Kennen Sie die «3-6-3»-Prämisse im Asset Liability Management der Banken? Einlagen mit 3% verzinsen, Kredite für 6% ausleihen und spätestens ab 3 Uhr die Sonne auf dem Golfplatz geniessen. Das waren die guten alten Zeiten.

Eine allgemeine Regel besagt, dass die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einer jeden Unternehmung, sei es eines Unternehmens oder einer Privatperson, eine Funktion ihrer Ziele und Kernaktivitäten sind. Nur in ganz seltenen und speziellen Fällen (etwa bei spezialisierten Hedge Funds oder der Handelsabteilung in einer Bank) werden Aktiven und Passiven geschaffen, um aus einem Missverhältnis der beiden Kapital zu schlagen. Der Asset Liability Manager sieht sich daher im Allgemeinen mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Einerseits misst und bestimmt er die Struktur der Aktiven und Passiven, die ihm über das Kerngeschäft übertragen werden. Anderseits prognostiziert er Veränderungen am Markt, die sich möglicherweise nachteilig auf den Wert dieser Kapitalanlagen und Verbindlichkeiten auswirken. Er vollbringt einen Balanceakt zwischen diesen beiden Aufgaben, indem er Instrumente und Strategien identifiziert, mit denen die Risiken auf ein Minimum beschränkt werden und das Gewinnpotenzial gänzlich ausgeschöpft wird. Anders ausgedrückt: Der ALM-Prozess besteht aus wiederholten Zyklen der Diagnose (Was habe ich?), der Prognose (Was könnte als Nächstes passieren?) und des Lösungsansatzes (Was werde ich tun?).

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Einfluss der Geopolitik

Die Entwicklungen, die in den letzten Jahren in der Geopolitik, auf den Finanzmärkten und in der Unternehmensbilanzierung, -berichterstattung und -offenlegung stattgefunden haben, bestimmen die Gestalt der Herausforderungen über den gesamten ALM-Zyklus hinweg. Vor allem die Finanzunternehmen müssen sich diesen Veränderungen stellen, denn bei ihnen gehört das Asset Liability Management zum Kerngeschäft.

Ausgefeiltere Finanztools

Die zunehmende zwischenstaatliche Vernetzung der internationalen Volkswirtschaften verändert die Art und Weise, wie die Märkte auf Veränderungen in einem bestimmten Land oder in der Politik einer bestimmten Zentralbank reagieren. Genau auf diesen Grund ist unter anderem auch das von Notenbankchef Alan Greenspan zitierte Rätsel der steigenden kurzfristigen Zinssätze und der konstanten bzw. fallenden langfristigen Renditen zurückzuführen. Denn China und andere asiatische Volkswirtschaften reinvestieren ihre im Exportgeschäft erwirtschafteten Erträge in US-Staatsanleihen. Die Deutung der Renditekurve (also die Renditeunterschiede zwischen Kurz- und Langfristzinsen) fällt daher umso schwerer. Das Management des Zinsrisikos kreist aber genau um diese Renditekurve.

Aufgrund der Vielfalt der Finanzprodukte, die einer zunehmend komplexeren Kundenbasis angeboten werden, musste sich auch die Bilanzanalyse zwangsläufig zu einer weitaus komplexeren Wissenschaft entwickeln. Die Entwicklung immer fortschrittlicher und verfeinerter Modelle wurde schlichtweg deshalb notwendig, weil diese vielfältigen Produkte, die oftmals auch Optionen einschliessen, die der Kunde nach eigenem Gutdünken ausüben kann, auf ihre Zinssensitivität überprüft werden müssen. In der Mehrzahl der Fälle wird diese Aufgabe noch dadurch erschwert, dass sich die Produkte je nach steigenden oder fallenden Zinsen unterschiedlich entwickeln. Dieses Verhalten ist auch als Konvexität bekannt. Ein Vermögenswert mit Konvexität zeichnet sich bei fallenden Zinsen durch eine höhere Zinssensitivität aus. Das Platzen der Technologieblase um die Jahrhundertwende hat uns das Missverhältnis zwischen Aktiven und Passiven und seinen schwerwiegenden Konsequenzen deutlich vor Augen geführt. Während sich eine längere Phase der Bilanzsanierung anschloss, wurden die Diagnoseverfahren für Zinssensitivitäten und Durationsmodelle weiterentwickelt.

Die Finanzingenieure reagierten auf diese Ansprüche, indem sie immer ausgefeiltere Finanzinstrumente entwickelten, um die Zinssensitivität der Aktiven mit dem Zinsrisiko der Passiven abzustimmen (bzw. absichtlich zu verzerren). Die im Rahmen des Zinsmanagements angebotenen derivativen und strukturierten Instrumente, die in allen nur denkbaren Variationen und Nuancen angeboten werden, haben in ihrer Vielfalt neue Dimensionen erreicht.

Auch die Aufsichtsbehörden verschlossen vor diesen Entwicklungen nicht die Augen: Sie konzentrierten sich in erster Linie auf die Ausweisung des Zinsrisikos bei den Banken und fordern seit 1999 eine regelmässige Modellierung, Messung und Ausweisung von bilanziellen und bilanzneutralen Risiken. Die Aufsichtsbehörden im Versicherungssektor überprüfen zurzeit die Solvabilitätsvorschriften, um eine Abstimmung von Aktiven und Passiven stärker zu berücksichtigen.

Auf einen Faktor wird sich insbesondere Europa jedoch im Rahmen des Zinsmanagements und der Zinsprognosen gänzlich neu einstellen müssen: Zahlreiche europäische Finanzinstitute werden in diesem Zinszyklus, wann und wie immer dieser auch einsetzt, ihre Bücher zum ersten Mal gemäss den neuen IFRS-Rechnungslegungsstandards führen. Diese Vorschriften setzen in ihrer aktuellen Version der Verwendung von Instrumenten und Strategien, die von einer Gesellschaft als Absicherungsinstrument für zugrunde liegende Zinsrisiken definiert werden dürfen, enge Grenzen. Selbstverständlich steht es jedem Unternehmen nach wie vor frei, diejenigen derivativen oder strukturierten Instrumente einzusetzen, die es für geeignet hält. Die meisten dieser Strategien kommen jedoch für eine Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen («Hedge Accounting») nicht in Frage und müssen zum Fair Value erfolgswirksam erfasst werden. In der Folge erhöht sich die Volatilität der Erträge. Mit anderen Worten: Ein Derivat, das zur Absicherung einer Verbindlichkeit dient, wird kontinuierlich einer Neubewertung unterzogen, wobei allfällige Wertveränderungen in Gewinnen bzw. Verlusten resultieren. Die Verbindlichkeit selbst dagegen wird nicht neu bewertet.

Höhere Ertragsvolatilität

Dies führt zu ausgewiesenen Gewinnen und Verlusten und einer grösseren Schwankungsfreudigkeit der Erträge. Da die Anleger auf Ertragsvolatilität in der Regel mit der Herabstufung der entsprechenden Aktien reagieren, stehen Banken und Finanzinstitutionen (neben anderen Organisationen) vor einer schwierigen Frage. Entweder ziehen sie die nach IFRS ausgewiesenen Gewinne heran oder sie entscheiden sich für das Zinsmanagement im Sinne der Verwaltung der wirtschaftlichen Konsequenzen, wie sie vom Unternehmen tatsächlich empfunden werden. Einige Unternehmen wählen (wie in der Vergangenheit) die Option, dem Zinsrisiko freien Lauf zu lassen, wodurch sie Zinsanstiegen stärker ausgesetzt sind. Der Verlauf des Zinszyklus selbst könnte deshalb ganz entscheidend davon abhängen, wie die Asset Liability Manager mit dieser Herausforderung umgehen. Das Ergebnis scheint paradox: Die neuen Rechnungslegungsvorschriften könnten einen der wichtigsten Impulse des Wirtschaftszyklus beeinflussen.

Eftychia Fischer, Global Head of Trading & Treasury, EFG Bank, Zürich.