Der grösste Korruptionsskandal in der Geschichte des Fussballweltverbandes hat Fifa-Chef Joseph Blatter zu Fall gebracht. Der 79-Jährige kündigte am Dienstag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz seinen Rücktritt an. Er begründete dies mit dem mangelnden Rückhalt bei Fans, Spielern und Verbänden. Kurz zuvor war bekanntgeworden, dass einer seiner engsten Vertrauten für dubiose Millionenzahlungen der Fifa verantwortlich sein soll. Unbestätigten Medienberichten zufolge ermittelt in der Affäre die US-Bundespolizei FBI auch gegen Blatter selbst. Die Frage nach seinem Nachfolger bei der Fifa ist indes offen. Ein neuer Präsident wird wohl frühestens am Jahresende gewählt.
«Die Fifa braucht tiefgreifende Veränderungen», sagte Blatter bei seinem kurzen Auftritt in der Fifa-Zentrale in Zürich, bei dem er keine Fragen zuliess. Er wurde erst am Freitag auf dem Jahreskongress der Organisation in eine fünfte Amtszeit wiedergewählt. Die Wahl sei zwar vorüber, aber die Probleme bestünden weiter, sagte Blatter. Sein Nachfolger werde auf einem Sondertreffen gewählt, das so schnell wie möglich stattfinden solle. Aus Fifa-Kreisen verlautete, die Konferenz könnte zwischen Dezember und März einberufen werden. Blatter kündigte zudem an, sein Amt bis dahin auszuüben.
Keinen Rückhalt in der Uefa
Am Freitag hatte er sich gegen seinen Herausforderer aus Jordanien, Prinz Ali bin al-Hussein, durchgesetzt. Vor allem Stimmen aus Lateinamerika, Asien und Afrika verhalfen ihm zu dem Erfolg. Dagegen verlor er im europäischen Verband Uefa immer mehr an Rückhalt. Dessen Präsident Michel Platini lobte den angekündigten Rücktritt: «Es war eine schwierige Entscheidung, eine mutige Entscheidung und die richtige Entscheidung.» Auch wichtige Sponsoren wie Visa oder Coca-Cola oder lobten den Schritt und forderten weitere Reformen.
«Die Ankündigung ist ein positiver Schritt für das Wohl des Sports, des Fussballs und dessen Fans», teilte der US-Getränkekonzern am Dienstag mit. Die Entscheidung werde dem Fussball-Weltverband helfen, die dringende Anpassung seiner Strukturen zu vollziehen. Coca-Cola ermahnte die FIFA erneut, entschieden zu handeln, um das Vertrauen derer zurückzugewinnen, die den Sport und den Fussball lieben.
«Dies ist ein wichtiger erster Schritt, um das öffentliche Vertrauen wieder aufzubauen, doch mehr Arbeit ist nötig», erklärte die US-Kreditkartenfirma Visa. Der Rücktritt Blatters zeige, dass die FIFA eingesehen habe, dass fundamentale Reformen notwendig seien. «Wir erwarten, dass die FIFA sofort Massnahmen ergreift, um sich mit den Problemen innerhalb der Organisation zu befassen.» Es gehe um Transparenz, Integrität und Fair Play.
Vorwürfe gegen engen Vertrauten
Bei den Korruptionsermittlungen in der Schweiz und den USA geht es um den Verdacht, dass bei der Vergabe von Wettkämpfen Schmiergeld geflossen sein könnte. Die Ermittler hatten deswegen in der vergangenen Woche mehrere hochrangige Fifa-Funktionäre in Zürich festnehmen lassen und den mächtigen Verband in eine tiefe Krise gestürzt. Zuletzt kam die Affäre Blatter selbst immer näher. Einem Insider zufolge ist sein Generalsekretär Jerome Valcke im Visier der US-Fahnder. Demnach steht der Franzose in Verdacht, für dubiose Millionenzahlungen verantwortlich zu sein. Das Geld soll an den festgenommenen Fifa-Funktionär Jack Warner geflossen sein. Die Fifa hatte den Verdacht wenige Stunden vor Blatters Pressekonferenz zurückgewiesen.
Der US-Sender ABC berichtete auf seiner Webseite unter Berufung auf mit dem Fall vertraute Personen, Blatter selbst sei im Visier des FBI. Dies berichtete auch die «New York Times» unter Berufung auf Ermittlerkreise. Demzufolge versuchen die Behörden, verdächtige Fifa-Funktionäre zur Zusammenarbeit zu bewegen. Das FBI äusserte sich nicht. Die schweizerische Bundesanwaltschaft erklärte, Blatter in ihrem Verfahren sei kein Beschuldigter.
«Die Fifa ist mein Leben gewesen»
Bei der Fifa endet mit dem Rücktritt eine Ära. Der studierte Betriebswirt und frühere PR-Chef der Uhrenfirma Longines kam 1975 zum Verband, der die Weltmeisterschaften organisiert. 1998 wurde er Präsident. In seiner Amtszeit konnte die Fifa die Einnahmen aus Sponsorenverträgen und dem Verkauf von Fernsehrechten vervielfachen. Bis zuletzt konnte Blatter auf Rückhalt in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern bauen, weil die Fifa dort viel Geld in die Förderung des Fussballs gesteckt hat. «Die Fifa ist mein Leben gewesen», sagte Blatter auf der Pressekonferenz. Sein Verband und der Fussball in der Welt seien für ihn überhaupt das Wichtigste.
Zugleich warb er für tiefgreifende Veränderungen. Die bisherigen Reformen hätten nicht gereicht. So sollen die Mitglieder des mächtigen Exekutivkomitees künftig vom Fifa-Kongress gewählt werden, auf dem sich jährlich die etwa 200 einzelnen Verbände treffen. Blatter will sich auch dafür einsetzen, dass Mitglieder des Gremiums nicht zu viele Mandate auf sich vereinen.
(reuters/awp/ccr)