Sie kommen in einer hübschen Schachtel und tragen auf der Vorderseite lediglich das Logo der Bank und das von Mastercard. Vor kurzem ersetzte das Zürcher Fintech Neon seine Maestro-Bancomatkarten durch neue Karten – und es wollte signalisieren: Ihr bekommt etwas Spezielles. Erreicht hat es etwas anderes: Verwirrung. Denn viele Kunden wussten erst nicht, was für eine Karte sie da er-hielten. War es eine Kreditkarte? Eine Debitkarte? Über Social Media musste das Startup Aufklärungsarbeit leisten.
Wie den Kunden von Neon geht es vielen Konsumenten, denn die Banken haben angefangen, neue Karten auszugeben. Es begann mit der Debitkarte V-Pay, die seit längerem von UBS und Raiffeisen als Alternative zu Maestro (einst EC-Direkt) angeboten wird. Die Freiburger Kantonalbank wiederum setzt auf eine Debit Mastercard als Maestro-Ersatz und bietet diese auch gleich als Kombikarte an, die sowohl Kredit- als auch Debitfunktion hat. Und dann gibt es noch die Prepaid-Karten. Kreditkarten, die erst geladen werden müssen, damit sie funktionieren.
Debitkarten
Debitkarten belasten die Einkäufe -direkt auf einem Bankkonto. Zu den Klassikern gehören die Postfinance-Card und Maestro (einst EC-Direkt) sowie seit einigen Jahren V-Pay aus dem Hause Visa. Die meisten Banken geben ihren Kunden eine solche Karte als Bancomatkarte. Neu dazu kommen Debit Mastercard und Visa Debit, die wie Kreditkarten aussehen.
Kreditkarten
Kreditkarten erlauben das Einkaufen auf Pump. Der Rechnung erhält der Kunde meist nach einem Monat. Kreditkarten gibt es unter anderem von Visa, Mastercard, American Express. Bei Prepaid-Kreditkarten muss der Kunde das Geld im Voraus auf ein Kartenkonto einzahlen. Sie geben zwar keinen Kredit, werden technisch aber wie Kreditkarten behandelt.
Und so entstand die Verwirrung bei Neon. Das Zürcher Fintech stellt seinen Kunden eine solche Prepaid-Kreditkarte aus, konfiguriert diese aber so, dass sie faktisch wie eine Debitkarte die Einkäufe direkt dem Konto belasten soll. Ähnlich macht es auch die britische Revolut, die mit ihrem Online-Konto in der Schweiz bereits mehr als 50 000 Kunden gewonnen hat.
Den Wechsel von Maestro zu Mastercard oder Visa begründen die Banken mit dem Kundennutzen: Die neuen Karten könnten auch im Internet eingesetzt werden, was mit Maestro und V-Pay aus technischen Gründen nicht möglich ist. Eine normale Kreditkarte werde damit überflüssig. Das tönt gut.
Im Flugzeug braucht es die Echten
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Erstens stimmt das Versprechen nicht ganz. Vor allem dann, wenn keine -Internetverbindung besteht, funktionieren die kreditlosen Kreditkarten nicht immer. Die Airline Easyjet etwa akzeptiert an Bord keine Karten von Revolut, da sie das Risiko einer geplatzten Zahlung nicht tragen will. Ähnliches gilt bei der Swiss. Zudem akzeptiere die Swiss keine Debit Mastercard für die Bezahlung von Flügen übers Internet. Probleme machen Prepaid- und Debitkarten oft auch beim Mieten von Autos.
Diese neuen Prepaid- und Debitkarten haben einen zweiten Nachteil und dieser ist dafür verantwortlich, dass die Banken sie so lieben: Sie sind teurer. Nicht unbedingt für die Karteninhaber, sondern für die Händler, die sie als Zahlungsmittel akzeptieren. Bei jedem Einkauf fliessen Kickbacks an die Banken und Kartengesellschaften, die aus den Gebühren finanziert werden, die die Händler bezahlen (sogenannte Interchange Fees).
Diese Kickbacks machen einen grossen Teil der Kosten aus: Die Standard-Interchange für Kreditkartenzahlungen im Schweizer Inland beträgt 0,4 Prozent. 21 Milliarden Franken haben Schweizer 2018 im stationären Handel mit Kreditkarten bezahlt. 0,4 Prozent davon wären mehr als 80 Millionen Franken. Doch Kickbacks gibt es nur bei den neuen Karten. Bei der weitverbreiteten Maestro hat die schweizerische Wettbewerbskommission (Weko) die Einführung stets verhindert. An ihr -verdienen die Banken nichts.
Und so verlieren die Banken die Lust auf Maestro und investieren nicht mehr in die Debitkarte. Ein Beispiel dafür ist die Einführung des kontaktlosen Bezahlens, das in der Schweiz inzwischen bei jeder zweiten Zahlung zur Anwendung kommt. Umgerüstet wurden zunächst jedoch nur Kreditkarten. Ende Februar 2019 konnten 96 Prozent aller Schweizer Kreditkarten kontaktlos eingesetzt werden. Bei den Debitkarten -jedoch waren es erst 72 Prozent.
UBS und Raiffeisen verschicken noch heute alle Maestro-Karten ohne Kontaktlosfunktion. Offizielle Begründung: Es gebe Kunden, die diese Funktion aus Sicherheitsgründen nicht wollten. Wer sie wünsche, könne ja eine entsprechend ausgerüstete V-Pay-Debitkarte bestellen. Kaum Zufall: Im Gegensatz zu Maestro erhalten die Banken bei V-Pay einen Kickback.
Für den Handel bedeutet die Abkehr von Maestro steigende Kosten. Coop bestätigt, dass man für Kredit-karten mehr bezahle als für Maestro. Zudem seien die unterschiedlichen Produkte von Mastercard (Debit, Prepaid) in der Akzeptanz nicht unterscheidbar, heisst es bei der Migros. Die Transaktionskosten würden immer zum teuren Kreditkartensatz abgerechnet.
Teuer zu stehen kommt den Handel zudem, dass die Schweiz nicht Mitglied der EU ist. Diese hat die Kickbacks auf 0,3 Prozent für Kreditkarten und 0,2 Prozent für Debitkarten gedeckelt. Europaweit. Zwar hat auch die Schweizer Weko die Branche gezwungen, die Gebühren auf das heutige -Niveau zu senken. Grenzüberschreitende Zahlungen hingegen sind nicht begrenzt und diese machen einen Viertel aller Kreditkartenzahlungen in der Schweiz aus. Auch die in Grossbritannien ausgestellten Revolut-Karten generieren die höhere Crossborder-Interchange – im Falle -einer Visa-Karte sind es 0,65 Prozent (siehe Beispiele).
Vor kurzem hat Visa die grenzüberschreitenden Kickbacks für die Schweiz sogar noch angehoben, weshalb sie nun von der Händlervereinigung VEZ bei der Weko angezeigt wurde. Der Zahlungsabwickler SIX Worldpay schätzt, dass die Preiserhöhung alleine bei den eigenen Kunden Mehrkosten von jährlich 8 Millionen Franken verursacht. Nützen tut das vor allem ausländischen Kartenanbietern wie Revolut. Für sie ist der Schweizer Markt -gerade deutlich attraktiver geworden.