23 Jahre nach dem Swissair-Grounding ist die Rolle der damals verantwortlichen Verwaltungsräte noch immer irritierend. Auch wenn Grosskonzerne anders funktionieren, sind viele Kleinunternehmer heute noch verunsichert darüber, wie damals ein Verwaltungsrat die Geschicke einer Firma in kurzer Zeit ins Verderben führen konnte. Und sie fragen sich, wie der eigene Verwaltungsrat (VR) aufgestellt sein muss, damit das nicht passiert.

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Jetzt ist wieder Krise, die freie Globalisierung ist im Eimer, und in Europa herrscht Krieg. Geschäftsführer verlieren Märkte, finden keine Fachkräfte oder leiden unter Liquiditätsproblemen. Sie rennen von einer Korrekturaktion zur nächsten. Möglich ist das aber nur mit einem starken VR, der das absegnet. Eben ganz so, wie es das Schweizer Obligationenrecht (OR) vorgibt: «Der Verwaltungsrat ist das oberste Exekutivorgan, dem die Führung der Geschäfte einer Aktiengesellschaft obliegt (…).»

 

Fachwissen ist gefragt

Eine Frage, die KMU bewegt, ist allgegenwärtig: Aus wie vielen Mitgliedern soll der VR bestehen? Aus wie vielen muss er bestehen? Brauche ich überhaupt einen? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Zumindest nicht, wenn es um die Frage nach der Anzahl der Verwaltungsräte und -rätinnen geht. Grundsätzlich braucht jede Aktiengesellschaft einen VR, so sagt es das Gesetz. In einer GmbH übernimmt die Geschäftsführung die Aufgaben des VR. Bei einer AG braucht es je nach Branche, Markt, Businessmodell und rechtlichen Faktoren mehr oder weniger Fachwissen und Kontrollkraft. Im Kern lässt sich die Hauptaufgabe so zusammenfassen: Ein VR muss sich um das Wohl der Firma kümmern. Dazu braucht es nicht nur Zeit und Branchenkenntnisse, sondern auch «Lust an der Sache» – Motivation und Engagement, sich mit dem betreuten KMU identifizieren zu können. 

Umfragen zeigen, dass bei Startups und bei Familien-KMU drei VR-Mitglieder reichen. Relevant ist aber nicht die Zahl der Verwaltungsrätinnen und -räte, sondern dass diese komplementär zur Geschäftsführung aufgestellt sind und jeweils unterschiedliche Kernkompetenzen mitbringen. Ideal ist beispielsweise, die folgenden Fachbereiche personell abzudecken: Finanzen, Politik und Positionierung im Zielgruppensegment. Auch Digitalisierung ist sicher ein wichtiger Fakt, aber im VR geht es mehr und zuerst um wirtschaftliche Aspekte. 

 

Das Unternehmen im Fokus

Entscheidend bleibt, dass sich der VR mit seinem Engagement primär um das Wohl des Unternehmens kümmert und nicht um dasjenige der Aktionäre und Aktionärinnen. Das ist allerdings für Verwaltungsräte und -rätinnen schwierig, wenn sie selbst mit Aktienanteilen beteiligt sind. Aber genau das betrifft einen Grossteil der Schweizer KMU. Board-Mitglieder und Geschäftsführerinnen sind ebenfalls Aktionäre. Konflikte sind somit vorprogrammiert. Verwaltungsrätinnen, die eigenes Geld in ein Unternehmen investiert haben, verfolgen verständlicherweise auch persönliche Interessen. Und die sind dann nicht primär zum Wohl der Gesellschaft. Das sollte allen bewusst sein. Transparenz ist hier wichtig, denn es geht nicht um eine «Wohlfühlkonstellation». Ein guter Verwaltungsrat verfügt über einen scharfen Blick in die Zukunft der jeweiligen Branche und kann so in Absprache mit der Geschäftsführung die entwickelte Strategie laufend anpassen, im Sinne der Organisation und Unternehmensziele. Flexibilität ist damit eine neue Kernkompetenz.

 

Zeitliche Ressourcen sind entscheidend

Und schlussendlich geht es immer und überall um die Frage der Verfügbarkeit. Bei der Swissair hielten sämtliche Verwaltungsräte und -rätinnen mehrere VR-Mandate; einzelne sogar mehrere Dutzend solcher Engagements. Die logische Schlussfolgerung ist, dass sie damit nicht jedem Mandat zu jeder Zeit die volle Aufmerksamkeit schenken konnten. Auch im KMU ist es nicht anders, und deshalb sollte vor der Ernennung immer klar sein, wie viele VR-Mandate eine Verwaltungsrätin haben darf, um als solche im jeweiligen Unternehmen in Betracht zu kommen. Hier gilt es, eine klare Rechnung aufzustellen: Wie viel effektiv zur Verfügung stehende Arbeitszeit kann diese Person aufbringen, wie viel davon kann die Geschäftsführung nutzen. Verwaltungsräte, die diese Verantwortung nicht wahrnehmen und nicht die erforderliche Arbeitszeit abliefern, handeln letztlich fahrlässig. Dazu eine letzte Konklusion: Ein Verwaltungsrat oder eine Verwaltungsrätin ist wertvoll, wenn er oder sie der Geschäftsleitung als Sparringspartner dient.