nach Island begegneten. Will die Schweiz im grösseren Massstab CO₂ speichern, müssen gemeinsam mit den europäischen Nachbarn klare Regulierungen geschaffen werden.

Wäre es nicht einfacher, das CO₂ hier im Schweizer Boden zu speichern?

Das ist denkbar, und daran forschen wir auch.