Weltweit sind wichtige Agrarprodukte aufgrund der steigenden Temperaturen und des wachsenden Risikos von Dürren und Überschwemmungen stärker gefährdet als je zuvor. Von Orangen in Brasilien bis hin zu Grundnahrungsmitteln wie Sojabohnen, Reis und Kartoffeln – der Klimawandel schmälert die Erträge, und es droht eine anhaltende jährliche Nahrungsmittelinflation von über 3 Prozent. Anfang des Jahres erreichte der Marktpreis für Kakao nach der Trockenheit in Westafrika ein Rekordhoch. Ausserdem drohen bis 2050 mehr als 50 Prozent der für den Kaffeeanbau geeigneten Flächen verloren zu gehen.
Der Autor
Michael Urban, Chief Sustainability Strategist bei der Banque Lombard Odier
Der Gesamtwert der Märkte für Tee, Kaffee, Kakao, Reis und Sojabohnen liegt bei 1,2 Billionen Dollar. Anlegerinnen und Anleger müssen wegen der enormen Grösse der einzelnen Sektoren für Nahrungsmittelrohstoffe mit massiven Veränderungen der Finanzströme rechnen. Grund dafür ist die Umstellung vom konventionellen Monokulturanbau auf klimaresistentere naturbasierte Modelle.
Der Mensch hat ein System geschaffen, in dem er einen Grossteil der Produktion einfach der Natur, den Wäldern entnommen hat. Unser Vorschlag ist, die Natur wieder in die Produktionssysteme zurückzubringen, damit diese sich besser an den Klimawandel anpassen können. Einige der grössten Nahrungsmittelhersteller der Welt vollziehen den Wandel bereits. So hat etwa Nestlé sich verpflichtet, bis 2030 50 Prozent seiner wichtigsten Inhaltsstoffe aus regenerativer Landwirtschaft zu beziehen. Ziele wie diese bilden die Grundlage für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion.
Die Natur als Anlageklasse
Investitionen in naturbasierte Sachwerte könnten sich schon bald auszahlen. In Ghana zum Beispiel pflanzen Kakaobauern seit 2019 mit Unterstützung der Regierung schattenspendende Bäume auf ertragsschwachen Kakaoplantagen. Auf diese Weise wandeln sie Monokulturen in Agroforste um und wirken der Entwaldung entgegen. Durch die Anpflanzung der Bäume wurden die Böden wieder angereichert, und der Schatten, den die Bäume spenden, bietet günstige Bedingungen für bestäubende Insekten. Dadurch sind die Ernteerträge um 50 Prozent gestiegen.
Den Kakaobäuerinnen bieten die angepflanzten Bäume einen dreifachen Nutzen: Neben den höheren Erträgen können sie ihren Kakao nun mit einem Aufschlag verkaufen – an Kunden, die sich verpflichtet haben, in ihrer Lieferkette keine Entwaldung zuzulassen. Zusätzlich erhöht sich das Einkommen der Landwirte durch Zahlungen von der «Forest Carbon Partnership Facility» (FCPF) – der Wald-Kohlenstoff-Partnerschaftsfazilität der Weltbank. Dabei handelt es sich im Prinzip um CO₂-Gutschriften für die Umwandlung geschädigter Landschaften in Nettokohlenstoffsenken.
Investitionen in die Natur
Den Anlegerinnen und Anlegern eröffnen diese Entwicklungen Chancen, in die Natur, die am stärksten unterbewertete Anlageklasse, zu investieren. Auf diese Weise entwickeln sich unterbewertete, degradierte Landschaften zu gefragten Zielen für Investitionen in Sachwerte. Mit diesen Investitionen wird der Umbau entwaldeter Regionen zu einer produktiven Agroforstwirtschaft finanziert, bei der zwischen und unter einer natürlichen Walddecke Nutzpflanzen angebaut werden. Zudem fliessen Gelder in die Umwandlung industrieller Monokulturen in artenreiche, regenerative Landwirtschaftsbetriebe. Sobald die natürlichen Lebensräume wiederhergestellt sind, werden die Böden wieder Kohlenstoff absorbieren.
Die Natur ist wie erwähnt die aktuell am stärksten unterbewertete Anlageklasse. Die Nachfrage nach regenerativen Rohstoffen dürfte zur grössten Neubewertung des Jahrhunderts führen. Nachhaltiges Investieren ist heute unerlässlich, um das Klimarisiko eines Portfolios zu verringern und langfristige Renditen zu erwirtschaften. Die Fokussierung auf die Natur bietet Anlegenden die Chance, eine nachhaltige Performance zu erzielen: Ziel ist, die Marktrendite zu übertreffen und gleichzeitig zum Übergang zu einer naturverträglichen Netto-null-Wirtschaft beizutragen.