Inwiefern wird die Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Wirtschaftsprüfer ausgebaut und angepasst?

Thomas Huwyler: Bei der Treuhand-Kammer und den einzelnen Wirtschaftsprüfungsunternehmen wird die Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer laufend dem sich ändernden Umfeld und den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Dabei werden auch die Hochschulen mit einbezogen, da diese bei der Grundausbildung künftiger Wirtschaftsprüfer eine wichtige Rolle spielen. Die von der Kammer getragene Schweizerische Akademie für Wirtschaftsprüfung hat beipielsweise kürzlich wichtige Anpassungen ihres Lehrplans vorgenommen. Diese werden mit dem neuen Lehrgang ab April umgesetzt und wurden nicht zuletzt im Hinblick auf die Reform der Hochschulbildung nach dem Bologna-Modell eingeführt. Künftig besteht der Experten-Lehrgang aus fünf statt sieben Modulen. Es entfallen die Module Strategie/Organisation, das nicht ins Bild eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers passt, und Informationstechnologie, das ohnehin Teil der modernen Ausbildung zum Prüfer ist. Der Schulstoff dieser beiden Module wird innerhalb anderer Module angemessen berücksichtigt. Dafür wird zunehmend auf die Kernkompetenzen Wirtschaftsprüfung, Finanzielles Rechnungswesen, Controlling und Management Accounting fokussiert.

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Oft hört man den Vorwurf, die Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer dauere in der Schweiz zu lang, etwa im Vergleich zu den USA oder zu Grossbritannien. Ist etwas dran?

Huwyler: Erstens ist die Zeit, die man hier zu Lande bis zum Diplomerwerb braucht, kürzer geworden. Früher waren die meisten Neudiplomierten über 30, heute liegt das Durchschnittsalter eher bei 28 bis 29. Zweitens muss man bedenken, dass etwa die Ausbildung zum CPA in den USA eine theoretische ist, also noch vor der Praxis erfolgt. Die Lizenz zum CPA erhält der Prüfer in den USA erst nach einer Anzahl Praxisjahre. Dagegen verläuft die Ausbildung in der Schweiz berufsbegleitend. So teilen angehende Prüfer und Prüferinnen ihre Zeit zwischen Betrieb und Schule auf. Es folgen die verschiedenen Modulprüfungen, die einzeln bestanden werden müssen, und nach drei Jahren Praxis die eigentliche Diplomprüfung. Der Altersunterschied eines neu lizenzierten US-CPA und eines neu diplomierten Schweizer Wirtschaftsprüfers dürfte nur gering sein.

Früher wurde die hohe Durchfallquote bei der Diplomprüfung für Wirtschaftsprüfer oft bemängelt. Trifft das noch zu?

Huwyler: Die Durchfallquote bei der Diplomprüfung ist massiv zurückgegangen. In den letzten zwei Jahren betrug sie nur noch rund 13 bis 14%. Allerdings bilden für einen Teil der Kandidaten die Modulprüfungen die hohe Hürde, und sie werden nicht auf Anhieb zur Diplomprüfung zugelassen. Ein Vergleich mit der Durchfallquote früherer Jahre ist deshalb nicht aussagekräftig, da das System grundlegend geändert wurde. Das bessere Abschneiden bei der Diplomprüfung bedeutet also keinesfalls, dass diese einfacher geworden ist.

Bringen Hochschulabsolventen und andere Berufsneulinge die nötigen Voraussetzungen mit?

Huwyler: Das Niveau der eintretenden Hochschul- und Fachhochschulabsolventen ist sehr hoch. Die wenigsten unter ihnen haben jedoch mit der Revision zu tun gehabt, bringen aber den nötigen Rucksack mit, um sich die spezifischen Fachkenntnisse anzueignen.

Wie steht es mit den Beziehungen zwischen den Hochschulen und der Branche?

Huwyler: Sie sind sehr eng. Vertreter von Hochschulen sind beispielsweise in Gremien der Kammer und der Akademie vertreten und andererseits unterhalten beispielsweise grosse Prüfunternehmen Lehrstühle an Hochschulen und halten Vorlesungen an Hochschulen und Fachhochschulen. Von dieser engen Zusammenarbeit profitieren beide Seiten.

Wie sieht die hauseigene Aus- und Weiterbildung der Prüfunternehmen aus?

Huwyler: Ernst & Young investiert jährlich 10% des Umsatzes in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Nebst der externen Ausbildung hat die interne Weiterbildung einen wichtigen Stellenwert zum grössten Teil erfolgt sie online am PC, wichtig bleibt jedoch das klassische «Classroom Training». Dabei werden aktuelle Fachthemen behandelt, welche die tägliche Arbeit des Prüfers auf allen Stufen tangieren. Die interne Aus- und Weiterbildung steht jedoch nicht nur im Zeichen der Fachausbildung, auch «Soft skills» wie Führungsschulung, Kommunikationstechniken oder Themen des Project Management werden behandelt. Es werden ferner Informationsveranstaltungen und Schulungen über aktuelle Themen für Kunden und Nichtkunden gehalten.

Auf welchen Gebieten muss die Weiterbildung erweitert, ergänzt oder angepasst werden?

Huwyler: Überall dort, wo wir betriebs- und branchenrelevante Entwicklungen erkennen, werden diese rechtzeitig in unsere Aus- und Weiterbildung integriert, ob es sich um die neuen IFRS- oder Swiss-GAAP-FER-Rechnungslegungsstandards, das breite Feld der Corporate Governance oder andere handelt. So haben wir uns beispielsweise schon seit langer Zeit mit der bevorstehenden Umstellung der Rechnungslegung börsenkotierter Unternehmen auf IFRS auseinander gesetzt. In diesem Bereich war die Schweiz anderen europäischen Ländern massiv voraus. Wegen der Anwesenheit so vieler grosser, global tätiger Unternehmen haben wir uns ja sehr früh damit befassen müssen.

Wie reagieren Kammer und Prüf-unternehmen auf die ständig wachsenden Anforderungen, besonders bezüglich der vielen regulatorischen Änderungen?

Huwyler: Einerseits durch die bereits erwähnten Anpassungen in der Aus- und Weiterbildung, andererseits durch eine laufende Anpassung der internen Vorschriften an neue Entwicklungen. Unsere Professional Practice, die unseren Prüfern und Beratern Fachwissen in konzentrierter Form vermittelt, ist in den letzten Jahren dem Umfeld entsprechend ausgebaut worden.

Konzentriert sich die Weiterbildung angesichts der wachsenden Spezialisierung zunehmend auf einzelne Fachbereiche oder sollen Prüfer auf allen Gebieten einsetzbar sein?

Huwyler: Die Entwicklung ist ganz klar. Die Zeiten, als Prüfer alles machen sollten und konnten, sind längst vorbei. Das hat Folgen für die Ausbildung. Bis zu einem gewissen Grad können die Unternehmen und die Akademie eine sehr breite Schulung bieten. Dann aber kommt die Spezialisierung. Diese kann eine branchenmässige sein ein Bankenprüfer braucht natürlich ganz andere Kenntnisse als einer, der sich mit Industrieunternehmen befasst oder aber eine technische, wie beispielsweise eine Spezialisierung in einer Rechnungslegungs-Norm. Solche Spezialausbildungen werden mehrheitlich intern unter Einbezug des weltweiten Ernst & Young-Wissens-Netzwerks durchgeführt. Auf jeden Fall steht die Prüfungsarbeit zunehmend im Zeichen des interdisziplinären Teams, dem beispielsweise ein Informatik-Prüfer, ein Steuerspezialist, ein Jurist und ein Rechnungslegungsexperte angehören könnten.

Drängt sich für Prüfer in einem international tätigen Prüfunternehmen ein ausländischer «Lernaufenthalt» auf?

Huwyler: Nicht zwingend, ein Auslandsaufenthalt ist aber absolut empfehlenswert. Wir setzen uns sehr dafür ein. Die einzelnen Mitarbeitenden profitieren sehr davon, sich in eine andere Kultur und eine andere Sprache zu vertiefen, sich auf internationaler Ebene durchzusetzen und nebenbei auch ein persönliches Netzwerk aufzubauen. Das ist besonders für die Schweiz mit ihren vielen global tätigen Prüfkunden wichtig.

Interview: John Wicks

Profil

Steckbrief

Name: Thomas Huwyler

Geboren: 10. November 1961

Zivilstand: Verheiratet, drei Kinder

Wohnort: Baar ZG

Ausbildung: Betriebsökonom HWV/eid. dipl. Wirtschaftsprüfer

Funktion: People Partner und GL-Mitglied, Ernst & Young AG, Zürich