Sie haben sich vor bald 15 Jahren dem Thema Pflanzenkohle verschrieben. Weshalb?
Pflanzenkohle dient mit ihrer porösen Struktur als ideales Speichermedium und hat zudem ein riesiges Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel.
Inwiefern?
Pflanzenkohle bleibt als Feststoff über Jahrhunderte dauerhaft stabil und kann so das vor der Verkohlung im Holz aus der Atmosphäre fixierte CO2 sicher und langfristig speichern. Das hat auch der Weltklimarat erkannt und empfiehlt seit 2019 unter anderem die Kohlenstoffspeicherung durch Pflanzenkohle.
Welche weiteren Vorteile gibt es?
Bereits vor 4500 Jahren erkannten die indigenen Völker Südamerikas die ökologische Bedeutung der «Terra preta», der «schwarzen Erde». Die Kohle kann durch die poröse Struktur nicht nur CO2, sondern auch Wasser und Nährstoffe speichern. Das ist vor allem für die Landwirtschaft interessant, aber auch fürs Baugewerbe.
Welchen Nutzen bringt sie der Landwirtschaft?
Im Boden ausgebracht, verbessert Pflanzenkohle nachweislich und langfristig die Bodenfruchtbarkeit – bei gleichzeitig reduziertem Einsatz mineralischen Düngers. Ausserdem kann sie als Futterzusatz für Wiederkäuer genutzt werden, um die Tiergesundheit zu stärken. Nicht zuletzt reduziert die Pflanzenkohle als Stalleinstreu oder Güllezusatz Ammoniak- und Lachgasemissionen – beides potente Treibhausgase – und reduziert so unangenehme Gerüche.
Welche Rolle spielt Pflanzenkohle im Baugewerbe?
Sie kann als Filtermaterial in Kläranlagen oder als Zusatzstoff in der Bauindustrie verwendet werden. Im Beton, Putz oder Asphalt beigemischt, kann die Kohle den Wasserhaushalt regulieren, die Dämmeigenschaften verbessern und als CO2-Senke dienen.
Mit der Pyrolyseheizung von Pyronet wird Holz in wertvolle Pflanzenkohle verwandelt. Wie funktioniert das?
Unsere Heizung basiert auf dem Prinzip der oxidativen Pyrolyse. Hierbei wird das Holz nicht wie bei üblichen Holzfeuerungen in kurzer Zeit zu Asche verbrannt, sondern unter stark reduzierter Sauerstoffbeigabe bei Temperaturen von 400 bis 700 Grad aufgespaltet.
In welche Bestandteile?
Einerseits entsteht Gas, das anschliessend zur Wärmeerzeugung verbrannt wird, und anderseits wertvolle Pflanzenkohle.
Wo liegt die Herausforderung dieser Technik?
Die Schwierigkeit besteht darin, die entstehende Kohle kontinuierlich herauszufördern, zeitnah abzukühlen und zu befeuchten, weil heisse Kohle sich sofort wieder entzünden würde.
Grosse industrielle Pyrolyseanlagen gibt es schon seit längerem. Worin liegt die Innovation von Pyronet?
Bei grossen Kohleproduktionsanlagen ist es oft schwierig, die Abwärme zu nutzen. Wir sind in Europa die Ersten, die eine kleinere Anlage für den Hausgebrauch anbieten.
Wer zählt zu eurer Zielgruppe?
Vorerst kommt unser Produkt, die «Pyrofarm», vor allem in der Landwirtschaft zum Einsatz. Hier gibt es meist drei bis vier Häuser zum Beheizen, dazu kommt oft noch eine Heutrocknung. In der Milchwirtschaft braucht es Wärme für das Heisswasser. Gleichzeitig haben Landwirte und Landwirtinnen grossen Eigenbedarf an Pflanzenkohle für die Tierfütterung und die Bodenverbesserung und können Holz aus dem eigenen Wald nutzen.
Was ist mit Wohn- und Gewerbebauten?
Bei Einfamilienhäusern funktioniert die Lösung nicht, denn bei so kleinen Anlagen wäre die Grundinvestition höher als bei einer Gasheizung. Der Einbau lohnt sich ab vier Einfamilienhäusern oder zwei Mehrfamilienhäusern – ab 750 Quadratmeter Wohnfläche aufwärts. Auch in Gewerbebetrieben und Bürogebäuden würde die Lösung funktionieren.
Im Bereich Klimakompensation dürfte eure Technologie sehr interessant sein.
Das ist so, denn Pflanzenkohle hat als einzige «Negative Emission Technology» (NET) eine positive Energiebilanz und erzeugt nebst der CO2-Speicherung zusätzliche ökologische und wirtschaftliche Benefits. Mit unserer Technologie ist es erstmals möglich, nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimapositiv zu heizen – ein wichtiger Beitrag zu Netto-null.
Lässt sich damit auch der Klimaschutz finanzieren?
Durch unser Produkt schaffen wir die Möglichkeit, sehr wertvolle CO2-Zertifikate zu generieren. Wir arbeiten mit einer Partnerfirma, die uns die Zertifikate ausstellt. Die Aufwendungen für die Zertifizierung sind jedoch relativ hoch. Je kleiner eine Anlage, desto teurer. Hier müssen neue Methoden entwickelt werden, um kleinere Anlagen preiseffizienter zertifizieren zu können.
In welche Richtung soll sich Pyronet in den kommenden fünf bis zehn Jahren bewegen?
Ein grosses Ziel ist die Skalierung der Anlagenproduktion, um das Potenzial von Holz voll auszuschöpfen und damit unserer Vision «Wo ein Feuer brennt, soll Kohle entstehen»
näherzukommen. Die Serienproduktion muss kosteneffizienter werden, um die Wettbewerbsfähigkeit weiter zu verbessern. Parallel dazu muss die Logistik von Holz und Kohle optimiert werden, um weitere Kosten einzusparen.
Welche finanziellen Hürden gilt es zu nehmen?
Wir befinden uns im schwierigen Übergang von einer fertig entwickelten und behördlich zugelassenen Technologie, welche sich auch in der Praxis schon einige Jahre bewährt hat, zum grossflächigen Markteintritt mit einem Serienprodukt. Dieser Übergang ist sehr kostenintensiv und benötigt Vorinvestitionen. Deshalb suchen wir im Moment finanzielle Mittel – je grösser die Mittel, desto schneller das Wachstum.
Zu Ihrer Klientel gehören im Moment ausschliesslich Private, die auf eigenes Risiko eine Anlage bestellen. Wenn selbst der Weltklimarat Pflanzenkohle empfiehlt: Weshalb ist man mit öffentlichen Fördergeldern noch so zurückhaltend?
Der Markt ist noch nicht voll entwickelt; gerade deshalb wären Fördergelder temporär noch nötig. Ein Landwirt bekommt Flächenbeiträge, wenn er produziert. Er wird nicht dafür honoriert, wenn er den Humusgehalt und die Qualität des Bodens aufbaut. Doch bin ich überzeugt, dass sich dies ändern wird, denn die Schweizer Landwirtschaft verantwortet satte 14 Prozent der Treibhausgasemissionen. In ein paar Jahren wird es einen klar definierten Pflanzenkohlemarkt geben mit kalkulierbaren Preisen. Die Photovoltaik war auch bereits in den 1980er Jahren ausgereift, hatte aber erst im vergangenen Jahrzehnt ihren Marktdurchbruch. Heute ist sie weltweit auf dem Vormarsch und ist auch ohne Fördermittel absolut konkurrenzfähig.
Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?
Die Pyrolysetechnik wird in anderen Ländern mehr gepusht. In den USA beispielsweise wird Pflanzenkohle auf den riesigen Landwirtschaftsbetrieben in Gebieten mit durchschnittlich schlechteren Böden als in der Schweiz schon viel intensiver eingesetzt. In der Schweiz ist man eher zurückhaltend.
Weshalb?
Man kennt das Naturprodukt Pflanzenkohle offenbar zu wenig und befürchtet, dass sie Schäden im Boden verursachen könnte. Diese Bedenken können bei Einhaltung der gesetzlichen Qualitätsvorschriften vollständig ausgeräumt werden. Vor allem Bodenschützer sind skeptisch und nennen häufig Pflanzenkohle und Klärschlamm in einem Atemzug – als ob man Äpfel mit Nüssen vergleichen könnte. Tatsächlich sind die Schweizer Böden fruchtbarer als die tropischen Böden, und somit ist der Effekt der Pflanzenkohle hier geringer. Dem unbestrittenen Humus-Abwärtstrend wird hierzulande jedoch noch kaum etwas entgegengesetzt, und da könnte Pflanzenkohle sehr hilfreich sein.
Sind Gärtnereien dankbare Abnehmer für Pflanzenkohle?
Durchaus. In Stockholm hat ein Projekt Furore gemacht, jetzt wird es bei uns kopiert. Mittlerweile gehört der Einsatz von Pflanzenkohle in Stadtbaumsubstraten zum guten Ton von Stadtgärtnereien. In diesen stark bedrängten Substraten (Trockenstress, Wintersalz, Verdichtung) kann Pflanzenkohle sehr gute Dienste leisten.