98 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz sind KMU, viele davon haben ein Nachfolgeproblem. Warum?

Nachfolge ist nicht per se ein Problem, sondern eine Herausforderung, die jeder Unternehmer in seiner Laufbahn angehen muss. Was die Situation verschärft hat, ist der spürbare demografische Wandel. Es gibt weniger Arbeitnehmende im Arbeitsmarkt und die können sich – je besser sie sind – ihre Rollen aussuchen; das gilt auch für die nächste Generation innerhalb einer Familie. Nachfolge regeln bedeutet also im ersten Schritt jemanden finden, der unternehmerisch tätig sein will. Wichtig ist aber auch, dass dieser oder diese jemand es kann. Es braucht viel, um in der heutigen schnelllebigen Zeit mit ihren komplexen Herausforderungen ein Unternehmen zu führen.  

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Zur Person: 

Seit fast zwanzig Jahren begleitet David Dahinden Firmen bei der Nachfolgeregelung. Er ist bei der Beratungsfirma BDO als Partner für den Bereich «Nachfolgeregelung» verantwortlich und verantwortet als Geschäftsführer die Tochtergesellschaft Business Broker AG.

Gibt es keine familieninterne Nachfolger, braucht es einen externen Käufer. Wie schwer fällt Inhabern dieser Schritt und sind sie in Ihren Augen darauf vorbereitet?

Aktuell werden KMU in 40 Prozent aller Übergaben von einem Familienmitglied übernommen, in 20 Prozent der Fälle tritt ein Mitarbeitender die Nachfolge an. 40 Prozent der Firmen haben aber noch immer keine Nachfolgelösung gefunden, was bedeutet: Das Geschäft muss extern verkauft werden. Und nein, darauf, ihr Lebenswerk zu verkaufen, sind nur wenige tatsächlich vorbereitet. Vor allem auch, weil häufig Lebensinhalte für die Lebensphase nach dem Verkauf der Firma fehlen. Viele Unternehmer und Unternehmerinnen haben ihr ganzes Leben, also 24 Stunden am Tag an sieben Tagen pro Woche, in das Unternehmen investiert. Nicht selten erleben wir daher bei der Begleitung von Übergaben, dass Unternehmer nicht loslassen wollen oder können. Sich also frühzeitig Gedanken über die Zeit «danach» zu machen, ist wichtig. 

Ist das aber nicht auch ein Generationen-Ding?

Auf jeden Fall. Was ich gerade ansprach, gilt für die ältere Generation. Sie haben oft das Unternehmen von ihren Eltern geerbt oder mit viel Fleiss und Schweiss selbst aufgebaut. In ihrem Leben hat das Unternehmen einen sehr hohen Stellenwert. Jüngere Generationen haben eine andere Sichtweise. Wer in einem Familienunternehmen aufgewachsen ist, hinterfragt häufig die Lebensweise der Eltern. Wenig Privatleben, immer erreichbar sein, auch an Wochenenden arbeiten … Für die nachkommenden Generationen ist das keine Option mehr. Sie gewichten Freizeit und Arbeit differenzierter und schätzen Flexibilität. 

Stichwort Flexibilität: Wie wichtig ist sie bei einem Verkauf oder bei einer Übergabe?

Sehr wichtig. Ohne Kompromissbereitschaft verkaufen Sie Ihr Unternehmen nicht. Ohne Flexibilität finden Sie keinen Nachfolger. Unternehmertum hat viel mit Persönlichkeit zu tun, kein Übernehmer lässt sich in ein starres Korsett drücken. Als Verkäufer müssen Sie offen sein, und das startet mit den Preisvorstellungen.  

Ist es daher ratsam, dass der Inhaber den Preis für sein Unternehmen nicht selbst verhandelt?

Diese Frage ist ein wichtiger Teil unseres Berufsalltags und immer ein Grund für Diskussionen. Die Crux ist: Hat ein Inhaber persönlich gegenüber dem Käufer Preisvorstellungen kommuniziert, ist das Verhandeln schwierig. Der Inhaber ist die letzte Instanz und sein Wort gilt. Sprechen wir als Verkaufspartner über einen Preis mit potenziellen Käufern, kann der Inhaber jederzeit intervenieren. Zudem sind wir emotionslos im Sinne der fachlichen Kompetenz. Sprechen wir über Preisvorstellungen, basieren diese auf Marktanalysen und Erfahrung; definiert ein Inhaber den Preis, ist da sehr viel Emotion im Spiel. 

Was wären demnach die besten Schritte, wenn es um einen Verkauf geht?

Offenheit und Kompromissbereitschaft sind die Grundlagen. Und da spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Übergabe an ein Familienmitglied, an einen Mitarbeitenden oder um einen externen Verkauf handelt. Die erste Frage lautet immer: Ist das Unternehmen überhaupt übertragungsfähig? Und das nicht nur mit Blick auf den betrieblichen Erfolg. Es geht auch um das Firmenkonstrukt an sich. Nicht selten gehören nichtbetriebsnotwendige Assets, zum Beispiel Immobilien oder andere Sachwerte, zum Unternehmensvermögen. Oft sollen diese aber nicht mit veräussert werden, was bedeutet, diese erst einmal steueroptimiert auszugliedern. Das wiederum geht nur unter Einbezug bestimmter Fristen und braucht eine gute Planung. 

Einen Nachfolger zu suchen macht erst danach Sinn?

Sich mit dem Thema Nachfolgeplanung zu beschäftigen und sich damit auseinanderzusetzen, ob allenfalls ein Familienmitglied oder ein Mitarbeitender übernehmen könnte, macht sicher Sinn. Konkrete Verkaufsbemühungen zu starten, ohne dass das Unternehmen verkaufsfähig ist, weniger. Eine Übergabe, ein Verkauf eines Unternehmens durchläuft verschiedene Phasen. Diese sauber zu strukturieren, ist wichtig. Erst wenn die Verkaufsfähigkeit hergestellt ist, kann ein externer Verkaufsprozess mit einer Marktansprache gestartet werden. Sämtliche technische Aspekte, wie unter anderem steuerliche und rechtliche Themen, sind Teil des Verkaufsprozesses. Der Verkaufsprozess braucht Zeit und Fachkompetenz. Im Durchschnitt sprechen wir von 9 bis 18 Monaten, bis ein Unternehmen verkauft ist.

Wie oft bieten sich Konkurrenzunternehmen als Käufer an? 

Dass Mitbewerber oder branchenverwandte Unternehmen als Käufer auftreten, hat es immer gegeben. Wir stellen aber fest, dass in vielen Branchen regelrechte Konsolidierungswellen stattfinden, auch aufgrund des Fachkräftemangels. Strategische Käufer sind aus unserer Optik eine sehr valable Option für eine Nachfolgeregelung, obwohl sie häufig in den Vorstellungen unserer Kunden nicht als «Wunschpartner» an erster Stelle stehen. Der Verkauf an Privatpersonen, wie ein Familienmitglied oder Mitarbeitende, ist persönlicher und deckt emotionale Bedürfnisse besser ab. Häufig ist es jedoch eine finanzielle Frage, was möglich ist und was nicht.

Was bedeutet?

Privatpersonen im KMU-Umfeld können heute auf ein Eigenkapital von 350’000 bis 500’000 Franken zurückgreifen, so unsere Erfahrung. Unter Einbezug einer Bankfinanzierung sowie eines heute weit verbreiteten Verkäuferdarlehens resultiert daraus ein Finanzierungshorizont von etwa zwei Millionen Franken. Ab zweistelligen Millionenbeträgen öffnet sich das Käuferuniversum, und auch Finanzinvestoren werden zu potenziellen Käufern. Dazwischen besteht ein Cap, der herausfordernd zu vermitteln ist. Für Privatpersonen zu teuer, für Finanzinvestoren zu klein. Es bleibt der strategische Käufer.

Wir sprachen über den Preis, was sind weitere Wünsche, die Verkäufer in aller Regel stellen?

Die Mitarbeitenden haben einen sehr hohen Stellenwert und sollen ihre Arbeitsplätze behalten dürfen.

Warum schmunzeln Sie?

 In vielen Branchen haben wir einen Arbeitnehmermarkt. Wie ich sagte, können sich gute Mitarbeitende ihre Jobs aussuchen. Das gilt vor allem fürs Handwerk. Und Schweizer KMUs sind zu einem grossen Teil handwerkliche Betriebe. Die Angst, dass ein Käufer sofort Arbeitsstellen streicht, ist meistens unbegründet. Für viele Käufer ist es ganz entscheidend, dass die bestehenden Mitarbeitenden loyal zum übernommenen Unternehmen stehen. Das ist eigentlich das Wichtigste für die Käuferpartei.

Lässt sich das in ein Kaufangebot einbringen? 

Sie können als Käufer natürlich viele Incentivierungen etablieren. Am wichtigsten erscheint mir, dass die Käuferpartei nach der Übernahme keine Revolution veranstaltet. Die ersten sechs Monate nach einer Übernahme entscheiden, ob die Übernahme als Erfolg zu werten ist oder nicht. Der Fachkräftemangel hat definitiv dazu geführt, dass Unternehmensübernahmen und -verkäufe nicht einfacher geworden sind. Der Erfolg von KMU basiert auf den Mitarbeitenden, besonders bei Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden. Und diese machen den grössten Teil der Schweizer KMU aus.

Wann ist der beste Zeitpunkt, die Mitarbeitenden mit ins Boot zu holen, wenn es um den Verkauf geht? 

Das ist eine Gratwanderung. Grundsätzlich dann, wenn der Vertrag unterzeichnet, vollzogen und in trockenen Tüchern ist. Demgegenüber steht der Wunsch von vielen Käufern, bereits während des Verkaufsprozesses mit der Geschäftsführung und wichtigen Kadermitarbeitenden zu sprechen. Gerade dann, wenn die Firma von wenigen Fachkräften abhängig ist. Leider kann es auch zu negativen Erfahrungen kommen. Wir mussten bereits mit Situationen umgehen, wo Mitarbeitende während des Verkaufsprozesses gekündigt haben, als die potenzielle Käuferpartei bekannt wurde. Das ist für den Verkaufsprozess sehr negativ. Ein Patentrezept gibt es leider nicht. Sicher dürfen Sie als Inhaber oder Inhaberin Ihre Fühler ausstrecken, wenn Sie darüber nachdenken, das Unternehmen an einen Mitarbeitenden zu übergeben. Dann aber sehr diskret und mit entsprechenden Auflagen und nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung. Gleiches gilt bei einer familiären Übernahme. Eine Übergabe, ein Verkauf ist immer mit Emotionen verbunden, aber er sollte dennoch sachlich, strukturiert und organisiert ablaufen. 

Und er sollte vor allem frühzeitig geplant werden …

Genau. Sich als Inhaber eines KMU mit 63 zu sagen, dass jetzt mal Zeit für die Pension ist, funktioniert nicht. Minimal zwei bis drei Jahre sollten Sie veranschlagen, wenn Sie Ihre Firma übergeben wollen. Wir raten immer, dass man sich die ersten Fragen spätestens mit Anfang fünfzig stellen sollte. So bleibt genügend Spielraum und Zeit, um die Firma verkaufsfähig zu machen und sich selbst auf die Zeit «danach» vorzubereiten.