Der Verwaltungsrat der Schweizerischen Bankiervereinigung wird voraussichtlich am 20. Juni den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin bestimmen. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach zum ersten Mal in der Geschichte des Verbands kein Privatbankier mehr sein.

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist ein Verband mit viel Tradition und Traditionen. Für einige bedeutet die anstehenden Präsidentenwahl jedoch das Ende. So hat die Bankiervereinigung zum ersten Mal in der 104-jährigen Verbandsgeschichte eine Findungskommission eingesetzt. Möglich ist auch, dass das Präsidentenamt nicht mehr weiter ein Ehrenamt bleiben wird. Eine Entschädigung für die zeitlich aufwändige Aufgabe wäre jedenfalls zeitgemäss.

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Weder Basler noch Genfer Privatbankier

Vor allem aber ist es fast sicher, dass die neue Präsidentin oder der neue Präsident weder ein Basler noch ein Genfer Privatbankier sein wird. «Die Chancen, dass mit dieser Tradition gebrochen wird, waren noch nie so gross», sagt dazu Historiker Robert U. Vogler, der für die SBVg zum 100 Jahre-Jubiläum die Verbandsgeschichte aufgearbeitet hat.

Gründe für die bisherige Tradition gibt es laut Vogler viele. So sei die Vorliebe für die seriös und verlässlich erscheinenden Privatbankiers wohl darauf zurückzuführen, dass sie als Aushängeschild der Branche taugten. Zudem sei es wohl auch so gewesen, dass nur diese die nötige Zeit für dieses Amt zur Verfügung hatten.

Chance für Inlandbanken

Mit der Einschränkung auf Privatbankiers ging auch die Verengung auf Basler und Genfer einher. Denn unter anderem wegen den zahlreichen Waren-Messen und den protestantischen Religionsflüchtlingen aus Italien und Frankreich haben sich gemäss Vogler in den zwei Grenzstädten viele Privatbanken angesiedelt. So zählte Basel im 18. Jahrhundert über zehn Privatbanken, während es in Zürich nur ganz wenige gab.

Die Blütezeit der Privatbanken ist jedoch längst vorbei. Während es 1780 noch 50 solcher Institute in der Schweiz gab, hat sich diese Zahl gemäss dem Bundesamt für Statistik bis 1990 auf 22 reduziert. Die neuste Erhebung aus dem Jahr 2014 weist schliesslich noch 7 Privatbanken aus.

Entsprechend schwierig wäre es für die Bankiervereinigung heute überhaupt noch einen Privatbankier für das Präsidentenamt zu finden. Alles deutet darum darauf hin, dass beim Branchenverband eine neue Ära anbricht. Vor allem die Inlandbanken könnten die Gunst der Stunde nutzen und dem Verband stärker ihren Stempel aufdrücken.

Nur ungenügend gehört

Denn sie fühlen sich schon seit geraumer Zeit durch die Bankiervereinigung nur ungenügend gehört, wie Markus Gygax, Valiant-Chef und Präsident der Regionalbankenorganisation RBA-Holding, bestätigt. «Es kann nicht sein, dass auf dem Finanzplatz Schweiz nur das Anlagegeschäft als wichtig angesehen wird. Das inländische Kreditgeschäft ist eine zentrale Drehscheibe der Wirtschaft und verdient mehr Beachtung», sagt er auf Anfrage.

Gygax spielt damit auf den Umstand an, dass die Bankiervereinigung im Ruf steht, vor allem die Interessen der Grossbanken zu vertreten. Am wichtigsten sei jedoch, sagt er, dass die Banken wieder geschlossen aufträten und gegenüber der Politik mit einer Stimme sprächen. «Das war in der Vergangenheit nicht der Fall.» Aus welchem Banksegment der neue Präsident komme, sei dagegen weniger entscheidend. «Hauptsache er spricht für alle Banken.»

Pierin Vincenz als Favorit

Gemäss den Spekulationen verschiedener Medien sind die Chancen jedoch gross, dass es erstmals ein Inlandbanker sein wird. Der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wird jedenfalls als Favorit gehandelt. Für Vincenz spricht der grosse Bekanntheitsgrad.

Auch seine Erfahrungen mit Genossenschaften dürfte von Vorteil sein. Gefragt seien nämlich zurzeit bei der SBVg vor allem Integrationsfähigkeit, sagt Historiker Vogler. «Denn die Differenzen zwischen den verschiedenen Interessengruppen innerhalb des Verbandes waren noch nie so gross.»

(sda/ccr)