Paukenschlag bei Tommy Hilfiger: Völlig überraschend hat der Schweizer Firmenchef Daniel Grieder am Dienstag seinen Rücktritt eingereicht. Grieder wird, wie die Hilfiger-Muttergesellschaft PVH mitteilt, durch seinen langjährigen Mitstreiter Martijn Hagman ersetzt. Per sofort.
Warum Grieder nach insgesamt 23 Jahren, davon sechs als oberster Chef, bei Tommy Hilfiger, nun plötzlich nicht mehr will, ist offen. PVH äussert sich zu den Gründen des Rücktritts nicht konkret. Grieder wird in der Mitteilung so zitiert: «Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich meinen Platz an Martijn weitergeben kann. Er war in den letzten zwölf Jahren dieser Reise ein Freund, ein Vertrauter und zuverlässiger Co-Pilot. Es gibt nie den perfekten Moment, um eine Organisation, die man liebt, zu verlassen. Man kann nur zu früh oder zu spät gehen. Und ich wusste, dass ich diesen Wechsel vollziehen wollte, während ich immer noch den Optimismus, die Energie und die Leidenschaft habe, an die ich mich in meiner Karriere immer gehalten habe.»
Auf eine Anfrage der HZ zu den Gründen seines Rücktritts und zu seinen Zukunftsplänen hat Grieder bislang nicht reagiert.
Comeback als Verwaltungsrat bei einem kotierten Konzern?
Das kann darauf hindeuten, dass Grieder eine neue Chefrolle oder ein Verwaltungsratsmandat bei einen anderen börsenkotierten Unternehmen übernehmen wird. In «den nächsten paar Monaten» aber wird er vorerst noch seinem Nachfolger Hagmann bei Tommy Hilfiger und dem Europa-Ableger der US-Gesellschaft PVH beratend zur Seite stehen. Um, wie es heisst, «einen reibungslosen und erfolgreichen Übergang zu gewährleisten».
Damit ist klar: Zum Eklat kam es nicht. Das wäre auch erstaunlich gewesen: Erst im vergangenen Dezember zeigte sich Grieder im HZ-Doppelinterview mit Firmengründer und Chefdesigner Tommy Hilfiger als eingeschworenes Team. Hilfiger sagte damals über Grieder: «Daniel war der Messias, der seine Botschaft überall in der Firma verkündete. Am Schluss zogen alle mit.»
Grieder macht Hilfiger zu einer Weltmarke
Ohne Grieder wäre Tommy Hilfiger heute nicht die Weltmarke, die sie ist. Während seiner sechsjährigen Amtszeit als Chef steigerte das Label die Verkäufe um rund 3 Milliarden Dollar auf aktuell rund 9 Milliarden Dollar. Bei der Schwestermarke Calvin Klein haben sich Umsatz und Gewinn mehr als verdoppelt.
Grieder hat aber nicht nur die Zahlen gesteigert. Zusammen mit Chefdesigner Hilfiger hat er die Marke auch jünger und cooler gemacht – unter anderem mit einer Zusammenarbeit mit der Influencerin Zendaya. An der entsprechenden Modeschau in Paris trat unter anderem die 1980er-Ikone Grace Jones als Model auf (siehe Bild).
Derzeit allerdings leidet PVH stark unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres brach das Geschäft stark ein. Konkrete Zahlen hat der Konzern zwar bislang nicht genannt. Die Lage ist aber offenbar angespannt: Denn Anfang April drastische Massnahmen ergriffen, um finanziell handlungsfähig zu bleiben, wie das Fachblatt «Textilwirtschaft» berichtete.
Lohnkürzungen wegen Corona
Dazu gehören etwa ein Kredit in Höhe von 750 Millionen Dollar, ein Stopp der Aktienrückkäufe sowie Kurzarbeit und unbezahlter Zwangsurlaub für zwei Drittel der nordamerikanischen Mitarbeiter. Alle übrigen Vollzeitkräfte mussten Gehaltskürzungen von bis zu 20 Prozent hinnehmen. Bei rund 250 Kadern lag der Gehaltsschnitt sogar bei 50 Prozent. Daniel Grieder wird das verschmerzen: Er hat in seinen sechs Jahren als Hilfiger-Chef rund 25 Millionen Dollar verdient.
Grieder pendelte als Hilfiger-Chef zwischen Zürich und Amsterdam. Von dort aus führte er das Unternehmen, in Zürich lebt seine Familie – seine holländische Frau Sandra und seine zwei Kinder. Gut möglich, dass er nun nicht mehr nur an den Wochenende in Zürich anzutreffen sein wird.
Nach der Ausbildung zum Kaufmann beim Warenhaus Globus importierte Grieder Autos und absolvierte dann die Zürcher Fachhochschule. Er gründete schliesslich seine eigene Lederwaren-Firma und war auch ein erfolgreicher Ruderer. 1997 startete Grieder als Direktor bei Tommy Hilfiger. Mit der bekannten Seidendynastie Grieder ist der gebürtige Schaffhauser nicht verwandt.
Experimentieren und Mut zeigen
Erst vor wenigen Wochen hat Grieder in der HZ seine Vision für die Wirtschaft nach der Corona-Krise skizziert. Er schrieb: «Wir werden noch stärker in Digitalisierung und Innovation investieren und Ideen zum Leben erwecken, die wir zuvor bestenfalls als wünschenswerte Extras betrachteten. Ich denke an die zunehmende Bedeutung von Avataren, künstlicher Intelligenz oder Hologrammen. Marken werden eine zentrale Rolle im Leben der Konsumenten spielen. Gerade in der Mode wird sich die Art, wie Konsumenten einkaufen, besonders stark transformieren. Wir müssen offen sein für all die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, für Innovation, für Experimente. Mutige Führung, Unternehmergeist, Schnelligkeit und Beweglichkeit sind mehr denn je gefragt.»