Was sind die Themen, welche die institutionellen Investoren derzeit bewegen?
Frank Rosenschon: In der aktuellen Finanzlandschaft stehen institutionelle Investoren vor einem bedeutenden Wandel, geprägt durch das Ende der Ära der «Great Moderation», das heisst der Phase von langanhaltendem Wachstum bei niedriger Inflation. Die sich verändernde makroökonomische Kulisse mit steigenden Zinsen und erwarteten höheren Inflationsraten zwingt sie, ihre Portfoliostrategien zu überdenken und anzupassen. Die meisten Investoren haben 2023 aufgrund der starken Volatilitäten bei den Zinsen einen risikoärmeren Ansatz für ihr Portfolio gewählt. Aufgrund des deutlich höheren Zinsniveaus werden auch wieder festverzinsliche Wertpapiere von guter Qualität und genügend Liquidität bevorzugt.
Wie sieht es mit Privatmarktanlagen aus?
Frank Rosenschon: Die Private-Market-Anlagen spielen parallel dazu eine entscheidende Rolle in institutionellen Portfolios. Sie bieten Potenzial für höhere Renditen durch die Nutzung von Illiquiditätsprämien, Schutz vor Inflation und auch guten Zugang zu spezifischen Sektoren wie beispielsweise im Bereich Gesundheitswesen oder Technologie. Insbesondere erfreuen sich Infrastrukturinvestitionen aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit inmitten höherer Inflation und Marktvolatilität grosser Beliebtheit. Diese Investitionen sind eng mit den aktuellen Entwicklungen der Energiewende verbunden.
Was bedeutet das konkret?
Mirjam Staub-Bisang: Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist ein bedeutendes Thema für institutionelle Investoren. Das Übergangsszenario des Blackrock Investment Institute sieht eine erhebliche Zunahme der Nutzung kohlenstoffarmer Energiequellen vor, die bis 2050 jährliche Investitionen von rund 4 Billionen Dollar in das globale Energiesystem auslösen könnte. Es werden Fortschritte bei der Energiespeicherung, der Elektrifizierung des Verkehrs und bei alternativen Kraftstoffen erwartet, die zu einer höheren Effizienz beitragen. Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist in vollem Gange und wird zu einer massiven Umschichtung von Kapital führen, da sich Volkswirtschaften, Sektoren und Unternehmen neu ausrichten. Der Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft stellt somit auch eine gute Investitionschance für Institutionelle dar.
Welche Makro-Erwartungen haben Sie für die Schweiz, Europa und die USA?
Mirjam Staub-Bisang: In den USA ist das Wirtschaftswachstum robuster ausgefallen als in Europa und der Schweiz. Während die Wirtschaft in den USA mit über 2 Prozent wächst, ist Europa, besonders Deutschland, bei einer rückläufigen Inflation in eine Stagnationsphase mit quasi Nullwachstum eingetreten. Besser steht die Schweiz da. In einem solchen Umfeld ist es wichtig, die Makrorisiken zu managen und Portfolios richtig zusammenzusetzen.
Was heisst «richtig zusammenzusetzen»?
Mirjam Staub-Bisang: Wir sehen, dass die Inflationsraten in den Industrieländern kurzfristig weiter fallen dürften, aber sich langfristig über den Niveaus vor Ausbruch der Pandemie einpendeln werden. Dies aufgrund von strukturellen Faktoren wie Demografie, der Neugestaltung von Lieferketten und dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Daher sind wir zurzeit bei globalen, inflationsgeschützten Anleihen in unserer strategischen Vermögensallokation übergewichtet. Der Markt hat seine Erwartungen im Februar deutlich angepasst. Taktisch, sprich für die nächsten sechs bis zwölf Monate, sind wir weiterhin positiv bezüglich Risikoanlagen, aufgrund der kurzfristig sinkenden Inflation und der erwarteten Zinsreduktionen der Zentralbanken.
4 Billionen Dollar sollen bis 2050 in nachhaltige Energiequellen investiert werden.
Das heisst, Sie managen Ihre Portfolios jetzt viel aktiver als früher?
Frank Rosenschon: Nach der globalen Finanzkrise ermöglichte die ständig wachsende Produktionskapazität den Zentralbanken, die Wirtschaft zu stabilisieren und das Wachstum durch lockere Geldpolitik zu stützen. Dies half, makroökonomische und Marktschwankungen zu unterdrücken und befeuerte Bullenmärkte sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Investoren konnten quasi auf Autopilot schalten und sich auf statische, breite Vermögensklassenallokationen für Renditen verlassen und gewannen wenig Vorteil aus aktiven Investmentstrategien. Das neue Regime grösserer makroökonomischer Marktschwankungen hat zu grösserer Unsicherheit und Streuung der Renditen geführt. Wir sind davon überzeugt, dass in dieser dynamischen Umgebung ein aktiver Portfolioansatz weiterhin essenziell ist und sich ideal mit etablierten Indexstrategien ergänzt.
Welche Rolle spielen dabei ESG-Themen?
Mirjam Staub-Bisang: Allgemein agieren wir als Vermögensverwalter als Treuhänder und investieren im Namen unserer Kunden, um ihnen zu helfen, ihre oft langfristigen Anlageziele zu erreichen. Hinsichtlich Nachhaltigkeit verfolgen wir genau denselben Ansatz. Dabei helfen wir Anlegern, ihre Überlegungen und Anlagerichtlinien in diesem Bereich umzusetzen und von langfristigen Trends wie dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu profitieren. Auch wenn Daten in den letzten Jahren besser geworden sind, stehen allerdings viele Anleger noch immer vor Herausforderungen, wenn es darum geht, nachhaltig und in den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu investieren. So müssen sie etwa riesige Mengen an Daten und Informationen verarbeiten, sich in einer veränderlichen Anlagewelt zurechtfinden und Anlageprodukte und -strategien finden, die zu ihnen passen.
Warum übernehmen Sie als Assetmanager nicht noch mehr Verantwortung für Nachhaltigkeitsthemen?
Mirjam Staub-Bisang: Den Dialog mit Unternehmen, in die unsere Kunden investiert sind, bezeichnen wir als Stewardship-Aktivitäten – also ja, es ist ein wichtiger Teil unserer Asset-Management-Tätigkeiten. Jedes Jahr konzentrieren wir uns bei unseren Gesprächen mit Unternehmen auf wesentliche Themen, von denen wir glauben, dass sie zu dauerhaften, langfristigen Erträgen für unsere Kunden beitragen können. Eine unserer fünf sogenannten Stewardship-Prioritäten ist Klima und Naturkapital. Hier möchten wir von den Unternehmen erfahren und genau verstehen, welche Auswirkungen die klimabezogenen Risiken und Chancen und der Übergang zu kohlenstoffarmem Wirtschaften voraussichtlich auf ihre Strategien und langfristigen Geschäftsmodelle haben werden.
«Einer unserer fünf Stewardship-Prioritäten ist Klima und Naturkapital.» Mirjam Staub-Bisang
Mehr Effizienz und Service, höhere Transparenz sowie niedrigere Kosten – das sind die Anliegen, die institutionelle Investoren häufig von Ihnen fordern.
Frank Rosenschon: Unsere starke und langjährige Präsenz, wir sind ja schon länger als 25 Jahre in der Schweiz, unterstreicht unsere Verpflichtung gegenüber diesem bedeutenden Markt. Mit mehr als hundert Experten bei Blackrock in Zürich und Genf, darunter Portfoliomanagement und mein spezialisiertes Team für institutionelle Investoren, sind wir vor Ort, um effektiv auf die Anliegen unserer Kunden einzugehen. Zusätzlich bieten wir in der Schweiz domizilierte Produkte, beispielsweise im Indexbereich an, die für unsere institutionellen Investoren kosten- und steuereffizient sind.
Welche Ziele haben Sie für Blackrock für die Schweiz in den nächsten Jahren?
Mirjam Staub-Bisang: Als Vermögensverwalter streben wir weiterhin danach, als vertrauenswürdiger Treuhänder unserer Kunden zu agieren und diese in der Erreichung ihrer Anlageziele zu unterstützen. Diese treuhänderische Kultur ist tief in unserer nicht zuletzt auch schweizerischen Identität verwurzelt.
Frank Rosenschon: Unsere Tätigkeit als B2B-Unternehmen mag nicht immer direkt beim Privatkunden sichtbar sein. Dabei unterstützen wir Banken, Pensionskassen und andere Institutionen beim Zugang zu globalen Anlagemärkten und der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen. Kurz gesagt: Ich würde mich freuen, wenn ich meinem Nachbarn zukünftig nicht mehr erklären müsste, was Blackrock macht.