Am Morgen danach war der Stress den CS-Chefs noch immer anzumerken. 6300 Kilometer voneinander entfernt und doch fast zeitgleich präsentierten sich CEO Brady Dougan und Präsident Urs Rohner nach dem Donnerschlag der US-Milliardenbusse in der Öffentlichkeit.
Der eine – Dougan – traf um 2.30 Uhr Ortszeit (8.30 Uhr in der Schweiz) am CS-Sitz an der Madison Avenue in New York ein, für die im Web übertragene Telefonkonferenz mit den Journalisten und Analysten. Mit eintöniger Stimme spulte er seine Statements ab und gab sich doch kampfeswillig: Nein, einen Rücktritt habe er nie in Erwägung gezogen.
Der andere – Rohner – hatte sich derweil nach Bern begeben, wo um 8.15 Uhr das Swiss International Finance Forum der «Neuen Zürcher Zeitung» begann. Im Kreise betont lockerer Kollegen wie des UBS-Präsidenten Axel Weber und des Ex-Nationalbankchefs Philipp Hildebrand wirkte er unruhig und verhaspelte sich beim Reden – er habe die Nacht zuvor keine Zeit für Schlaf gefunden, berichten Vertraute. Doch auch er schaffte es, seine Botschaft zu platzieren und die Einigung als einen grossen Schritt voran zu werten. Dass auch ihn keine Verantwortung trifft, hatte er bereits am Radio SRF verkündet: «Persönlich haben wir eine weisse Weste.»
Der medialen Offensive folgte ein Interviewmarathon von Rohner in mehreren Zeitungen, mit der stets gleichen Message: Personelle Wechsel seien nicht geplant, weder in der Konzernleitung noch bezüglich seiner eigenen Person. Mit selbstbewussten Statements hofft die CS-Führung, das Thema vom Tisch zu bringen – und wird doch von einer tiefen Furcht beherrscht, wie aus dem Umfeld des Präsidenten verlautet: dass der mediale Druck nicht abflaut und die Bank doch noch zu einem Personenopfer gedrängt wird.
Brady Dougans sieben Leben
Eingeschossen haben sich die Kommentatoren derzeit vor allem auf Dougan. Der CEO der CS habe sich vorweg überlegt zu gehen, schreibt die britische «Financial Times», doch er bleibe: «Die falsche Entscheidung», kommentiert das Blatt.
Auch wenn Rohner als primäres Angriffsziel zunächst etwas aus der Schusslinie ist, ist dies für ihn nur auf den ersten Blick eine gute Sache. Der steigende Erwartungsdruck bringt Rohner seinerseits in eine heikle Lage, könnte sich damit doch die schwache interne Position des Präsidenten offenbaren. Die Frage dabei ist: Kann er Dougan über die Klinge springen lassen, oder ist der Amerikaner stärker – vielleicht sogar stärker als er selbst?
Den Entscheid über eine Auswechslung des CEO müsste der von Rohner präsidierte Verwaltungsrat treffen. Doch dort hat Dougan mächtige Vertraute – wie überall in der Bank, vom Topmanagement bis hin zu den Aktionären. In den sieben Jahren an der Spitze hat Dougan sich als Katze mit sieben Leben erwiesen, hat seine Macht von ganz oben bis ganz unten stetig ausgeweitet, überall seine «Brady Boys» positioniert und sich damit eine starke Hausmacht aufgebaut. Ganz im Gegensatz zu Rohner, der auch nach drei Jahren als Präsident noch immer isoliert wirkt. So sind sogar im von ihm geleiteten Gremium, dem Verwaltungsrat, die mächtigsten drei Vertreter allesamt näher bei Dougan als bei ihm selber.
Dougans mächtige Vertraute
Da sind zunächst die beiden neuen Vizepräsidenten Noreen Doyle und Richard Thornburgh, die nach der Generalversammlung vom 9. Mai bestimmt wurden. Zu diesem Zeitpunkt traten zwei Schwergewichte zurück: Nestlé-Präsident Peter Brabeck sowie Swiss-Re-Präsident Walter Kielholz, der bis Ende 2008 Präsident der CS war. Zudem übernahm Noreen Doyle die Rolle des Lead Independent Director, jener Person im Rat also, die im Falle eines Machtkampfes gegen den Präsidenten dessen Absetzung durch das Gesamtgremium orchestrieren müsste.
Die 65-jährige US-irische Doppelbürgerin, die amtsälteste CS-Verwaltungsrätin, wurde 2004 von Kielholz ins Gremium geholt. Bekannt wurde sie als Vizepräsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) von 2001 bis 2005. Doch die Verbindung zu ihrem Landsmann Dougan geht noch weiter zurück: Vor ihrer Zeit bei der EBRD hatte sie mehrere Jahre gleichzeitig mit Dougan für die US-Bank Bankers Trust gearbeitet, wo beide den Grundstein ihrer Karriere legten. Dougan wechselte 1990 zur Credit Suisse, Doyle 1992 zur EBRD. Doyle, die sich im VR unter Kielholz als starke Stimme hervorgetan hat, soll – wie Kielholz selber – stets grosse Stücke auf Dougan gehalten haben.
Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen «BILANZ», seit Freitag am Kiosk oder mit Abo jeweils bequem im Briefkasten.