Der neuste Ableger der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) entsteht nicht in Liestal, sondern am Talacker in Zürich. Über das Fintech-Startup wurde bereits viel gemunkelt, seit es im Herbst als «Projekt Ethos» herumgereicht wurde. Nun präsentiert die Bank gegenüber der «Handelszeitung» ihre Pläne. Und einen Quereinsteiger als Chef.

Das Unternehmen heisst Radicant, und der Mann, der das Ganze für die Baselbieter aufbauen soll, ist Anders Bally. Zuletzt kannte man ihn als Gründer des Big-Data-Startups Sentifi. Dieses sammelt Daten in den Social Media, um Trends abzuleiten, die dann zum Beispiel von der Finanzindustrie genutzt werden können. Banker war Bally auch einmal, doch das ist lange her. In den Neunzigerjahren leitete er das Assetmanagement der damaligen SAM, die als eine der ersten Firmen auf nachhaltige Fonds setze. Und dahin zielt Bally auch heute wieder. Nur ganz anders, wie er betont.

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In die UNO-Ziele investieren

«Wir sind eine Tech-Firma, keine Bank», betont Bally. Man wolle das Projekt nicht wie eine Bank angehen, sondern wie ein Konsumgüterunternehmen, denn diese verstünden es besser, mit den Kunden und Kundinnen zu kommunizieren. «Schauen Sie sich eine Firma wie Nike an. Die fragen ihre Kunden, was sie von einem Schuh erwarten, und bauen diesen dann. Die Banken schicken meistens einfach Meldungen raus, in denen sie neue Produkte ankündigen.»

Anders Bally: CEO von Radicant

Anders Bally: Der Gründer von Sentifi baut für die BLKB das Startup Radicant auf

Quelle: Handout

Doch was plant Bally konkret? Radicant werde eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete digitale Plattform für sogenannte Affluent-Kunden, die zwischen 100 000 Franken und 1 Million Franken flüssig haben. «Wir werden alle Dienstleistungen anbieten, die man von einer Bank erwartet. Aber wir werden dabei auch mit Partnern zusammenarbeiten», sagt Bally. Noch sei nicht klar, ob es dafür überhaupt eine Banklizenz brauche. Ziel sei ein «Lebensbegleiter, der sich um alle deine Bedürfnisse kümmert». Und im Zentrum davon stehe die Geldanlage.

Anders als andere will Bally nicht einfach auf die oft verwendeten ESG-Kriterien setzen. Diese seien für Privatpersonen sehr schwierig nachzuvollziehen, auch wenn er solche einst selbst mitentwickelt habe. «Auch nach 28 Jahren gibt es noch immer keinen weltweiten Standard für ESG-Kriterien.»

Im Zentrum von Radicant sollen daher die 17 Entwicklungsziele der UNO stehen, erklärt Bally. Um diese herum werden dann «Anlage-Storys» entwickelt. So soll eine Kundin etwa in ein Ziel wie «Hochwertige Bildung» investieren können. «Unsere Dienstleistung wird sein, Firmen zu finden, die auf dieses Ziel hinarbeiten. Und entsprechende Investments zu vermitteln.» Damit schaffe man nicht nur «Sinn» beim Geldanlegen – und damit eine intensivere Beziehung zum Kunden –, sondern verfolge auch eine lukrative Strategie. «Der Druck, diese Ziele zu erreichen steigt von Jahr zu Jahr», so Bally. «Wer da früh gut positioniert ist, wird auch Rendite generieren. Wir wollen ja schon, dass unsere Kundinnen und Kunden Geld verdienen. Wir sind keine Philanthropen.»

Das Geschäftsmodell tönt nach einem Mix aus der Zürcher Privatbank Globalance und den Baskets des Online-Brokers Swissquote. Den Vergleich lässt Bally gelten, betont aber die Unterschiede: Radicant werde keine Privatbank, sondern ein volldigitales Unternehmen. Gleichzeitig ziele man nicht – wie viele Fintechs – auf Kleinkunden, sondern auf Affluent-Kunden.

Radicant: Das Logo spielt auf die Wurzeln an

Radicant: Name und Logo spielen auf die Wurzeln von Pflanzen an. 

Quelle: Handout

Noch existiert von Radicant nicht viel mehr als ein Logo, eine Idee und eine Adresse im Zürcher Bankenviertel. Ziel sei, bis Ende Jahr eine Plattform gebaut zu haben, die vor allem der Informationsvermittlung und dem Aufbau einer Community dienen soll. Erst in einem zweiten Schritt dann sollen konkrete Finanzdienstleistungen angeboten werden. Der Name Radicant leite sich von der Pflanzenwelt ab, erklärt Bally: Radikante Pflanzen schlügen schnell Wurzeln und passten sich gut an neue Umgebungen an.
 

BLKB lässt der Tochter Freiheit

Vorerst hat Bally 50 Millionen Franken Budget, gesponsert von Eigentümerin BLKB. Längerfristig sei es denkbar, das Aktionariat zu öffnen, sagte BLKB-Chef John Häfelfinger an der Jahrespressekonferenz der Bank. Dem Startup lässt man offenbar eine lange Leine. «Wir haben die volle operative Freiheit», sagt Bally. «Wir müssen gar nichts zusammen mit der BLKB machen, aber wir können.» Man verstehe sich nicht als «Tochter», sondern als «Investment».

In einem Tech-Unternehmen brauche man einen anderen Geist, als er in vielen Banken vorherrsche, sagt Bally. Dort werde noch zu oft in Silos gedacht. Und während die BLKB-Sprecherin bei diesen Aussagen kurz die Augen verdreht, doppelt BLKB-Chef Häfelfinger später nach: Man habe bewusst auf einen Externen gesetzt, sagt er. Und mit einem Augenzwinkern: «Wir wollen die neue Firma vor dem traditionellen Denken beschützen. Ein Banker wie ich hat an so einer Stelle keinen Platz, sonst hätten wir das direkt in der BLKB gemacht.»