Die reichsten Russen zahlen offenbar einen hohen Preis für den Einmarsch ihres Landes in die Ukraine. Die westlichen Sanktionen haben bei den Oligarchen zu einem schmerzhaften Vermögensverlust geführt. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Geld verlieren sie. So hat etwa Andrey Melnichenko vor ein paar Tagen sein Mandat bei der in Zug ansässigen Eurochem abgegeben. Damit ist er auf einen Schlag aus der Liste der 300 Reichsten geflogen, da die Anteile der Firma nicht mehr als Vermögen zählen. Doch er ist bei weitem nicht der Einzige.

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Wie das Wirtschaftsportal «Finbold» aus Daten ermittelt hat, haben die zehn reichsten Personen in Russland bis zum 22. März zusammen rund 45 Milliarden Dollar ihres Vermögens verloren. Zurzeit verfügen sie damit nun noch über ein Vermögen von rund 180 Milliarden Dollar, das sich auf Unternehmen in Branchen wie Energie, Industrie und Rohstoffe verteilt.

Der Oligarchen Leonid Mikhelson, laut «Forbes» einer der reichsten Russen und Hauptbesitzer des Gasunternehmens Novatek, hat innert Tagen 33 Prozent seines Vermögens verloren. Damit soll er noch über ein Vermögen von rund 20 Milliarden Dollar verfügen. Aber auch Wladimir Lissin, seit 1998 Vorsitzender des russischen Stahlproduzenten Novolipetsk Steel, hat mit über 25 Prozent einen horrenden Verlust seines Vermögens hinnehmen müssen. 

Geld durch Nickel und Gold

Als reichsten Russen bezeichnet der «Bloomberg Billionaire Index» den Russen Wladimir Potanin mit seinem Unternehmen Interros. Die Investmentgesellschaft hält Beteiligungen an Unternehmen im Energiesektor sowie im Handels-, Medien- und Immobilienbereich. Sein Vermögen ist um rund 20 Prozent gesunken.

Vergleichsweise glimpflich davongekommen ist dagegen der Milliardär Michail Prochorow. Laut der Aufstellung hat er lediglich 2 Prozent seines Vermögens von 18 Milliarden Dollar aus dem Nickel- und Goldgeschäft verloren.

Westliche Sanktionen beschleunigen Verluste

Der immense Vermögensverlust zeigt auf, dass sich die westlichen Sanktionen auf das gesamte Wirtschaftssystem in Russland auswirken: Der Rubel ist eingebrochen, etliche russische Banken sind aus dem internationalen Swift-Bankensystem ausgeschlossen worden. Die Oligarchen sind vor allem auch wegen ihrer engen Beziehungen zu Präsident Putin Milliardäre. Jeder Einzelne aus dieser russischen Wirtschaftselite wird nun mit westlichen Beschränkungen konfrontiert.

Dass rund 45 Milliarden Dollar in den ersten dreieinhalb Monaten des Jahres vernichtet wurden, hat mehrere Gründe: Die Verluste der Oligarchen sind vor allem auch deshalb so hoch, weil westliche Länder die Beschlagnahmung ihrer im Ausland gehaltenen Vermögenswerte veranlasst haben. Dazu zählen nicht nur Jachten, sondern auch Veräusserungen von Firmenteilen, welche die Oligarchen vornehmen mussten.

Die Vermögen der russischen Milliardäre sind auch geschrumpft, weil es zu einem Ausverkauf am russischen Aktienmarkt kam. Der Wert ihrer Unternehmen ist drastisch gesunken. Wegen des Unterbruchs des Aktienhandels in Moskau ist die Situation noch unübersichtlicher geworden, die Wertbemessung der Unternehmen und damit auch der Vermögen noch komplizierter.

Die meisten Oligarchen in Russland sind in der Energie- und Rohstoffbranche tätig. Berichten zufolge ist der Ölabsatz aus Russland jedoch stark zurückgegangen. Das wirkt sich direkt auf den Reichtum der russischen Elite aus. Wenn diese Energieträger keinen Absatz mehr im Westen finden, werden die Vermögen der Milliardäre weiter schrumpfen.

Milliardäre wollen ihre Haut retten

Damit sie ihr Vermögen nicht verlieren, haben einige Milliardäre die Kontrolle über ihre Firmen abgegeben oder haben sich aus den führenden Positionen in ihren Konzernen verabschiedet. Das prominenteste Beispiel ist Roman Abramowitsch, der angekündigt hat, seinen englischen Fussballclub FC Chelsea zu veräussern.

Ein Interessent kommt auch aus der Schweiz: Milliardär Hansjörg Wyss. Der Medtech-Unternehmer zeigt grosses Interesse an dem legendären Club aus London

Die Oligarchen veräussern aber nicht nur ihre Firmenanteile, sondern auch physische Vermögenswerte – allem voran ihre Luxusjachten, die zu den teuersten der Welt gehören. Jüngste Bewegung in dieser Sache ist die zweite Superjacht von Roman Abramowitsch, die «Eclipse». Sie soll in der Türkei angelegt haben.

Die Milliardäre versuchen, ihre schwimmenden Schätze aus Europa in Ländern in Sicherheit zu bringen, die dem Westen weniger nahestehen. Dazu zählen auch die Malediven, da das Land kein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten hat.

TIVAT, MONTENEGRO - MARCH 12: The superyacht, Solaris, owned by Roman Abramovich, arrives in the waters of Porto Montenegro on March 12, 2022 in Tivat, Montenegro. The yacht left a Barcelona port earlier this week as the UK government sanctioned Abramovich, a Russian billionaire who owns the Chelsea football club, in response to Russia's invasion of Ukraine. (Photo by Filip Filipovic/Getty Images)

Die Superjacht «Solaris» von Roman Abramowitsch in einem Hafen in Montenegro.

Quelle: Getty Images

Jedes Haus, jede Jacht soll zugeordnet werden können

Oft sind die Besitztümer der russischen Oligarchen aber dermassen verschachtelt und über Scheinfirmen verwaltet, dass die wahren Besitzer von Luxushäusern, Jachten oder Privatjets kaum nachvollziehbar sind. Wenn die wahren Besitzer hinter diesen Vermögenswerten nicht ausfindig gemacht werden können, ist die Beschlagnahmung schwierig. Eine internationale Journalistengruppe möchte jetzt ihre Recherchen bündeln und unter dem «Russian Asset Tracker» öffentlich sichtbar machen.

Je mehr Villen geschlossen werden oder Jachten in Häfen festsitzen, desto mehr könnten die Oligarchen sich von Putin abwenden, bevor sie alles verloren haben, so das Kalkül im Westen. Aber der Machtzirkel des russischen Präsidenten ist über die Jahre so stark geworden, dass die Oligarchen mittlerweile auch vor der Wahl stehen, ob sie durch Putins Hand alles verlieren oder eben durch westliche Sanktionen.