Nachhaltig gebaute und betriebene Liegenschaften weisen einen höheren Marktwert auf als ansonsten identische Objekte, welche die Anforderungen an die Nachhaltigkeit nur teilweise oder gar nicht erfüllen – so lautete das Fazit einer Kosten-Ertrag-Analyse des Zürcher Immobilienberatungsunternehmens Wüest Partner.
Den Kosten für nachhaltige Gebäudetechnik und für eine zusätzliche Dämmung stehen potenziell höhere Mieterträge gegenüber. Gerade bei Geschäftsliegenschaften stellen die Experten eine höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Flächen fest. Und bei Mehrfamilienhäusern, die beispielsweise mit einer Wärmepumpe beheizt werden, sind in der Regel die Nebenkosten tiefer. Damit können die Eigentümer höhere Nettomieten veranschlagen.
Preisunterschied von 4 Prozent
Bei der Gesamtbetrachtung auf der Basis der abdiskontierten Cashflows, welche die Experten von Wüest Partner mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (Bafu) vorgenommen hatten, zeigt sich eine Preisdifferenz von 4 Prozent zwischen nachhaltig und nicht nachhaltig beheizten Mehrfamilienhäusern. Auch für die Mieter kann das angenehm sein. Denn oft sinken die Nebenkosten stärker, als die Nettomieten aufschlagen, so das Fazit.
Damit verändert sich auch das Gesamtbild bei der Berechnung des Wertes von Immobilien. Die Nachhaltigkeit wird zu einem weiteren wichtigen Faktor neben der Lage: «Die Lage wird auch in Zukunft der wichtigste Faktor bei der Preisgestaltung von Immobilien bleiben», sagt Marco Funk, Experte beim Zürcher Immobilienberatungsunternehmen IAZI. «Der Faktor Energie beziehungsweise Nachhaltigkeit wird aber auch an Relevanz gewinnen.»
Gegenwärtig werde die Nachhaltigkeit indirekt über Faktoren wie Gebäudezustand und Bauqualität, aber auch über die Lage eingepreist. «Künftig werden Faktoren wie Energieeffizienz, CO2-Emissionen und in noch etwas fernerer Zukunft auch graue Energie relevanter werden», erwartet Funk. «Davon sind generell ältere Liegenschaften betroffen, denn die heutigen stehen bereits unter dem Regime von strengeren Vorschriften. Die Liegenschaften sollten regelmässig saniert werden», rät Funk. «Sonst laufen sie Gefahr zu ‹Stranded Assets› zu werden.»
Die Kosten für die gestiegenen Energiepreise würden vor allem die Mieter tragen, da diese Kosten via Nebenkostenabrechnung auf die Mieter überwälzt werden. «Bei einer Wohnungsnot dürfte dieser Faktor in naher Zukunft noch keinen grossen Einfluss haben, da Menschen derzeit froh sind, wenn sie überhaupt einmal eine Wohnung finden», sagt Funk. «In einem ausgeglichenen Markt stärkt der Faktor Nachhaltigkeit die Wiedervermietbarkeit einer Wohnung.»
Die Überwälzungsmöglichkeit könnte die energetischen Renovationen deutlich fördern. «Hier könnte die Betrachtung weg von der Netto- hin zur Bruttomiete sinnvoll sein», meint Funk. «So kann ein Mieter einer Erhöhung der Nettomiete zustimmen, wenn dafür die Nebenkosten um mindestens diesen Betrag sinken. Dies wäre eine Win-win-Situation.» Die Eigentümerinnen und Eigentümer können einen Teil der Kosten über die höheren Nettomieten einnehmen, die Mieterinnen und Mieter profitieren von tieferen Nebenkosten. «Idealerweise haben sie sogar günstigere Bruttomieten und es wird weniger CO2 emittiert», so Funk. «Hier braucht es allerdings einen Dialog zwischen Mieter und Eigentümerschaft, was auf dem Papier einfacher ist als in der Realität.»
Aus Sicht von Immobiliengesellschaften seien Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ein wichtiges Werkzeug, um die Nachhaltigkeitsbilanz zu verbessern. «Hierbei gilt es aber, die gesamten Auswirkungen der jeweiligen Massnahmen zu bilanzieren», sagt Funk. «So ist beispielsweise bei einem Ersatzneubau auch die Energie, welche bei Produktion und Transport der Baustoffe anfällt, zu berücksichtigen. Diese sogenannte graue Energie macht bei Neubauten einen wesentlichen Anteil – bis zu 25 Prozent – der gesamten Energie aus, die über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie anfällt.»