Hongkong gehört zu den wichtigsten Wirtschafts- und Finanzzentren der Welt. Für Schweizer Unternehmen ist die chinesische Metropole sehr wichtig, auch aus historischen Gründen: Viele Firmen bedienten von der ehemaligen britischen Kolonie aus den damals noch neuen chinesischen Markt. Heute ist vor allem die Schweizer Uhren- und Finanzindustrie in der Stadt stark vertreten.
Doch Hongkongs Zukunft ist höchst ungewiss: Seit über einem halben Jahr herrschen schwere politische Unruhen, weil China seinen Einfluss immer stärker geltend macht. Der Status der Metropole als politisch eigenständige Sonderverwaltungszone innerhalb Chinas ist infrage gestellt – und dies gefährdet auch Honkongs Rolle als internationales Wirtschaftszentrum.
Schweizer Firmen sehen die Zukunft düster
Wie reagieren Schweizer Unternehmen auf die Krise? Eine aktuelle Umfrage der Schweizer Handelskammer in Hongkong ist hier aufschlussreich: Die Handelskammer befragte in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Generalkonsul die Mitglieder zu deren Einschätzungen zum neuen Sicherheitsgesetz. Das Gesetz gilt als deutlichstes Zeichen, dass China künftig in Hongkong den Ton angeben wird.
Die Mehrheit der 58 Schweizer Unternehmen rechnen mit einem Ende von Hongkongs Status als Sonderverwaltungszone – und sie erwarten negative wirtschaftliche Folgen für die Stadt, ebenso wie Schwierigkeiten für ihr eigenes Unternehmen.
Ein Exodus der Firmen ist dennoch nicht zu erwarten. Die grosse Mehrheit der Firmen will zuwarten und hat derzeit nicht vor, sich ganz oder teilweise aus der Stadt zurückziehen.
An eine starke wirtschaftliche Zukunft Hongkongs scheinen sie aber trotzdem nicht zu glauben: Weniger als eines von zehn Unternehmen will noch investieren.
Bis letztes Jahr war Hongkong der wichtigste Markt für Schweizer Luxusuhren. Dann kam die Krise.
Hier die Umfrageergebnisse im Überblick:
- Eine Mehrheit glaubt, dass das neue Sicherheitsgesetz die politische Situation beruhigen wird.
- 65 Prozent bezweifeln, dass das Gesetz nur gewalttätige Demonstranten treffen wird.
- Nur ein Drittel glaubt den offiziellen Verlautbarungen der Regierungen Hongkongs und Chinas.
- Eine Minderheit ist zuversichtlich, dass China das neue Gesetz zurückhaltend anwenden wird.
- Eine Mehrheit rechnet mit dem Ende des Grundsatzes «Ein Land – zwei Systeme». Sie erwartet also eine Ende der politischen Eigenständigkeit Hongkongs.
- Eine leichte Mehrheit rechnet mit einem Bedeutungsverlust Hongkongs als Finanzzentrum.
- Eine leichte Mehrheit erwartet, dass das Gesetz Hongkongs Zukunft als Handelszentrum beeinflusst.
- Eine grosse Mehrheit sieht Folgen für die politische Freiheiten sowie die Menschenrechte in Hongkong.
- Eine Mehrheit rechnet mit Auswirkungen des Gesetzes auf ihre eigenen Aktivitäten. Hauptgrund für diese Einschätzung ist die Schwächung des Rechtsstaates.
- Eine grosse Mehrheit erwartet wegen des Gesetzes Konsequenzen für Hongkongs Status als Sonderverwaltungszone – mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf ihr eigenes Geschäft.
- Eine Mehrheit glaubt, dass es schwieriger wird, qualifizierte Ausländer anzustellen.
- Eine grosse Mehrheit sieht von Massnahmen ab und will zuerst abwarten, was das Gesetz verändern wird.
- Eine Mehrheit sieht keine Notwendigkeit für spezielle Kommunikationsmassnahmen.
- Eine grosse Mehrheit sieht sich nicht veranlasst, die Unternehmensstrukturen anzupassen.
- Eine grosse Mehrheit will am Standort festhalten.
- Weniger als zehn Prozent der Befragten haben vor, in Hongkong zu investieren und die Niederlassung auszubauen.
Das seit Juli geltende neue Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong gibt chinesischen Organen weitreichende Vollmachten in der Sonderverwaltungsregion. Als Höchststrafe ist lebenslange Haft vorgesehen. Entgegen der bei der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China garantierten Freiheitsrechte und Autonomie des Territoriums können chinesische Stellen in Hongkong künftig umfassende Ermittlungen ausführen und Jurisdiktion ausüben.
Die Bestimmungen gehen noch weiter. So können Agenten aus Festlandchina Untersuchungen gegen Verdächtigte in Hongkong einleiten. Das Oberste Gericht Chinas kann «komplizierte» Fälle, in denen es beispielsweise um ausländische Einmischung geht, an eine Staatsanwaltschaft und ein Gericht in der Volksrepublik anweisen. Damit werden Verdächtige ausgeliefert und der Strafverfolgung in China ausgesetzt.
Das Gesetz richtet sich gegen «Abspaltung», "Untergrabung der nationalen Einigung" oder «Untergrabung der Staatsgewalt» sowie «terroristische Aktivitäten» und «geheime Absprachen» mit Kräften im Ausland, die Peking als chinafeindlich ansieht. Ausländische Juristen äusserten ihre Sorge über die sehr vage gefassten Straftatbestände. Kritiker fürchten ein Ende des Prinzips «ein Land, zwei Systeme», nach dem Hongkong heute als Sonderverwaltungsregion regiert wird.
(sda/mbü)
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