Die steigende Teuerung hat Zentralbanken seit letztem Jahr weltweit zur Erhöhung der Leitzinsen bewogen, was die Kurse bestehender festverzinslicher Anlagen sinken lässt. Versicherungen sind in diesem Umfeld besonders exponiert. Typischerweise entfällt der grösste Teil ihrer Bilanzsumme auf festverzinsliche Wertpapiere, sodass die gestiegenen Zinsen und erhöhte Zinsvolatilität spürbare Auswirkungen auf ihr Anlageportfolio haben. Für sie stellt sich also im Besonderen die Frage, wie sie ihr Portfolio im Inflationskontext aufstellen können.

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Vier Inflationsszenarien

Für die weitere Inflationsentwicklung sind vier Szenarien denkbar. Bei einer temporären Inflation würde sie in den nächsten 12 bis 18 Monaten wieder auf Werte im Bereich von rund 2 Prozent sinken. Das dürfte sich manifestieren, wenn sich die Konsumentennachfrage nach Dienstleistungen gegenüber Gütern wieder ausgleicht und die Lieferketten sich bis 2024 vollständig normalisiert haben.

 

Der Autor

Nino Colesanto, Leiter Insurance Coverage Switzerland, UBS Asset Management, Zürich.

Demografische Entwicklung, Deglobalisierung, andauernde Lieferkettenengpässe oder ein erneuter Wirtschaftsaufschwung könnten die Lohnkosten und die Inflation jedoch auch auf einem höheren Niveau von 3 bis 4 Prozent halten. Sollten die Inflationserwartungen wieder anziehen – bestünde also eine höhere Inflation für längere Zeit –, könnten die Zentralbanken ihre Leitzinsen weiter anheben oder zumindest länger hochhalten.

 

Umschichtungen in der Anlageklasse …

Bei gleichbleibender Kreditqualität des Portfolios können Anpassungen über die Positionierung auf der Zinskurve erfolgen. Dafür können Versicherungen den Anteil von Obligationen mit kürzerer Duration erhöhen. Sie haben ein geringeres Zinsänderungsrisiko und zeigen im Fall von Zinserhöhungen eine bessere Performance als Obligationen mit langer Duration. Aktuell sehen kurzlaufende Anleihen auch aus einer Renditesicht attraktiv aus, mit vergleichbaren oder sogar höheren Verfallsrenditen als bei langlaufenden Obligationen.

 

… und ausserhalb der Anlageklasse

Taktische oder gar strategische Anpassungen der Asset-Allokation erlauben zudem die Umschichtung in neue Anlageklassen. Dies führt – dank negativen Korrelationen – zu verbesserten Risiko-Rendite-Verhältnissen. Es lassen sich Anlageklassen identifizieren, die positive Korrelationen zu steigender Inflation ausweisen, was grundsätzlich für eine Allokation spricht.

So bieten Rohstoffe etwa einen gewissen Schutz gegen unerwartete, durch Angebotsmangel ausgelöste Inflationsschocks. Es gilt dabei zu berücksichtigen, dass bei einer sich beschleunigenden Wirtschaft die straffere Geldpolitik das Wachstum bremsen und damit auch die Rohstoffnachfrage und die -preise senken kann.

Zu den Vorteilen von Immobilien gehören stabile Ausschüttungsrenditen sowie vergleichsweise geringere Wertschwankungen und eine tiefe Korrelation zu traditionellen Anlageklassen. Zur Eingrenzung der Risiken empfiehlt sich eine breite geografische Diversifikation.

Variabel verzinsliche Anlagen wie Collateralized Loan Obligations bieten naturgemäss einen Inflationsschutz. Auch Private-Credit-Investments bieten in der Regel eine variable Verzinsung. Höhere Zinsen führen somit zu höherem Einkommen. Bei Private-Equity-Strategien erfolgen in der Regel Engagements in Unternehmen mit einem langfristigen Zeithorizont, weshalb Inflationsrisiken leichter zu bewältigen sein sollten. Auch hier ist eine breite Diversifikation in Bezug auf Geografie, Sektoren und Investitionsphasen angebracht.

Unabhängig vom Marktumfeld werden festverzinsliche Anlagen ihre Rolle als dominante Anlageklasse für Versicherungen beibehalten. Es bestehen aber durchwegs Möglichkeiten, das Anlageportfolio zu optimieren. Selbstredend müssen hierbei die jeweiligen regulatorischen und unternehmensspezifischen Vorgaben geprüft und bei einem Investitionsentscheid berücksichtigt werden.

Eine kontinuierliche Verschlechterung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds oder ein reales Negativwachstum in Kombination mit weiterhin hoher Inflation stellt ein Worst-Case-Szenario dar. Eine Stagflation könnte vor allem durch Faktoren auf der Angebotsseite, eine Energieknappheit zum Beispiel, verursacht werden.

Eine deutliche Wirtschaftsabkühlung in den nächsten Quartalen und ein anhaltendes Überangebot an Gütern würde die Inflation hingegen schneller fallen lassen als erwartet. Für diesen Fall wird mit einer Inflation von 0 bis 1 Prozent oder tiefer gerechnet, je nach Ausmass der Abkühlung.

 

Anpassung der Asset Allocation

Unabhängig davon, welches Szenario sich schliesslich bewahrheitet, werden Inflationsrisiken die Märkte weiter beschäftigen. Sollten Versicherungsunternehmen also nun Anpassungen an ihrem Anlageportfolio vornehmen? Falls ja, in welcher Form? Um diese Fragen beantworten zu können, ist ein Blick auf die jeweilige Korrelation der Anlageklassen zur Teuerung hilfreich.

Wenig erstaunlich zeigen Obligationen – gemessen an einem breiten Index – eine negative Korrelation zum Konsumentenpreisindex, das heisst, sie bieten keine Absicherung gegen steigende Zinsen. Ungeachtet dessen werden festverzinsliche Anlagen immer der dominierende Bestandteil in den Anlageportfolios von Versicherungsunternehmen sein. Insofern bieten sich zunächst Anpassungen innerhalb der Anlageklasse an.