Risikoaversen Anlegern, die bei jeder Kurskorrektur das grosse Bammeln bekommen, kann der Beta-Faktor zur Entspannung verhelfen. Diese Kennzahl bringt die Volatilität eines Wertpapiers zum Ausdruck. Verhält sich eine Aktie gleich wie der Referenzmarkt, ist sein Beta-Faktor 1, liegt das Beta über 1, bewegt sich das Wertpapier volatiler als der Markt, aber ein Beta unter 1 heisst, dass der Titel weniger schwankt als der Vergleichsmarkt. Aktien mit einem tiefen Beta verlieren bei einer Kurskorrektur demnach weniger an Wert. Bei steigenden Märkten müssten mit den heissen Aktien mit hohem Beta demnach auch grössere Gewinne eingestrichen werden können.

Christian Gattiker, Analyst bei der Bank Julius Bär, sieht das allerdings anders. «Aktien mit einem tiefen Beta generieren langfristig eine höhere Rendite als solche mit einem hohen Beta. Sogar bei steigenden Aktienmärkten.» Die Grafik belegt Gattikers These. Auch während der Bullenjahre seit 2004 haben Titel mit tiefem Beta besser abgeschnitten als die volatilen Papiere.

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Zu viel Geld kann schädlich sein

Gattiker führt dies auf die Kapitalisierung der Unternehmen zurück. Beispiel Öl: In den 90er Jahren hatte der Ölsektor ein tiefes Beta und Öltitel galten als langweilig. Dementsprechend wenig Geld floss in den Sektor. «Irgendwann kam es zu Unterkapazitäten. So stiegen die Ölpreise und die Öltitel wurden wieder interessant», erklärt Gattiker. Damit stieg auch der Beta-Faktor. Den umgekehrten Fall könne man bei der in den 90er Jahren heiss diskutierten Food-Branche feststellen, heute indes werden Nahrungsmitteltitel als langweilig angesehen.

Das Problem der heissen, volatilen Branchen, mit denen Anleger das grosse Geld machen wollen, ist paradoxerweise das viele Geld, das ihnen zufliesst. «Irgendwann sind die heissen Sektoren überkapitalisiert und investieren nicht mehr länger profitabel.» Bei hohen Beta-Faktoren besteht daher stets die Gefahr einer Überkapitalisierung. Im Schweizer Markt haben Swiss Life, ABB, Zurich Financial Services, Bâloise und Credit Suisse derzeit die höchsten Beta-Werte.



Die unpopulären Papiere mit einem tiefen Beta hingegen setzen ihr Kapital effizienter ein. So werden sie langfristig interessant.

Neben der Kapitalisierung der Unternehmen liegt es aber auch am Verhalten der Aktionäre, dass die Aktien mit tiefen Betas langfristig mehr Rendite erzielen. Anleger sind zu sehr von sich selbst überzeugt und glauben, den Markt schlagen zu können. Sie stürzen sich dabei herdenweise auf Werte, die kurzfristig die höchsten Renditen versprechen, also Titel mit hohen Betas, und zahlen einen zu hohen Risikozuschlag. Diese Erklärung liefert die Behavioral Finance, die das Verhalten der Investoren untersucht.

Defensive Werte sind gefragt

Einige Investoren sind versucht, bei der aktuellen Kurskorrektur auf Tief-Beta-Werte zu setzen. «Wenn eine längere Baisse bevorsteht, würde ich auf defensive Werte umsatteln», rät denn auch der Chefökonom der Zürcher Kantonalbank, Willy Hautle. Er geht allerdings davon aus, dass wir es im Moment lediglich mit einer kurzfristigen Korrektur zu tun haben, wie dies schon im vergangenen Mai der Fall war.

Nestlé, Roche und Ems Chemie

Wer vorsichtiger sein will und sein Portfolio dennoch neu ausrichten und auf weniger volatile Werte setzen möchte, ist vor allem mit den Tief-Beta-Sektoren Chemie, Pharma und Food gut bedient. Im Gegensatz dazu weisen Titel aus der Finanzdienstleistungsbranche und der Industrie derzeit hohe Betas aus. Die Bank Julius Bär empfiehlt aus den Branchen mit tiefem Beta beispielsweise Nestlé oder Roche. Beide haben kürzlich Rekordergebnisse für das vergangene Geschäftsjahr geliefert. Als interessanten Mid Cap nennt Julius-Bär-Analyst Gattiker auch die Ems Chemie, die einen Beta-Wert von 0.5 (in Relation zum SMI) aufweist. Und Investoren, deren Portfolio bereits Wertpapiere mit tiefen Betas beinhaltet, können allfälligen weiteren Börsenturbulenzen entspannter begegnen.