Die Lufthansa-Gruppe greift zu drastischen Massnahmen: Am Freitagnachmittag entschied der Konzern, wegen des Corona-Virus (Covid-19) die Kapazität abhängig von der weiteren Entwicklung der Nachfrage in den nächsten Wochen um bis zu 50 Prozent zu reduzieren. So stark hat bisher keine europäische Fluggesellschaft auf die Krise reagiert.
Laut Mitteilung beziehen sich «diese Kapazitätsanpassungen auf alle Passagierfluggesellschaften der Lufthansa Group». Darüber werde geprüft, ob die gesamte Airbus A380 Flotte (das betrifft 14 Flugzeuge) in Frankfurt und München temporär ausser Dienst gestellt werde.
Für Swiss heisst das: Im März und April sind ebenfalls Kapazitätsreduktionen bis 50 Prozent vorgesehen. Damit sollen finanziellen Folgen des Nachfrageeinbruchs gesenkt werden.
Die Schweizer Airline prüft verschiedene Massnahmen zur Kostenreduktion – aber: «die Einführung von Kurzarbeit ist momentan nicht vorgesehen», heisst es in einer Mitteilung. Bei Lufthansa hingegen wird Kurzarbeit erwogen.
Am Tag zuvor gab es bereits schlechte Nachrichten für die Branche aus Israel: Das Land will aus Furcht vor dem Virus Menschen aus mehreren Ländern nicht mehr einreisen lassen, darunter auch Passagiere aus der Schweiz und Deutschland. Sogleich stoppte die Lufthansa-Gruppe inklusive der Swiss den Flugverkehr nach Israel, ab Sonntag wird die Route nach Tel Aviv nicht mehr bedient. Diese Regelung gilt bis Ende März.
Flieger bleiben am Boden
Airlines sind besonders hart von Covid-19 betroffen. Dabei leben Fluggesellschaften von der Globalisierung, verbinden täglich Millionen von Menschen. Mit der Furcht vor der Ansteckung und der rasanten Verbreitung der Krankheit wächst jedoch die Abschottung. Immer mehr Flieger müssen am Boden bleiben.
Der finanzielle Schaden für die Anbieter ist immens, kleinere Anbieter wie Flybe aus Grossbritannien sind bereits pleite. Corona gab der schon lange finanziell angeschlagenen Airline den Rest. Und die grossen der Branche, wie Lufthansa, erwägen im Gegensatz zur Swiss Kurzarbeit.
Es sind nämlich nicht nur Ferienreisende, die ihre Flüge stornieren. Auch der Geschäftsreisemarkt leidet extrem. Firmen verbieten ihren Angestellten in bestimmte Regionen zu reisen, Videokonferenzen und Homeoffice sind angesagt. Viele Messen und Veranstaltungen überall in Europa sind längst abgesagt.
Die Aussichten sind düster: «Die Ausbreitung des Virus schickt die Airline-Industrie in die Rezession», sagte Analyst Andrew Didora von der Bank of America zur Nachrichtenagentur «Bloomberg». Der internationale Airline-Verband IATA schätzt, dass der Umsatzausfall in der Branche weltweit bis zu 113 Milliarden Dollar bertragen könne. Für Europa erwartet IATA wegen Corona ein Viertel weniger Fluggäste und etwa 33 Milliarden Euro Umsatzausfall.
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Egal, ob British Airways, Easyjet, Lufthansa oder United Airlines: Überall gibt es reduzierte Flugpläne, zudem müssen die Airlines nun kräftig sparen. Es trifft natürlich nicht nur die sogenannten Legacy-Anbieter, ebenso die Billigflieger: Norwegian Air hat schon verkündet, nach mehreren Jahren des Verlusts auch 2020 wieder nicht profitabel sein zu können.
Kein Wunder, dass an der Börse die Zeichen auf rot stehen: Die Lufthansa-Gruppe, zu der auch die Swiss gehört, hat in den vergangenen zwei Handelswochen an der Börse rund 15 Prozent verloren. Damit hält sich der deutsche Konzern im europäischen Vergleich noch einigermassen gut.
So hat der British-Airways-Mutterkonzern IAG im selbem Zeitraum 35 Prozent verloren, bei der angeschlagenen französisch-niederländischen Groupe Air France-KLM sind es 41 Prozent gewesen. Die börsenkotierten Billigflieger Ryanair (-30 Prozent) und Easyjet (-36 Prozent) entziehen sich den Kursverwerfungen allerdings genau so wenig.
Rote Laterne für American Airlines
Schlusslicht im Branchenindex von «Bloomberg» bilden allerdings American Airlines, wo innerhalb nur zehn Handelstagen 42 Prozent an Kurswert vernichtet worden sind. Die nach Passagierzahlen grösste Airline der Welt ist auch die am meisten verschuldete amerikanische Fluggesellschaft. US-Gesellschaften wurden insgesamt auch besonders stark durch das Grounding des Unfalljets Boeing 737 Max getroffen.
Der «Bloomberg»-Index World Airlines hat um 22 Prozent nachgelassen. Innerhalb des Index’ relativ moderat sind die Kursverluste chinesischer Fluggesellschaften. Dort allerdings hatten die Kurse allerdings schon früher nachgelassen, weil das Coronavirus in China schon länger wütet als anderswo auf der Welt. Neue Korrekturen an den chinesischen Börsen könnten auch China-Carrier bald erneut treffen.
Die Fluggesellschaften des Lufthansa-Konzerns reagieren auf die Corona-Epidemie mit flexibleren Umbuchungsmöglichkeiten. Ab sofort und bis zum 31. März verzichten Lufthansa, Swiss, Austrian Airlines, Brussels Airlines und Air Dolomiti weltweit auf die Umbuchungsgebühren und bieten eine einmalige Umbuchung bei allen neu gebuchten Flügen an. Dies gelte für alle neu erworbenen Tickets, die Passagiere einmalig ohne Umbuchungsgebühr auf ein neues Datum bis zum 31. Dezember 2020 umbuchen können. Die neue Kulanzregelung für bestehende Buchungen gelte weltweit für alle bis zum 5. März gebuchten Flüge mit einem Abflugdatum bis zum 30. April 2020.
Auch Air France und KLM führen auf dem gesamten Netzwerk flexible und kostenlose Umbuchungsmöglichkeiten ein: Die neuen Umbuchungsbestimmungen gelten weltweit für alle Air France- und KLM-Fluggäste mit einem gültigen, bis 31. März ausgestellten Ticket für eine Reise bis und mit 31. Mai 2020.