Wer gedacht hat, dass sich der seit Jahren weltbeste Flughafen nach der Eröffnung des technologisch wegweisenden Terminals 4 auf seinen Lorbeeren ausruhen würde, wird überrascht. Soeben hat der Singapore Changi Airport den 1,7 Milliarden Franken teuren «Jewel» eingeweiht: Der riesige, gewächshausartige Glasbau ist eine zusätzliche Attraktion für Abreisende wie Einheimische und versammelt ein klimatisiertes Indoor-Gartenparadies, 300 Shops und Restaurants sowie 130 stundenweise buchbare Schlafkabinen von Yotelair unter einem Dach. Im Zentrum des grünen Wunders steht der Instagram-taugliche Wasserfall, mit 40 Metern der höchste seiner Art.
Doch wird am Changi Airport nicht nur geprunkt, sondern auch dafür gesorgt, dass das Abfliegen, Umsteigen und Ankommen so reibungslos, unkompliziert und komfortabel wie möglich abläuft. Wer hier landet, schafft es in aller Regel in 25 Minuten vom Flugzeug ins Taxi, inklusive Einreisekontrolle, Gepäckabholung und Zollabfertigung.
Der Abflugprozess ist weitgehend automatisiert: Der Flughafen macht extensiven Gebrauch von Fingerabdruckund Gesichtserkennungstechnologien, und abgesehen vom Security-Check (bei dem die Laptops nicht mehr aus dem Handgepäck genommen werden müssen) geht für routinierte Traveller vom Check-in bis zum Boarding alles ohne menschliche Kontrolle vonstatten. Umsteiger, die in ihrem Transit eine Wartezeit zu überbrücken haben, werden in Singapur nicht mit umständlichen Transferwegen, unwilligem Bodenpersonal und üblen Toiletten abgestraft, sondern von einer effizient durchorganisierten und zugleich beruhigend wirkenden Wohlfühlwelt mit ungezählten Freizeit-, Spa- und Einkaufsmöglichkeiten empfangen. Sogar kostenlose Stadtrundfahrten werden angeboten.
Unschlagbare Asiaten
Auch im Hong Kong International Airport (Platz 3) gibt es so viel zu sehen und zu tun, zu essen und zu kaufen, dass man schon mal seinen Flug verpassen kann. Zwar büsste der Flughafen einen Rang ein, doch behauptet er seine herausragende Stellung.
Jahr für Jahr besser wird der zweitplatzierte Tokyo-Haneda-Airport. Anders als sein Schwesterflughafen Tokyo-Narita (Platz 17), der inmitten von Reisfeldern 70 Kilometer ausserhalb der Stadt liegt und einen für japanische Verhältnisse erstaunlich zähen Passagierfluss aufweist, ist Haneda recht zentral, unprätentiös modern und sehr bequem mit diversen Zügen und Busverbindungen an die wichtigen Stadtviertel (einschliesslich Shinjuku) angebunden. Auch sind Check-in, Passkontrolle, Security und Boarding ordentlich koordiniert und an jeder Ecke stehen überaus freundliche Auskunftspersonen bereit.
Das Einzigartige an Haneda ist jedoch die Food-Kompetenz: Der Flughafen versammelt einige Ableger von Tokios besten Restaurants, teilweise mit Terrassen unter freiem Himmel. Für Economy-Reisende, die auf dem bevorstehenden Langstreckenflug kulinarisch kaum verwöhnt werden, lohnt es sich, frühzeitig und hungrig – und mit einem angemessen grosszügigen Budget – zum Flughafen zu gelangen. Eine weitere Besonderheit von Haneda ist die Freiluft-Aussichtsplattform mit Blick auf die Start- und Landebahnen; Touchscreens informieren über die vorbeiziehenden Maschinen und die markanten Gebäude am Horizont.
Beste Flughafen ausserhalb Asiens
Warum haben nicht mehr Flughäfen solche Open-Air-Bereiche? Es wäre so einfach und ist doch so rar. Immerhin: Der Flughafen Zürich (4) erfreut mit der Zuschauerterrasse B (Eingang beim Checkin 2), der Passagierterrasse und den Lounge-Terrassen auf dem Dock E (Business-Lounge-Zugang für Economy-Passagiere mit einem gültigen Swiss-, Lufthansa- oder Edelweiss-Ticket: 49 Franken) sowie seit zwei Jahren mit der Sports Bar Terrasse im Airside Center. Ausserdem: Der im nächsten Jahr eröffnende «Circle» in Gehdistanz zu den Terminals wird sich um eine parkähnliche grüne Lunge schmiegen.
Ebenfalls erfreulich: ZRH bleibt in der Gesamtperformance der beste Flughafen ausserhalb Asiens. Besonders gut kommen bei den Reisenden die zeitgemäss funktionale Gestaltung, die tadellose Sauberkeit und die vergleichsweise effizienten Abläufe an – von der oftmals langwierigen Gepäckausgabe mal abgesehen. Geradezu einmalig ist die Anbindung an die Stadt und ans ganze Land mit dem öffentlichen Verkehr.
Im Interview mit der «Handelszeitung» spricht Flughafen-Zürich-Chef Stephan Widrig über neue Transportmittel, den Streit um Gebühren und seine Wunschdestinationen ab Kloten. Mehr dazu lesen Sie hier.
Für manchen verwirrend ist jedoch die Bezeichnung der drei Terminals A, B/D und E, und wie überall auf der Welt hängt das persönliche Flughafenerlebnis stark von einzelnen Mitarbeitenden ab respektive davon, ob diese im Zweifelsfall auf den gesunden Menschenverstand oder auf das rigide Regelwerk der Controller vertrauen. Derzeit schlägt das Pendel, dem globalen Trend folgend, eher auf die Seite der Controller. Unverändert ärgerlich für ausländische Passagiere bleibt in Zürich das umständliche Lösen eines Zugangscodes für die maximal zwei Stunden kostenlose WLAN-Nutzung per Mobile. (Korrigenda: In einer früheren Version dieses Artikels hiess es, dass Reisende 5 Franken für eine kleine Flasche Wasser am Kiosk bezahlen müssten. Laut Flughafen Zürich kosten 0.5l Wasser am Kiosk Fr. 1.50, im Restaurant jedoch Fr. 4.90 - 6.90, ausserdem gibt es an jedem Terminal mehrere Wasserspender)
Bezug zum Standort
Viele Reisende schätzen heute Erfahrungen mit einem starken Bezug zum Standort. Diese Tendenz wird von manchen Flughäfen aufgenommen, sei es in puncto Design, Gastro- oder Freizeitangebot. In Helsinki-Vantaa (6) und Kopenhagen-Kastrup (7) stimmt die wohlig skandinavische Atmosphäre mit zahlreichen lokalen Geschäften heiter. In Amsterdam Schiphol (9) können belesene Passagiere in die Flughafenbibliothek eintauchen und dort in niederländischer Literatur (übersetzt in zwei Dutzend Sprachen) schmökern; direkt daneben lädt eine Dependance des Rijksmuseum Amsterdam mit wechselnden Ausstellungen zum Kunstgenuss zwischen zwei Flügen ein, und auch das Nemo Science Museum in Amsterdam betreibt eine kleine Airport-Filiale mit acht Experimentierstationen.
München (8) bietet im Sicherheitsbereich einen überdachten Biergarten an frischer Luft – inklusive Schweinsbraten und Weissbier. Tokyo-Narita hat in Vorfreude auf die Olympischen Spiele 2020 einen farbkodierten, umlaufenden Indoor Running Track im Terminal 3 geschaffen. Und bei der Ankunft in Wellington (10) wird sofort klar, dass man in Neuseeland und nicht im globalen Niemandsland gelandet ist: Der Flughafen ähnelt von aussen einem Felsen aus der lokalen Sagenwelt und strahlt innen Ruhe und Geborgenheit aus.
Auch München und Vancouver (13) gelingt es trotz kaum vermeidbarem Airport-Rummel, eine wohlige Atmosphäre zu erzeugen, in welcher verspätete Flüge nicht gleich das Ende der Welt bedeuten. Neu hat Paris-Charles-de-Gaulle (25) Einzug im Ranking gehalten. Originell ist dort das Angebot der französischen Post im Security-Bereich: Diese bietet den Versand von verbotenen Gegenständen – beispielsweise einem Schweizer Militärmesser – an die Heimadresse an. Etwas zurückgefallen im Vorjahresvergleich sind wegen Mängeln in der Konstanz und zunehmend Nervenproben ausgesetzten Passagieren die Flughäfen London Heathrow (12), Seoul Incheon (18) und Dubai (24).
Beklemmender Transit
In Dubai erwartet man etwas Verblüffendes. Einfach weil es Dubai ist, das ansonsten darauf beharrt, das Beste und Wahnwitzigste von allem zu haben. Doch der Flughafen DXB ist einfach nur hässlich, rund um die Uhr überlaufen und trumpft mit keinerlei überzeugenden Features auf, am wenigsten im gastronomischen Bereich. Selbst Terminal 3, der neuste Trakt und exklusiv für Emirates-Flüge reserviert, vermittelt alles andere als das Gefühl von Weite und Reiselust, wie dies etwa dem konkurrierenden Doha Hamad Airport (5) gelingt.
«In Dubai kommen erst beim Abflug Glücksgefühle auf», klagt der Geschäftsführer eines grossen Schweizer Reiseunternehmens. Auch am Bangkok Suvarnabhumi Airport (23) mag man sich am Kopf kratzen. An jeder Ecke der Innenstadt gibt es leckere thailändische Spezialitäten, doch von den Dutzenden gastronomischen Outlets am Flughafen finden sich gerade mal zwei, drei Anbieter mit heimischer Küche, und diese wirken uninspiriert. Ausserdem soll es hier flächendeckend kostenloses WLAN geben, doch nach einem zehnminütigen Versuch mit einem umständlichen Log-in-Prozedere hat es der Autor aufgegeben.
Roma Fiumicino (22) galt jahrzehntelang als Albtraum eines Flughafens, entsprechend reist man ohne Erwartungen an und ist verblüfft, wie nach den umfassenden Renovationen alles in modernem italienischem Chic strahlt und wie mühelos vieles funktioniert. Der römische Hub ist nicht Singapore Changi, doch zumindest so stimmig, dass ihn das Flugportal Skytrax im letzten Sommer zum «Most Improved Airport 2018» wählte.
Alles neu in Istanbul
Der jüngste Flughafen ist der im April umgezogene Istanbul Airport (noch nicht bewertet). Dieser hat noch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen, doch ist das Ganze architektonisch recht gelungen. Die Kuppeldächer und Säulen in den lichtdurchfluteten Empfangshallen nehmen osmanische Vorbilder auf und interpretieren sie neu, wobei bemerkenswerterweise jeder Anflug von Orientkitsch vermieden wurde. Es gibt 500 Check-in-Stationen und über 200 Passkontrollschalter – lange Warteschlagen, wie sie Reisende vom überfüllten Atatürk-Airport gewohnt waren, soll es nicht mehr geben.
Seine Zeit kann man in den ausgedehnten Shopping-Bereichen vertrödeln. Ausserdem muss man weite Wege einplanen: Vom Check-in bis zum entferntesten Gate sind es zwei Kilometer, wobei Rollbänder helfen. Der neue Flughafen IST – so das IATA-Kürzel – ist achtmal so gross wie der alte. Er soll andern Drehkreuzen wie Dubai, London oder Frankfurt Konkurrenz machen und bis 2023 eine Kapazität von mindestens 100 Millionen Passagieren pro Jahr erreichen. Das wären gleich viele, wie der quantitative Spitzenreiter Atlanta heute hat.