Die Entschuldigung der Credit Suisse kam schnell. Doch anders als geplant, war die Sache damit längst nicht vom Tisch. Obwohl CS-Präsident António Horta-Osório um Verzeihung bat, weil er gegen eine Corona-Quarantäneregel verstossen hat, klingt die Kritik nicht ab.

Jetzt habe er sogar bei der Entschuldigung gelogen, so das Urteil. Auch in den für die Kapitalmärkte wichtigen angelsächsischen Medien wird die Sache ungnädig kommentiert. 

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Die Kernfrage dabei lautet stets: Kann es sein, dass einer, der den Neuanfang predigt und eine Skandal-Bank in eine saubere Zukunft führen will, sich selber nicht an die Regeln hält? So führt das «Wall Street Journal» aus, dass gerade für Horta-Osório die «Förderung von Eigenverantwortung und Rechenschaftspflicht» ein «Grundpfeiler seines Führungsstils» sei.

Sollen sie doch Tram fahren

Bei genauem Hinsehen hätte man den nicht ganz legalen Abflug aus der Quarantäne als Detail und als Irrtum abtun können, oder juristisch gesprochen: als blosses Vergehen. In vielen Ländern – auch der Schweiz – enthalten die Corona-Verordnungen allerlei Spezialparagraphen, die man selbst mit gutem Willen falsch interpretieren kann.

Zum Beispiel, wenn ein Ausstieg wegen der Tätigkeit «zwingend notwendig» ist; wenn man auf der Durchreise beziehungsweise im Transit ist; wenn man gewisse Schritte mit gewissen Schutzkonzepten tut; genesen, geimpft, getestet und so weiter.

Obendrein gibt es manchmal auch diplomatische oder politische Ausnahmen. So gewährte Hongkong eine Spezialbewilligung, als JP-Morgan-Konzernchef Jamie Dimon im November einen 32-stündigen Besuch abstatten wollte.

Das Problem ist nur: António Horta-Osório liess vorab prüfen, ob bei ihm trotz Quarantäneanordnung ein Ausnahmefall vorliegt. Und das wurde abgelehnt. Der CS-Manager flog trotzdem los.

Dass gerade Präsidenten, Konzernchefs und Top-Führungskräfte auch in Pandemie-Zeiten viel unterwegs sein wollen, ist offenkundig. Dazu gehört natürlich auch der in Portugal geborene Horta-Osório, der stets zwischen Zielen in der Schweiz, Iberien, Grossbritannien und den USA herumjettet. Doch anderseits gehört es zutiefst zur Schweizer Polit-Kultur, dass man der Elite möglichst wenig Ausnahmen gewährt: Die sollen genauso Tram fahren wie alle, so die verbreitete Grundhaltung. Daran orientieren sich selbst Bundesräte.

Unser Kommentar zum Thema

Kommentar: Der angeschlagene Präsident der CS, António Horta-Osório, bringt den Vize der Bank, Roche-Chef Severin Schwan, in eine schwierige Situation.

Dadurch, dass Sir António ausbüxte, ramponierte er also auch sein Image als führende Reinigungskraft des Finanzplatzes Schweiz. Er war im April angetreten, um die skandalgeplagte Credit Suisse zu erneuern. Ein ungünstiges Schicksal wollte es, dass kurz vor seinem Arbeitsbeginn in Zürich nochmals milliardenteure Fehlspekulationen aufflogen – beim Sturz von Greensill und Archegos – und dass danach weitere Altlasten drückten: Im Oktober wurde die CS zu einer weiteren Strafzahlung verurteilt, weil ihre Londoner Banker geholfen hatten, das mausarme Land Mosambik mithilfe korrupter Politiker in die Schuldenfalle zu treiben.

Dass die gebeutelte CS-Aktie seit Horta-Osórios Amtsantritt weitere 10 Prozent verlor, kann ihm also immer noch nicht speziell angelastet werden. Aber auf der anderen Seite konnte der neue Mann bislang keinen Befreiungsschlag platzieren.

«Weiterwursteln»

Anfang November verkündete er sein lange erwartetes strategisches Update. Wer auf einen spektakulären Schnitt gehofft hatte – etwa die Abspaltung einer Division wie des Asset Management –, wurde enttäuscht. Horta-Osório kündigte an, Kapital aus risikoreicheren in solidere Bereiche zu verlagern; er will weniger Investmentbanking, mehr Wealth Management; er strafft die Struktur und legt die drei Wealth-Management-Bereiche Schweiz, Asien und International zusammen.

Am radikalsten erschien noch die Schliessung der Prime-Brokerage-Abteilung, also der Dienstleistungen für Hedgefonds, sowie gewisser Derivategeschäfte: Hier zog Horta-Osório Konsequenzen aus dem Archegos-Debakel, das noch unter Vorgänger Urs Rohner eingebrockt worden war.

Die spontanen Reaktionen waren mau. Die Aktie reagierte auf Horta-Osórios strategische Ideen mit einem vorübergehenden Kursrutsch um 5 Prozent. Amerikas führende Bank, JP Morgan, setzte das Credit-Suisse-Papier herunter; man hätte dann schon einen entschlosseneren Abbau des CS-Investmentbanking erwartet, so der Kommentar der JP-Morgan-Analysten. Und die NZZ kommentierte die neue Strategie mit dem Verb «weiterwursteln».

Als Hauptthema von António Horta-Osórios bisheriger Amtszeit erschien Risikomanagement. Er wolle alles diesem Prinzip unterordnen, so sein Credo – und in diesen Funktionen griff die neue Führung bislang auch am entschlossensten durch. Vorletzte Woche kündigte er auch an, das Bonus-System der Bank entsprechend zu überarbeiten.

Aber sonst agierte er eher gemässigt. Bemerkenswert war zum Beispiel, dass er die neue Strategie Anfang November nicht mit spektakulären Personalrochaden untermalte – hier stehen manche Entscheide wohl erst an. Was vermuten lässt, dass momentan am Paradeplatz heftige Macht- und Aufstiegskämpfe toben.

Und dies wiederum könnte erklären, weshalb der Verwaltungsratspräsident, wie nun für alle Welt erfahren durfte, mit Indiskretionen an die Boulevardpresse sabotiert werden soll.

Quarantäne: Auch die Schweiz hat viele Ausnahmeregeln

Viele Länder machen Ausnahmen bei den Corona-Regeln, auch die Schweiz: In der «Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) im Bereich des internationalen Personenverkehrs» sind beispielsweise solche Spezialbestimmungen aufgeführt.

Dort heisst es unter anderem, dass manche Personen «von der Test- und Quarantänepflicht nach Artikel 7 ausgenommen sind». Dazu zählen zum Beispiel Personen, deren Tätigkeit in der Schweiz zwingend notwendig ist für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Gemeint sind aber auch Menschen, die aus wichtigen beruflichen oder medizinischen Gründen und ohne Möglichkeit eines Aufschubs in die Schweiz einreisen. Sowie Menschen, die sich aus wichtigen beruflichen oder medizinischen Gründen und ohne Möglichkeit eines Aufschubs in einem Staat oder Gebiet mit erhöhtem Ansteckungsrisiko aufgehalten haben und wieder in die Schweiz einreisen.

Ebenso heisst es: Die zuständige kantonale Behörde kann in begründeten Fällen weitere Ausnahmen von der Test- und Quarantänepflicht bewilligen oder Erleichterungen gewähren.