Paukenschlag bei der Zurich Insurance Group: CEO Martin Senn tritt per Ende Jahr von seinem Amt zurück. Ihm ist es also nicht gelungen, sich von der immer stärker werdenden Kritik und dem steigenden Druck aus dem Umfeld des Versicherungskonzerns zu befreien. Ausserdem wird die Zurich in gut einem Jahr in eine neue Strategieperiode eintreten. Den CEO-Posten übernimmt ad-interim Verwaltungsratspräsident Tom de Swaan. An den Zielen und der strategischen Ausrichtung für die Periode 2014 bis 2016 hält das Unternehmen fest.
«Nach zehn sehr intensiven Jahren bei Zurich habe ich in Absprache mit dem Verwaltungsrat entschieden, als CEO zurückzutreten und den Platz für frische Kräfte freizumachen», wird Senn in einer Mitteilung der Zurich am Dienstag zitiert. Senn war bei der Zurich zunächst als Chief Investment Officer tätig und hat in den vergangenen sechs Jahren als CEO geamtet. De Swaan werde die Zurich operativ ad-interim führen bis ein Nachfolger gefunden worden ist. Und auch Vize-Präsident Fred Kindle werde in der Übergangsphase zusätzliche Verantwortung übernehmen, um weiterhin eine einwandfreie Governance zu gewährleisten.
Druck zu gross
Zuletzt ist die Kritik an Senn gewachsen und in den Medien wurde über den Abgang des CEO spekuliert. Mitte November hatte BILANZ berichtet, dass die englische Headhunter-Firma MWM Consulting mit der Suche nach einem Nachfolger beauftragt worden sei.
Für Martin Senn war 2015 bislang ein wahres Annus horribilis. Der Kurs liegt 15 Prozent im Minus und damit deutlich unter dem SMI. Am Ende des zweiten Quartals musste Senn gröbere Probleme im Sachversicherungsgeschäft einräumen, der Abgang seines Spartenchefs Michael Kerner kam zu spät. Dann brach er seinen Expansionsplan jäh ab: Die Akquisition des britischen Versicherers RSA, für den er im August eine unverbindliche Übernahmeofferte abgegeben hatte, stornierte Senn einen Monat später. Als Begründung nannte er den schlechten Geschäftsgang im dritten Quartal. So kam es dann auch: Anfang November musste die «Zürich» einen Gewinneinbruch von 80 Prozent bekannt geben.
Strategieüberprüfung wurde angeordnet
Vor allem in der Schadenversicherungssparte sind bei der Zurich grosse Probleme zu Tage getreten. Im dritten Quartal führten die operativen Probleme, etwa im US-Haftpflichtgeschäft, und die hohen Kosten aus den Explosionen vom August am Hafen der chinesischen Stadt Tianjin sogar zu einem Verlust in der GI-Sparte.
Bereits anlässlich des Investorentags im Mai musste Senn der Zurich eine Strategieüberprüfung anordnen. Schrittweise wurden seither für Deutschland (500 Stellen), Grossbritannien (400) oder das Global Team von General Insurance (200 Stellen bis Ende 2016) Job Cuts angekündigt. Und an der Börse büssten die Zurich-Aktien seit Anfang Jahr bis am gestrigen Montag 13 Prozent ein, während der Gesamtmarkt SMI (+0,1 Prozent) im Plus liegt. Europäischen Konkurrenten wie Allianz (+22 Prozent) oder Axa (+33 Prozent) liegen deutlich in der Gewinnzone.
Ziele und Strategie bekräftigt
Die Zurich sei ein profitables und kapitalstarkes Unternehmen, unterstreicht Senn in der Mitteilung vom Dienstag. «Wir mussten in den vergangenen Monaten einen Rückschlag einstecken, aber ich bin sicher, dass wir die richtigen Massnahmen getroffen haben, um unsere Ziele zu erreichen.»
Der Rücktritt von Martin Senn habe keinen Einfluss auf die strategische Ausrichtung oder die finanziellen Zielsetzungen, bestätigt auch die Zurich. Der Versicherer gibt sich zuversichtlich, die drei finanziellen Ziele für die Periode von 2014 bis 2016 zu erreichen oder zu übertreffen - nämlich eine Eigenkapitalrendite basierend auf dem Betriebsgewinn nach Steuern zwischen 12 und 14 Prozent, eine Kapitalquote nach dem Zurich Economic Capital Model (Z-ECM-Quote) von 100 bis 120 Prozent und netto Cash-Zuflüsse an die Gruppe in Höhe von mehr als 9 Milliarden Dollar.
Wachstumspläne stocken
Auch über die Verwendung des Überschusskapitals in Höhe von 3 Milliarden Dollar werde man im Rahmen der Publikation der Geschäftszahlen für 2015 informieren. Dieses «freie» Kapital will die Zurich entweder für organisches Wachstum oder Akquisitionen einsetzen. Sollten sich dafür bis Ende 2016 keine Möglichkeiten ergeben, wird die Zurich die Mittel an die Aktionäre zurückführen.
Im Spätsommer war die Zurich nahe dran, das Überschusskapital für die Übernahme des britischen Versicherers RSA einzusetzen. Nach einer rund zwei Monate langen Evaluationsphase wurde die milliardenschwere Akquisition allerdings abgeblasen. Statt RSA zu schlucken, wollte Martin Senn zunächst das Schadensversicherungsgeschäft wieder auf Kurs bringen. Auch für die stockenden Expansionspläne erntete Martin Senn Kritik.
Der CEO-Wechsel bei der Zurich könnte aber auch mit der bevorstehenden nächsten Strategieperiode ab 2017 zu tun haben. Schliesslich muss spätestens Mitte 2016 intern die Festlegung neuer operativer und finanzieller Ziele beginnen. Wer diesen Prozess leiten soll ist noch unklar. Als mögliche Kandidaten wurden in den Medien etwa Finanzchef George Quinn oder Chief Risk Officer Cecilia Reyes genannt. Ein weiterer interner Kandidat ist Kristof Terryn, der nach der Neupositionierung der Lebensparte nun die Sanierung des Schadengeschäfts an die Hand genommen hat.
(awp/ccr)