Deutschlands Universitäten haben eine neue Initiative lanciert, um bei der Globalisierung der Ausbildung vorne mitzumischen. Sieben Konsortien aus über 35 deutschen Universitäten haben in New York Liaison-Büros eröffnet, um Partnerschaften mit US-Institutionen aufzubauen und amerikanische Studenten und Wissenschafter direkt zu kontaktieren. Die Vertretungen finden sich im gleichen Gebäude wie der Deutsche Akademische Austausch-Dienst (DAAD), der gegenüber den Vereinten Nationen in New York residiert.
Besseres Profil
Der Vorstoss in die USA wurde nicht zuletzt durch den Bologna-Prozess in Europa ausgelöst. Mit der Einführung von Bachelor- und Masters-Programmen eröffnen sich neue Möglichkeiten im Bereich der Mobilität von Studierenden. Gleichzeitig führt eine Gesetzesreform in Deutschland dazu, dass sich deutsche Universitäten deutsche und andere europäische Studierende vermehrt selber aussuchen können, anstatt sie zugeteilt zu bekommen. «Die Universitäten merken, sie können ihr Profil verbessern, indem sie besonders qualifizierte Studenten auswählen», erklärt Ulrich Grothus, der Direktor des DAAD in New York. «Dazu gehört, dass man sehr gute Studenten gerade aus jenen Regionen anzieht, in denen wahrscheinlich auch die besten Hochschulen der Welt sind», sagt er mit Blick auf die USA.
Die deutschen Universitäten sind über den DAAD bereits seit 1971 in New York vertreten, einem von 14 Standorten in Europa, Amerika, Asien und Afrika. Ursprünglich konzentrierte sich der DAAD auf die Vergabe von Stipendien, hier in den USA in Zusammenarbeit mit den berühmtesten Privatuniversitäten wie Harvard, Princeton, Yale oder Stanford, und auch öffentlichen Universitäten wie der University of Illinois in Chicago oder der University of California in Berkely. «Diese und weitere Universitäten nominieren amerikanische Studenten für unsere Stipendienprogramme und räumen uns gleichzeitig Gebührenermässigungen oder -erlasse für unsere eigenen Stipendiaten ein», beschreibt Grothus das Verhältnis.
Von den etwa 50 000 Studierenden, die der DAAD jährlich fördert, sind etwa 30 000 Ausländer, doch Grothus mahnt bei dieser Zahl zur Vorsicht: «Da sind die Teilnehmer einer einwöchigen Studienreisegruppe genauso mitgezählt wie ein Doktorand aus Sri Lanka, der während fünf Jahren an seiner Promotion in Deutschland arbeitet.» Zu jeder gegebenen Zeit befinden sich ungefähr 5000 DAAD-Stipendiaten in Deutschland, die mindestens ein Semester bleiben. Davon stammen gemäss Grothus etwa 120 aus Amerika. Die am stärksten vertretenen Herkunftsländer seien aber Russland und China.
Erst vor wenigen Jahren verlagerte sich die Tätigkeit des DAAD. «Wir haben in den letzten zehn Jahren sehr viel mehr getan, um deutsche Hochschulen in grösseren Informationskampagnen und mit mehr Beratungstätigkeit besser zu vermarkten», führt Grothus aus. Gleichzeitig wurde auch das Spektrum geöffnet: «Es gab in der Vergangenheit einen sehr starken Bias erstens zu Graduierten und zweitens zu den Geistes- und Sozialwissenschaften.»
Inzwischen wird jedoch etwa für Ingenieur- und Naturwissenschaften viel intensiver die Trommel gerührt, während gleichzeitig mehr Undergraduates angesprochen werden ein Umstand, der durch das Bachelor-Masters-System erleichtert wird.
Stärkung durch Kombination
In der Arbeit des DAAD erhofft sich Grothus von den Liaison-Büros in New York besonders in der hiesigen Informationsarbeit eine Stärkung durch die Kombination der Aktivitäten: «Wenn wir über Studienmöglichkeiten in Deutschland informierten, dann war das für eine nationale Organisation immer etwas abstrakt, weil wir über das reden mussten.» Vor Ort anwesende Ansprechpartner der deutschen Universitäten sollen mehr Farbe und Konkretion bringen und damit mehr Überzeugungskraft.
Nachgefragt: «Wir konkurrieren um interessante Nachwuchswissenschaftler und Studierende»
Was hat Sie dazu veranlasst, ein Kontaktbüro hier in New York zu eröffnen?
Bernd Huber: Die Allianz der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Freien Universität Berlin (FU) ist eine von verschiedenen Massnahmen, um die beiden Universitäten international bekannt zu machen. Zudem haben wir als Forschungsuniversitäten Interesse an wissenschaftlicher Exzellenz. Daher wollen wir gezielt jene ansprechen, die sich daran orientieren.
Dieter Lenzen: Ab nächstem Wintersemester können sich deutsche Universitäten ja 60% der Studierenden selber aussuchen und werden nicht mehr kontingentiert durch die Stelle für die Vergabe von Studienplätzen. Solche Studierenden sind hier zu finden, sei es für reguläre Studienplätze oder Summer Universities. Daneben besteht auch Interesse, eigene Studierende zu Auslandaufenthalten zu bewegen. Eine Präsenz in den USA zusätzlich zu Forschungskooperationen erleichtert dies.
Welche Vorteile bringt die New Yorker Präsenz gegenüber Forschungskooperationen?
Lenzen: Die Forschungszusammenarbeit auf Ebene einzelner Fächer ist bereits Alltag. Was wir hier machen, ist die Zusammenarbeit von Hochschulleitungen, und das ist eben nicht Alltag.
Huber: Wir haben eine lange Geschichte erfolgreicher Kooperationen mit Universitäten in den USA, beispielsweise in Physik mit der University of Santa Barbara. Dies ist unser Fundament, und darauf bauen wir jetzt auf.
Treten Sie dadurch mit den US-Universitäten in direkte Konkurrenz?
Huber: Amerikanische Universitäten haben ja auch Dependancen in Europa, und wir wollen natürlich um interessante Nachwuchswissenschaftler und potenzielle Studierende konkurrieren.
Lenzen: Was wir hier im Kleinen machen, haben grössere US-Universitäten bereits viel früher gemacht. Die Stanford University zum Beispiel hat seit den 60er Jahren eine Dependance in Berlin, und nicht etwa nur ein Kontaktbüro, sondern ein ausgegliedertes Stück der Universität, an dem man auch studieren kann. Das heisst, diese Universitäten gehen bewusst in den deutschen Markt und warten auf den Moment, wo das Erheben von Studiengebühren legal ist. Unlängst hatte ich ein Gespräch mit einem amerikanischen Kollegen, und er sagte etwas Zutreffendes: «Innerhalb der nächsten 20 Jahre wird es zehn globale Forschungsuniversitäten geben, und wir wollen eine davon sein.» So, und da kann man nur sagen: Wir auch!
Planen Sie auch den Vorstoss in andere Länder?
Huber: Zunächst einmal ist der Erfolg unserer USA-Initiative wichtig. Sicher gibt es international auch andere interessante Standorte.
Lenzen: Dazu gehören zweifellos China und Korea, das liegt bei uns nahe, weil wir ein Ostasien-Zentrum haben.
Welche Ziele haben Sie sich in den USA gesetzt?
Huber: Wir haben uns einen Zeitrahmen gesetzt, in dem wir zu konkreten Erfolgen bei der Entwicklung der Studierendenzahlen kommen möchten.
Welchen?
Lenzen: Wir wissen, wo wir heute stehen, wie viele Studierende wir haben, wie viele Kooperationen usw. Das Büro wird nach zwei Jahren evaluiert, und wir werden sehen, was wir erreicht haben, wo wir justieren müssen und was sein lassen.
Bernd Huber, Rektor Ludwig-Maximilians-Universität München,
Dieter Lenzen, Präsident der FU Berlin