Man kann Facebook hassen oder lieben – aber das, was der US-Tech-Riese angekündigt hat, ist bedeutend: Noch diese Woche soll in den USA ein Bezahlsystem namens Facebook Pay lanciert werden. Andere Länder sollen bald darauf folgen. Weltweit.
Nun ist Facebook nicht der Erste, der in das Geschäft mit digitalen Zahlungen einsteigt. Google, Apple und Samsung bieten alle virtuelle Brieftaschen für Kreditkarten an, die das Zahlen im Internet und an der Ladenkasse erleichtern sollen. Nur unterscheidet sich Facebook in einem Punkt von diesen Anbietern: Die Freundschaftsbeziehungen. Facebook lebt vom Netzwerk seiner Kunden.
Was das heisst, macht Wechat in China vor. Dort ist eine virtuelle Welt entstanden, die Handelsplatz, Kommunikationsmittel und Finanzdienstleistungen vereint. Kaum etwas wird in China nicht über Wechat abgewickelt, denn die Kombination aus sozialer und finanzieller Integration ist unschlagbar. Es braucht wenig Fantasie, sich vorzustellen, wo sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg für seine Zukunftsvisionen hat inspirieren lassen.
Und Facebook ist noch eine gute Portion grösser. Zusammen mit Instagram und dem Messenger Whatsapp umspannt Facebook fast die ganze Welt. Alleine die blaue Mutterplattform Facebook hat 2,5 Milliarden Nutzer. In der Schweiz sind es 3,5 Millionen. Mit den geschätzt 6,5 Millionen Whatsapp-Nutzern dürfte fast jeder Schweizer zumindest theoretisch an Facebook Pay angeschlossen sein, wenn dieses dereinst auch hierzulande startet. Eine bessere Ausgangslage gibt es nicht.
Facebook Pay ermöglicht Zahlungen von Tägerwilen bis Teheran
Anders als Google, Samsung und Apple will Facebook auch zum Zahlungsabwickler unter den Nutzern werden. Einfacher noch als bei der Schweizer Bezahl-App Twint sollen sich diese mit wenigen Klicks gegenseitig Geld überweisen können. Und das weltweit. Ob das Geld nach Tägerwilen geht oder nach Teheran, soll dann keine Rolle mehr spielen. Das ist für Banken schwer zu toppen.
Geht der Plan auf, werden Retailbanken, die heute unsere täglichen Zahlungen abwickeln, zunehmend in die Rolle einfacher Systembetreiber gedrängt. Die Konten laufen dann vielleicht noch über sie, doch davon merken die Kunden nicht mehr viel, wenn sie mit Facebook bezahlen und das Geld vom Kollegen über Facebook überwiesen bekommen. Die Banken verlieren zunehmend den Kontakt zu ihren Kunden. Und wer den Kontakt verliert, verliert auch die Basis für lukrative Zusatzgeschäfte.
Kommt Libra zum Fliegen, braucht Facebook gar keine Banken mehr
Die eigene Kryptowährung Libra, mit der Facebook bisher nicht so recht vom Fleck kommt, ist nur noch ein weiterer Puzzlestein auf dem Weg in eine Welt, in der alles von Facebook kontrolliert wird. Kommt Libra zum Fliegen, braucht es für das Geschäft in der blauen Welt gar keine Banken mehr. Denn wer die Plattform betreibt, Zahlungen abwickelt und gleich noch das Geld selber druckt, kontrolliert alles. Und das ist dann richtig mächtig.
Zwar ist WhatsApp der grösste Messenger der Welt. Doch jetzt soll endlich Geld damit verdient werden. Das soll von London aus geschehen. Mehr dazu hier.